70 aus 2007 Teil 11

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Platz 10
Los Campesinos! - Sticking Fingers Into Sockets EP

13 Sekunden. Länger lassen Los Campesinos! nicht auf sich warten bis sie einem auf ihrer EP Sticking Fingers Into Sockets den ersten denkwürdigen Refrain an den Kopf werfen. Mit mehrstimmigem Gesang, Geigen und Glockenspiel eröffnet We Throw Parties, You Throw Knives den bunten Reigen den das Septett in gerade mal 16 Minuten aufführt. Wer hier musikalische Referenzen sucht wäre mit nahezu jeder personalstarken kanadischen Popband der letzten paar Jahre + The Go! Team + Architecture In Helsinki dividiert durch Dave Newfeld zunächst ganz gut bedient, doch sprengen Los Campesinos! mit Ausrufezeichen grinsend den Rahmen jedes Abziehbildes. [mehr]

[MP3] Los Campesinos! - We Throw Parties, You Throw Knives

Platz 9
Patrick Wolf - The Magic Position

Vom Jungen der auszog um Popstar zu werden, Kapitel 3. Und es sieht ganz so aus als hätte Patrick Wolf es geschafft: In England in den Charts gelandet, in Köln die Kids zum Jubeln gebracht und von der Presse hoch gelobt. Und alles zu Recht, denn sein erstes Major-Album ist wieder ein ganz großes geworden. Ja ein Popalbum, aber ein Popalbum das mit Overture beginnt und mit Finale endet, dazwischen Disco, Theremin und Marianne Faithful. Dabei scheint Wolfs Stimme nicht ganz für solch fröhliche, lebensbejahende Musik gemacht zu sein, ein bisschen kühl wirkt er selbst wenn er "It's gonna be a beautiful day, soo too the bluebirds say as I take your hand and you take my kiss and we take the world" intoniert. Doch die große Wärme kommt von der Musik, der theatralischen und tanzenden, komponiert zu einer Zeit als der Mann verliebt war. Komponiert, natürlich, in Dur. Dem "Major key".

[MP3] Patrick Wolf - The Magic Position

Platz 8
of Montreal - Hissing Fauna, Are You The Destroyer? / Icons, Abstract Thee EP

Kevin Barnes erging es ganz anders als Patrick Wolf. "I'm in a crisis. C'mon mood, shift shift back to good again!" fleht er in Heimdalsgate Like A Promethean Curse, einer flotten Ode an Antidepressiva. Die Songs die sich über of Montreals achtes Album und die dazugehörige EP erstrecken entstanden zu einer düsteren Zeit als Barnes' Ehekrise mit psychischen Problemen einherging. Selbstzweifel, Hass, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit - ganz anders als man es von den bunten Plastiksynths der Elephant6-Mitgründer erwarten würde. Dabei sind die klanglich dichten Songs, ignoriert man die Texte, kaum bedrückend, dafür gehören sie zum besten was Barnes je produziert hat. Nun, irgendwann merkt man aber doch dass hier etwas nicht stimmt: Das zwölfminütige The Past Is A Grotesque Animal, der beunruhigendste Song des Jahres, ist die musikalische Umsetzung eines Nervenzusammenbruchs und übt einen in seinem Verlauf immer stärker werdenden Sog aus dem man sich nur schwer entziehen kann.

Die qualitativ kaum abfallende Fortsetzung Icons, Abstract Thee führt nach einem Abstecher in die von Glück erfüllte Vergangenheit (Du Og Meg erzählt von den Anfängen der Beziehung) des Paares den bunt klingenden düsteren Psychotrip fort. Auch hier findet sich ein Stück von epischer Länge, doch auch in den 4 oder 5 Songs die No Conclusion findet die Geschichte keinen echten Abschluss, statt einen Ausweg aufzuzeigen verschwindet Barnes am Ende aus seiner eigenen Musik, verschwindet mit einem wiederholten "But it's hopeless!" in Geigen. Wen das alles, trotz der fabelhaften Songs, abschreckt dem sei das Happy Ending verraten das die Musik uns verwehrt: das Paar ist mittlerweile wieder zusammen.

