70 aus 2007 Teil 4
Von Uli am 20. Dezember 2007, 20:07
(Teil 1) (Teil 2) (Teil 3) (Teil 5) (Teil 6) (Teil 7) (Teil 8) (Teil 9) (Teil 10)(Teil 11) (Teil 12)
Platz 52
Ben Frost - Theory Of Machines
Ben Frost ist zwar Australier, lebt und arbeitet aber in Island - und das hört man auch. Denn obwohl er eine Affinität für Noise hat (eins seiner Stücke heißt We Love Michael Gira, benannt nach dem Kopf der New Yorker Swans) beschwört er mit seinen Kompositionen weniger das Bild eines dunklen Kellers oder leerstehender Fabrikhallen herbei als das weiter, offener Landschaften. Musik die einen völlig umgibt, mit Spannungsbögen so groß wie Mogwais und von einer Dimension die vielleicht entstanden wäre wenn man Sigur Rós' düsterste Momente auf () quadriert hätte. Musik so vielschichtig dass man gerne lauter macht um alles aufzunehmen, bis man so unnatürliche Klänge hört dass man daran zweifelt ob man nicht gerade seine Lautsprecher geschrottet hat. Musik ohne Melodie und ohne Mensch. Wunderschöne Maschinenmusik.
[Stream] Ben Frost - Diverse Songs
Platz 51
Sambassadeur - Migration
Mein Verhältnis zu schwedischem Gitarrenpop ist gespalten: Ich höre zwar durchaus bei all den Bands die ich eigentlich mögen müsste die richtigen Melodien, Rhythmen und Strukturen, doch irgendwie ist mir die Musik letztendlich auf Albumlänge egal. Bis zu Sambassadeur. Genau so wie ich nicht weiß was die anderen "falsch" machen weiß ich nicht was diese Musik anders macht, warum sie auf mich substantieller wirkt. Migration macht strukturell alles richtig, nachdem mit dem Doppelknall von Subtle Changes und That Town (mit dem brummenden Chor im Hintergrund und der gezupften Melodie einer meiner absoluten Lieblingssongs des Jahres) die offensichtlichen Highlights am Anfang stehen wechseln sich immer ein langsames und ein schnelles Stück ab so dass keine Längen entstehen. Besonders denkwürdig werden die eingängigen Melodien durch den seufzenden, fast schon nebligen Gesang von Anna Persson, auch der nicht ganz alltägliche Einsatz eines Saxophons und die fast wie dünnes Holz klingenden Saiteninstrumente geben der Musik einen sehr eigenen Klang. Gefällt mir noch besser als das letzte Album von Camera Obscura.
[MP3] Sambassadeur - Subtle Changes
Platz 50
Dälek - Abandoned Language
Auch im 10. Jahr ihres Bestehens spielen Dälek mit ihrer Vision von Hip Hop in einer eigenen Liga. Atmosphärisch dicht mit Musik die Metal ebenso einarbeitet wie Electronica, die den Vocals weder unter- noch übergeordnet ist sondern Seite an Seite steht, mit monotonen Beats die weder träge versumpfen noch platt aggressiv rumstampfen. Und immer noch packen sie einen wie beim ersten Anhören, immer noch suchen sie neue, andere Klänge, immer noch habe ich keine Ahnung worüber MC Dälek rappt außer das Gefühl dass es nicht gerade fröhlich ist. Dass man seine Texte nachvollzieht scheint Dälek auch nicht extrem wichtig zu sein: Im Booklet sind sie in durchsichtiger Schrift gedruckt die man nur mit viel Mühe entziffern kann wenn man sie im richtigen Winkel ins Licht gehalten kriegt, sie gehen in den farbmanipulierten Fotos auf wie es Däleks Stimme in der Musik ergeht. Düstere Symbiose.