[MP3] of Montreal - Heimdalsgate Like A Promethean Curse

Platz 7
Panda Bear - Person Pitch

Wenn Drummer auf Solopfaden wandeln erwartet man ja eher ein rhythmisch starkes Werk. Nun ist aber Animal Collective alles andere als eine traditionelle Rockband und eine Rolle wie "Drummer" dort mittlerweile sehr lose gefasst. Auch ist Noah Lennox auf der Bühne nicht gerade ein nervös zuckender Greg Saunier oder gar ein Testosteron ausatmender John Stanier, er wirkt mehr wie der ruhige Typ auch wenn er im Kollektiv manchmal stimmlich zum heulenden Tier wird. Sein Person Pitch ist zwar nicht ohne Rhythmus, beginnt es ja mit dem weit hallenden Chor aus Handklatschern von Comfy In Nautica, aber bis auf das höllisch perkussive Good Girl/Carrots doch sehr leicht in Sachen Beats und insgesamt eine vom Boden losgelöste Angelegenheit. Musik die das erste Sonnenlicht des Tages zelebriert wenn geloopte Gitarrenwellen sanft ineinander fallen und mit futuristischem Rauschen ein Raumschiff vorbeisegelt, unaufgeregte Musik mit Elfengesang am Wasserfall und mit Beach-Boy-Harmonien begleitet von einer Unterwasser-Orgel. All das und viel mehr rauscht langsam aber bezaubernd durch den Kopfhörer, zurück bleibt der Hörende selbst in angenehmer Sprachlosigkeit.

[MP3] Panda Bear - Comfy In Nautica

Platz 6
Battles - Mirrored

Mal zugegeben: Ich hatte früher eine enorme Abneigung gegen elektronische Musik. Gegen Kirmestechno sowieso, aber auch die anspruchsvolleren Varianten konnte ich nicht ab, sie erschienen grau und unnahbar für meine Ohren. Bis ich dann eines Nachts eine Maus durch eine bunte computeranimierte Landschaft (N64-Recycling yeah) fliegen sah, das Video zu Twift von Mouse On Mars. Diese verstrahlten Cartoonsounds, die überdrehten Ideen, das war so herrlich unernst und doch hervorragend gemacht dass ich mich daraufhin langsam für ein mir neues musikalisches Feld zu interessieren begann.

Vielleicht ist es genau so möglich dass jemand dem es sein Leben lang vor grimmigen Kerlen mit Gitarren gegraust hat eines Tages freudestrahlend Mirrored entdeckt. Battles erstes/zweites Album kann man auch nicht völlig ernst nehmen, mit seinem Heliumgesang, den distinktiven Sounds die alles sind nur nicht aus unserer Realität gegriffen. Auch wenn es live nicht so wirkt haben die fabelhaften vier durchaus einen Sinn für Humor, den muss man auch haben wenn man etwas so übertrieben bunt klingendes wie Rainbow nicht nur umsetzt sondern auch noch gut klingen lässt. Wie die meisten Stücke basiert es auf einem Loop mit dem Bassist Dave Konopka eines Tages zur Probe erschien und aus denen in einem langen Kreativprozess ein phänomenales Album entstand, eines das so schwer von Menschenhand umzusetzen ist dass man fast denken könnte es handele sich bei den Aufführenden um Maschinen. Aber würden die jemals Ddiamondd oder Leyendecker nennen oder so etwas wie den Prog-Pop-Schaffeltanz des Jahres mit Atlas erschaffen? Ich glaube nicht.

[MP3] Battles - Atlas

70 aus 2007 Teil 10

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Platz 16
Glass Candy - B/E/A/T/B/O/X

Im Inneren der CD-Hülle, außen umrahmt von bunten Porträts des Duos in Glamourkleidung, ist ein Paar blauer Kopfhörer abgebildet. Als wollten Glass Candy mitteilen "Hey Leute, ihr könnt zu unseren Sachen nicht nur tanzen, ihr könnt die auch in Ruhe zu Hause genießen." Denn wie schon oft erwähnt, Johnny Jewel hat bei seinen Produktionen ein hervorragendes Ohr für Detail als auch Gesamtästhetik. Zwar ist B/E/A/T/B/O/X offiziell nur eine Tour-CD, aber die steckt so voller Hits die auch hervorragend sequenziert sind dass sie locker die meisten Albumveröffentlichungen in die Tasche steckt. Ein Knistern liegt über manchen Stücken, als würde man eine Aufnahme einer Vinylwiedergabe anhören, doch es ist schwer vorzustellen dass ausgerechnet diese Töne nicht beabsichtigt sind. Jewel investierte nämlich neue Arbeit in zwei Stücke die sich bereits auf After Dark anfanden: Rolling Down The Hills kommt hier aufgefrischt, beschwingt und schneller daher während Computer Love, das einzige Cover unter lauter GC-Originalen, fast genau so überarbeitet wurde wie ich es mir vor einiger Zeit mal gewünscht hatte und mit wuchtigeren Drums die mehr an die Liveversion herankommen versehen wurde.

Doch überwiegend wirkt die Produktion sehr weich, selbst die perkussionsartigen Plopps in Life After Sundown sind weniger wie Trommeln denn Seifenblasen die von Ida No mit einem Schrei in der Luft zerrissen werden. Überhaupt zeigt sich die Stimme der Sängerin wandlungsfähig wie man es nach den früheren No-Wave-Stücken auch erwarten würde, mit fester Stimme duelliert sie sich in Beatific mit knarzigen Synths während sie in Candy Castle so glamourös angehaucht kommt dass man sie vorm inneren Auge im einen rosa Cadillac durch Miami fahren sehen kann. Der Knüller ist aber ihre Vorstellung im Intro, dort gibt sie den Esoterik/Selbsthilfeguru und verrät zumindest die Antwort auf die Frage nach dem Leben und dem ganzen Rest:

"What do we say when we want to get in touch with our everlasting souls?" - "Hit it, DJ!"

[MP3] Glass Candy - Candy Castle

Platz 15
St. Vincent - Marry Me

Marry Me ist kein perfektes Album. Es will nicht so ganz zusammenhalten, ist lose, ambitioniert und schwer fassbar. Eigentlich sollte St. Vincents Debüt so ein Album sein das am Ende des Jahres nur noch eines unter vielen anderen sehr guten aber nicht überragenden ist, von dem einem immer wieder Songfragmente in den Sinn kommen ohne dass man ihre Herkunft identifizieren kann. Und doch weiß ich sofort dass dieses lang angehaltene "I see you" mit Disney-Orchester im Hintergrund von What Me Worry stammt, dieses "Bah bah bah bah"s und der seltsame Froschgesang auf Jesus Saves zu finden sind. Annie Clarks Kompositionen sind einfach schwer zu vergessen, ambitioniert aber auch spielerisch, und ach wie mühelos lässt sie es erscheinen gleich mehrere Songs in einen zu packen. Vielleicht sind manche Diamanten besser wenn ungeschliffen.

[MP3] St. Vincent - Now Now

Platz 14
Lucky Soul - The Great Unwanted

Vermutlich haben es die meisten auch schon von Günther Jauch erfahren, der Sommer dieses Jahr war ziemlich scheiße. Vom Wetter her, aber auch gab es musikalisch wenig was so richtig in die Jahreszeit gepasst hätte, die meisten Sachen kamen erst als die vereinzelten Sonnentage sich schon in den Winterurlaub verabschiedet hatten. Aber Lucky Soul haben mir die Saison dann doch noch gerettet, The Great Unwanted war so gut dass es den halben Frühling und ganzen Sommer lang Freude spendete. Mit großen Emotionen und großen Popsongs, ein großes Album. Und doch nicht aufdringlich, mehr so ein Album das man gern so lang die Sonne scheint umarmen würde. "One kiss don't make a summer" - dieses Album schon. [mehr]

[Video] Lucky Soul - Lips Are Unhappy

Platz 13
Frog Eyes - Tears Of The Valedictorian

Der wilde Mann Kanadas ist auch auf Frog Eyes' viertem Album nicht zu bändigen. Das ist auch gut so, gegen die angriffsgleichen Schwälle die seine Mitspieler entfesseln käme Carey Mercer sonst auch kaum an. Mit seinem manisch predigenden Gesang erweitern und verfeinern Frog Eyes ihre freakigen Folkwelt, bündeln ihre Kräfte gezielt oder lassen ihren Melodien auch mehr Freiraum um sich zu entfalten. Das macht sie sicher für den einen oder anderen zugänglicher, doch Zugänglichkeit geht nicht auf Kosten musikalischer Ambitionen, zum Beweis braucht man nur das absolut grandiose Bushels zu hören. [mehr]

[MP3] Frog Eyes - Bushels

Platz 12
65daysofstatic - The Destruction Of Small Ideas

Eine der schönsten "Geschichten" in diesem Jahr war für mich das Interview mit 65daysofstatic auf Stylus. Dabei erzählten sie, nachdem sich der von ihrem Album enorm angetane Interviewer besonders über dessen Klang positiv geäußert hatte, dass sie ein kritischer Artikel über schlechter werdende Produktion dazu bewogen hatte ihr drittes Album so gut klingend wie möglich zu machen, und es stellte sich heraus dass der Interviewer derjenige war der genau jenen Artikel verfasst hatte. Auch ohne diesen Hintergrund wäre es mir kaum möglich über The Destruction Of Small Ideas zu reden ohne den hervorragenden Klang zu erwähnen, denn ohne den würden die Kompositionen darauf längst nicht so hörenswert.

Es ist ein leises Album, gegen den dumpfen lauter-um-jeden-Preis-Zeitgeist, das man lauter drehen muss um seine Tiefe und all seine Details wahrzunehmen. Wo 65daysofstatic bei aller aufregender Vermischung von Postrock, Mathrock und Elektronik früher oft etwas stumpf und dumpf wirkten haben sie den Sinn für Feinheiten entdeckt. Es gibt nicht nur laute und leise Instrumente sondern feinste Abstufungen, an- und abschwillende Pianos die sich langsam und dramatisch in den Vordergrund tasten (White Peak / Dark Peak sollte Trail Of Dead vor Scham rot anlaufen lassen), Gitarren deren Verortung klar auszumachen ist und die sich nur bei Bedarf überschneiden, und einen achtarmigen Drummer der wie alle hier im Gegensatz zur Liveshow dezent zurücktritt um den Gesamtklang in der Balance zu halten. Denn das ist es was sich bei all der Geschwindigkeit und den Berg- und Talfahrten dieses Albums beim Hören letztendlich einstellt, ein gewisses, fast meditatives Gefühl von Entspannung. Vorausgesetzt man kann mit dem Lautstärkeregler umdrehen.

[MP3] 65daysofstatic - Don't Go Down To Sorrow

Platz 11
Marnie Stern - In Advance Of The Broken Arm

Wie aus dem Nichts trat Marnie Stern dieses Jahr in die Musikwelt. Nun, nicht wirklich aus dem Nichts, ihre Gitarrenvirtuosität hat sie mit langer Überei im Schlafzimmer erlernt. Ihr erstes Album jedenfalls ist direkt etwas ganz Besonderes geworden, ansteckend fröhlicher Hyperrock auf 6 Saiten mit bestechenden Melodien und nimmermüder Fingerklopperei die keine Mucker-Angeberei sondern integraler Bestandteil der Musik ist. Dass dazu ein hyperaktiver Zach Hill wie das Tier aus der Muppet Show im Hintergrund abgeht fällt dabei kaum auf, das hier ist die große Marnie Stern Show. [mehr]

[MP3] Marnie Stern - Every Single Line Means Something

70 aus 2007 Teil 9

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Platz 22
Les Savy Fav - Let's Stay Friends

Man könnte es Les Savy Fav nicht verdenken wenn sie ganz aufgegeben hätten. Da mühten sie sich jahrelang ohne größeren Erfolg ab, hätten mit Inches schon einen epochalen Schlussstrich unter ihre Karriere ziehen können. Und just als sie eine längere, möglicherweise finale Pause einlegten wurde Post Punk das ganz große Ding, "angular" und "Gang Of Four" unter jeden zweiten Review gepappt. Nur Les Savy Fav, die schienen auf dem besten Weg vergessen zu werden.

Da aber kommt The Equestrian angalloppiert. Smells like leather! Tastes like sweat!! Tie up the horses for a tet-a-tet," röhrt Tim Harrington aus vollem Halse. Sex im Pferdestall? Les Savy Fav are back motherfuckers! Ringelpiez tanzend um alle die erst nach und dann vor ihnen kamen mit Mitsinghymnen wie The Year Before The Year 2000 oder The Lowest Bitter, mit dem düsteren Patty Lee und dem bitteren Comes & Goes (im Duett mit Eleanor Friedberger). Überhaupt hat man nicht den Eindruck dass LSF von irgendwem allein gelassen wuden, die Liste aller Mitwirkenden ist enorm, insbesondere profitieren zwei weitere Songs von den Gesangsbeiträgen von Enons Toko Yasuda. Wie es so treffend heißt am Ende von Pots & Pans: "Let's tear this whole place up and build it up again. This band's a beating heart and it's nowhere near its end."

[MP3] Les Savy Fav - The Equestrian

Platz 21
Deerhoof - Friend Opportunity

Gründe #25, #26 und #27 warum 2007 für mich das ganz große Rockjahr ist: Nicht nur gab es die triumphale Rückkehr von Les Savy Fav und den Beginn der Ära von Future Of The Left, sondern auch ein neues Deerhoof-Album. Diesmal nur zu dritt aber mit Pop wie nie, oder zumindest dem was Deerhoof unter Pop verstehen, süßer Gesang, irrsinniges Getrommel und feine Melodien. Als wäre das auswechselbare Albumcover nicht schon cool genug gewesen zeigen sich Deerhoof auf Friend Opportunity, noch so einer Freundschaftsgeschichte neben LSF, als Trio furioso. [mehr]

[MP3] Deerhoof - +81

Platz 20
Future Of The Left - Curses

JA HALLO? ACH, IHR SEID'S. SORRY DASS ICH SO SCHREIEN MUSS ABER ICH HÖRE GERADE FUTURE OF THE LEFT. JA GENAU, DIE EINZIG WAHREN NACHFOLGER VON MCLUSKY MIT DEM BASSISTEN VON JARCREW UND SYNTHS DIREKT AUS DER HÖLLE. Ah, gerade hört die Platte mal auf mir den Kopf wegzublasen. Also ja, klingt ein bisschen anders, groovt wie Sau und ab und zu kommen aggressiv dröhnende Keyboardklänge hinzu die sich aber bestens einfügen. Ansonsten eigentlich alles beim alten, also großartig. Andy Falkous hat immer noch die angepissteste Stimme in ganz Südwales, die Texte sind immer noch beißend lustig aber nicht richtig böse, die nehmen's halt mit Humor und damit die Noiserock-Geschichte auch nicht so bierernst wie andere. Aber ab geht's immer noch enorm, besonders was es ja eher selten gibt in der zweiten Albumhälfte noch mehr als der ersten, und OH SHIT JETZT GEHT'S GERADE WIEDER LOS RAAAAAAHHH

[MP3] Future Of The Left - Adeadenemyalwayssmellsgood

Platz 19
The New Pornographers - Challengers

Ich hab's glaub ich schon kommen gehört. Mit der Zeit wurde der letzte, sanfteste Track mein Favorit auf Twin Cinema, und Stacked Crooked ergibt dann auch eine sehr gute Segue in das vierte Album von AC Newman und seiner munteren Truppe die hier Unterstützung von gut einem Dutzend delikat eingearbeiteter zusätzlicher Mitspieler erfährt. Es gibt noch mehr Anzeichen dass Challengers, obwohl da nicht so überwältigend bunt nicht so offensichtlich wie alles was davor kam, doch klar das nächste Album der New Pornographers ist. So findet der auf jedem Album andersförmige Lautgesang der versammelten Truppe eine neue Form, nach "Whooo-ooh", "Na Na Na" und zuletzt "Hey Laa" gibt es nun auf dem Titelstück ein "Ooh La" zu hören.

Natürlich sind in jedem Song mehr Melodien, Hooks und Wendungen als ein einziger normaler Song braucht. Kathryn Calders Rolle in der Band wächst enorm, sie singt nicht nur im Hintergrund sondern hat mittlerweile mehr gefühlte Präsenz als Neko Case (was ich nicht bedauere). Dan Bejar steuert wieder mal die einzigen nicht-Newman-Kompositionen bei, darunter das grandiose Myriad Harbour das vielleicht die beste Single des Jahres ist. Twin Cinema war ein Sommeralbum das beim Laufen die Wiesenblumen noch bunter wirken ließ, Challengers erzwingt dagegen nur stellenweise das sofortige Ausflippen, es empfiehlt sich eher Zeit zum richtigen Hinhören. Ein Kopfhöreralbum halt.

[MP3] The New Pornographers - Myriad Harbour

Platz 18
Skull Disco - Soundboy Punishments

Und hier der Grund warum Burial dieses Jahr nicht meine Lieblingsplatte in Richtung Dubstep ist. Die erste CD-Veröffentlichung von Shackleton und Appelblim und ihrem Label Skull Disco. Wilden Percussions die eine stete Unruhe einbringen, da braucht es in Naked noch keinen Beat und man ist schon hellwach, da ist Stalker total elektrisierend ohne dass jemals wirklich etwas "passiert". Obwohl Sam Shackleton spätestens seit seiner Schreckenserzählung des 11. Septembers Blood On My Hands und dessen Villalobos-Remixes (finden sich in dieser Reihenfolge am Ende der ersten und der Anfang der zweiten CD) zu den bekanntesten Köpfen im Dubstep und darüber hinaus zählt spielt Appleblim hier keineswegs die zweite Geige. Er nutzt ebenfalls eine Vielfalt an perkussiven Elementen die im Vergleich nicht so rhythmisch kompliziert angeordnet sind aber ausgefeilter klingen; während Shackleton arabische Melodien und Vocals mit einbringt trifft man auf Appleblims Fear mit Riko einen alten Bekannten wieder und die gemeinsame Geschichte von Grime und Dubstep scheint offensichtlich. Soundboy Punishments chronologiert die bisherigen Errungenschaften eines phänomenalen Duos und lässt für die Zukunft auf Großes hoffen.

[MP3] Shackleton - Naked

Platz 17
M.I.A. - Kala

Keine Frage, wenn sich ein Popalbum dadurch auszeichnet dass es aus vielen einzeln hervorragenden Stücken besteht dann muss Kala mein Popalbum des Jahres sein. BirdFlu, Boyz, Jimmy, World Town, Hussel, XR2, Paper Planes, bei jedem Mal anhören hab ich nachher einen anderen Song den ich zum neuen Favoriten erklären möchte. Drums, Drums an allen Ecken und aus allen Ecken der Welt, wer Drums nicht mag wird Kala kaum mögen können. Besonders Hussel ist zum Mit-Faust-in-der-Luft-nachtrommeln toll, fantastisch bei XR2 ist vor allem der Aufbau und die Variationen die einen zum Refrain hin aufpuschen. M.I.A. selbst kann zwar immer noch nicht gut rappen oder singen, hat aber dafür ein unheimlich gutes Gefühl wie man das Weltkulturerbe zu großer moderner Popmusik verwurstet. Das ist zwar nicht total innovativ und unvergleichlich aber frisch, ungewöhnlich und aufregend, insbesondere auf einem Major.
Dass sich Kala nicht in den Top 10 wiederfindet hat es allein Timbaland zu verdanken der mit Come Around das Ende grauenhaft nach unten zieht, als hätte er keine Ahnung wo er grad reingewandert ist fängt er an seine "Baby girl"-Nummer abzuziehen und das ohnehin schon öde Stück versumpft völlig. Abgesehen vom Finale aber wirklich ein ganz tolles Album.

[Video] M.I.A. - Bird Flu

70 aus 2007 Teil 8

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Platz 28
Psychedelic Horseshit - Magic Flowers Droned

Ich weiß nicht ob ich diese Musik mit Worten hörenswert erscheinen lassen kann. Magic Flowers Droned ist so ein Album das man entweder "versteht" oder nicht und das wissen auch Psychedelic Horseshit, sie nehmen einen nicht sanft an der Hand sondern werfen einen direkt mitten in einen chaotischen Haufen aus Gitarrensoli bei denen keine einzige Note getroffen wird, dröhnigen und blechernen Drumsounds die man mit heimischem Kücheninventar problemlos emuliert kriegt. Matt Whitehurst lässt in dröhnigem, kaum verständlichem Gesang Tiraden gegen Hippies und Raver los, gibt Bad Vibrations ab die zu einer bizarren Surfrocknummer mutieren. Die Krönung der Unhörbarkeit dürfte ein Splitsong sein bei dem zwei verschiedene Stücke gleichzeitig gespielt werden, eins über den linken und eins über den rechten Stereokanal. Ganz großer Below-Lo-Fi.

[MP3] Psychedelic Horseshit - New Wave Hippies

Platz 27
Eluvium - Copia

Prolog. Requiem. Ostinato. Intermission. Wer bei solchen Titeln klassische Orchestralmusik vermutet liegt nicht komplett daneben, Matthew Cooper aka Eluvium zieht ebenso Inspiration aus den Klassikern wie aus modernem Minimalismus. Auf Copia bevorzugt er im Gegensatz zum früheren Einsatz von Gitarrendrones den klaren Klang von Streichern und Hörnern, ein Zurück zur Natur. Und die ist bekanntlich grün, nur selten so bestechend grün wie die schon an Phantastik grenzende Farbe die jedes Mal mein Auge an das Artwork des Albums fesselt. Bei so erhabener, wenngleich mit klaren muskalischen Strukturen doch auch sehr ambienter, Musik bleibt es dann auch nicht aus dass man gedanklich in visuelle Schwärmereien verfällt. Mit Pauken die einem Feuerwerk gleichen beschließt Repose In Blue die magische Stunde fast schon rüde laut, aber irgendwie muss man ja auch wieder ins richtige Leben zurückkehren.

[MP3] Eluvium - Prelude For Time Feelers

Platz 26
Various Artists - After Dark

After Dark, der erste Sampler von Italians Do It Better der es über limitierte Stückzahlen hinaus schaffte, ist so ziemlich der ideale Einstieg in das Label das Italo-Disco jenseits des Atlantiks mit eigener Vision neu zu beleben versucht. Gut die Hälfte der Tracks stammen von den beiden bekannteren Glass Candy und Chromatics, erstere sind u.a. mit Rolling Down The Hills vertreten das vor 2 Jahren zu ihren ersten Gehversuchen mit der Vermischung von Italo und Post Punk gehörte und letztere mit In The City, ihrem besten Song aus diesem Jahr der jedoch nicht auf ihrem Album Night Drive zu finden ist. Daneben finden sich die ebenfalls von Johnny Jewel produzierte Farah mit dem von Mal zu Mal verstörenderen Law Of Life auf dem sie halb Englisch, halb Farsi spricht, die Robotdisco-Beiträge von Mirage (den einzigen echten Italienern hier) mit glänzenden Melodievorhängen und Vocodergesang und die langsam ineinandergreifenden Kompositionen von Professor Genius. Auch wenn da jeder andere Favoriten haben wird ist die Qualität durchgehend exzellent und stimmig, abgesehen von der immer wieder durchscheinenden Lichtblicken bringt einen die übergreifende Stimmung von After Dark immer wieder zu den Synth-Soundtracks von Giallo, 70er Italo- und 80er US-Horror zurück, zu Carpenter und Goblin und Ortolani, einer Technicolor-bunt erleuchteten Nacht in der das Verderben in schwarzen Lederhandschuhen lauert.

[MP3] Mirage - Lady Operator

Platz 25
Between The Buried And Me - Colors

Ich muss sagen dass ich diese Band schon fast abgeschrieben hatte. Wenn jemand nach seiner zweiten Albumveröffentlichung erst ein enorm mittelmäßiges Coveralbum und dann eine sinnlose Neuauflage des ersten Albums herausbringt dann stinkt das schon arg nach Burnout, aber wie es aussieht haben Between The Buried And Me bloß Kräfte und Ideen gesammelt um einen grandiosen Brocken von einem Drittwerk auf die Welt loszulassen. Mit einem wieder mal stark an Queen erinnernden Gesangsintro startet die Reise durch das rastlos einfallsreiche Album das einen erst mal erschlägt, denn trotz der Unterteilung in 8 Tracks ist Colors ein einziges langes Stück. Mit der Zeit erkennt man aber die Strukturen der einzelnen Sequenzen, wie die Galeeren-Drums an Anfang und Ende von Informal Gluttony. Besonders wegen der vielen Wendungen wäre Colors sehr ermüdend wäre es eine einzige bretternde Riff- und Gröhlorgie, aber BTBAM haben wie schon in der ersten Hälfte von Alaska zu hören war genau so sehr ein Interesse an denkwürdigen Melodien und sanftem, manchmal gar folkigem Prog der 60s und 70s, auf Colors kommen noch zahlreiche Einflüsse von Orient bis Wildwest hinzu (die Saloonmusik-Einlage erscheint zunächst völlig albern, ergibt aber tatsächlich Sinn an dieser Stelle). Wohl das einfallsreichste Album des Jahres und ein wahrer Genuss wenn man mit etwas Geschrei ab und an klarkommt.

[Video] Between The Buried And Me - Prequel To The Sequel

Platz 24
Girls Aloud - Tangled Up

Ein Album von Girls Aloud ohne Balladen? Hurra! Das waren doch immer die Tiefpunkte ihrer Platten an denen selbst Xenomanias kunstvoll detaillierte Produktionen uninteressant wirkten. Aber beim ersten Anhören von Tangled Up möchte man seine Worte fast schon zurücknehmen, ohne Verschnaufpause wird man komplett überrollt wenn ein Schlag auf den anderen folgt, wenn die Gitarren im flotten Offbeat swingen oder einfach druckvoll nach vorne treiben. Einen absoluten Übersong wie Biology oder No Good Advice findet man hier zwar nicht, dafür geben die Punktrichter durchgängig 7/10 bis 9/10. Konsistenz, etwas das mir bei anderen Chartpopalben ebenso oft fehlt wie Ideenreichtum. Bei anderen würde ich annehmen dass es ein Zufall ist wie das Intro von Fling nach einem Teleporter aus Star Trek klingt, hier bin ich mir nahezu sicher dass es Absicht ist. Aah ja Fling, wie da nach der zweiten "Strophe" (hier wird mal wieder wie auch bei z.B. Sexy No No No der traditionelle Songaufbau so verkehrt dass es schwer zu sagen ist welcher Teil was ist) der Beat aufs Ende zurasend tiefer und voller wird, wo sonst gibt es solche Feinheiten? Und überhaupt, so eine Hammersequenz wie die mit Black Jacks -> Control Of The Knive -> Fling -> What You Crying For sucht immer noch ihresgleichen, solange die lief konnte ich mich einfach nie von der Musikanlage lösen, lieber wurde die nächste Bahn genommen. Ein gefährliche Sache, so ein Popalbum ohne Balladen.

[Video] Girls Aloud - Sexy No No No

Platz 23
Low - Drums And Guns

Neues Low-Album.. neues Low-Album.. war da nicht irgendwas mit neuem Klang und Drum Machine oder so? Eh, alles vergessen, nach dreimaligem Anhören bleibt einfach ein Low-Album übrig. Das beste seit Things We Lost In The Fire mindestens, auch wenn das bei einer Band mit so durchgängig vielen exzellenten Songs pro Album nicht unbedingt wichtig ist. Alan Sparhawks Stimme schneidet zu spärlicher Instrumentierung tiefe Wunden in Hörerseelen und man möchte einfach nicht dass er aufhört. So schön kann Schmerz sein.

[MP3] Low - Breaker