[MP3] Dälek - Paragraphs Relentless
Platz 49
Jesu - Conqueror
Ich glaube fast ob man Conqueror gut findet hängt vor allem davon ab ob man den Klang einer Gitarre mag. Nicht irgendeiner Gitarre, sondern der von Justin Broadrick alias Jesu. Lang angehaltene Töne, wenige Anschläge, und ein Hall der über jeden Baggersee reichen könnte. In Jesus herrlich dicht texturierten und detaillierten Arrangements werden die Höhen, mit Broadricks Gesang und ambienten Elektroklängen, wie die Tiefen und was darüber liegt, mit wuchtigem Bass-Gitarre-Doppelklang, bedient. Das ergibt einen Effekt wie man ihm vom Shoegaze kennt, dass man beim Höern immer wieder dazu neigt in die Ferne zu starren (oder natürlich klischeemäßig auf die eigenen Schuhe), aber verdammt, diese Platte rockt auch einfach ganz mächtig so dass man mit jedem Anschlag den Arm schwingen und den Nacken wippen lassen will. [mehr]
[MP3] Jesu - Old Year
Platz 48
Nicole Atkins - Neptune City
Nicole Atkins hat eine große Stimme und große Träume. Auf ihrem Debütalbum schneidert sie beides in Songform, so grandios orchestriert dass ein Duett mit Rufus Wrainwright nicht weit sein kann. Sie führt amerikanische Traditionen zusammen, Surfpop trifft Americana trifft Roy Orbison trifft Springsteen. Dass die Popjuwelen auf diesem Album immer auch einen düsteren Unterton haben findet sich in den Texten wieder, wie wenn Atkins im Titelstück Abschied von ihrem Zuhause nimmt und noch einmal all die Orte besucht, physisch oder im Geiste, an denen sie aufgewachsen ist: "I'll come down, walk around a while, until I'm sure I can never go home again." Rick Rubin überarbeitete die Produktion des Albums komplett als er feststellen musste dass Atkins' Stimme an Stellen wie diesen von Streichern nicht begleitet sondern erdrückt wurde, und auch wenn ich ansonsten kein großer Fan des Mannes bin bin ich ihm dafür sehr dankbar. Denn diese Stimme gehört ins Scheinwerferlicht.
[MP3] Nicole Atkins - The Way It Is
Platz 47
The Go! Team - Proof Of Youth
Ich scheine einer der wenigen zu sein der froh ist dass The Go! Team auf ihrem zweiten Album nicht groß anders klingen als auf Thunder Lightning Strike. Meine Befürchtung war ein Album mit vielen langsamen Songs und neuem, reduzierten Klang über den die Erfolgsformel vergessen wird. Aber Ian Parton und Kohorten sind den schlauen Weg gegangen und haben einen berauschenden Zweitling geschaffen der so nervig dröhnt wie eh und je. Klar sind die langsamen Songs wie das die Melodie eines Kinderprogramms sampelnde Wohlfühl-My World und das die Tonleiter ähnlich wie of Montreals Suffer For Fashion abwärts gesungene I Never Needed It So Much gut und wichtige Verschnaufpausen für die Ohren, ganz nett wäre es auch gewesen wenn das instrumentale The Ice Storm da noch irgendwo zwischen gepasst hätte, aber ich will von einer Go! Team-Platte vor allem Samples galore zu Arschwackelrhythmen, Cheerleader und Kinderchöre, bretternde Gitarren und hüpfende Xylophone. Das alles liefert Proof Of Youth mit nach wie vor tollen Hooks, und am Ende kommt noch kurz Chuck D auf Amok laufenden Geigen vorbeigeritten und legt die Bude in Schutt und Asche. Ich könnte mir Schlechteres vorstellen.
[Video] The Go! Team - Grip Like A Vice
Platz 52
Ben Frost - Theory Of Machines
Ben Frost ist zwar Australier, lebt und arbeitet aber in Island - und das hört man auch. Denn obwohl er eine Affinität für Noise hat (eins seiner Stücke heißt We Love Michael Gira, benannt nach dem Kopf der New Yorker Swans) beschwört er mit seinen Kompositionen weniger das Bild eines dunklen Kellers oder leerstehender Fabrikhallen herbei als das weiter, offener Landschaften. Musik die einen völlig umgibt, mit Spannungsbögen so groß wie Mogwais und von einer Dimension die vielleicht entstanden wäre wenn man Sigur Rós' düsterste Momente auf () quadriert hätte. Musik so vielschichtig dass man gerne lauter macht um alles aufzunehmen, bis man so unnatürliche Klänge hört dass man daran zweifelt ob man nicht gerade seine Lautsprecher geschrottet hat. Musik ohne Melodie und ohne Mensch. Wunderschöne Maschinenmusik.
[Stream] Ben Frost - Diverse Songs
Platz 51
Sambassadeur - Migration
Mein Verhältnis zu schwedischem Gitarrenpop ist gespalten: Ich höre zwar durchaus bei all den Bands die ich eigentlich mögen müsste die richtigen Melodien, Rhythmen und Strukturen, doch irgendwie ist mir die Musik letztendlich auf Albumlänge egal. Bis zu Sambassadeur. Genau so wie ich nicht weiß was die anderen "falsch" machen weiß ich nicht was diese Musik anders macht, warum sie auf mich substantieller wirkt. Migration macht strukturell alles richtig, nachdem mit dem Doppelknall von Subtle Changes und That Town (mit dem brummenden Chor im Hintergrund und der gezupften Melodie einer meiner absoluten Lieblingssongs des Jahres) die offensichtlichen Highlights am Anfang stehen wechseln sich immer ein langsames und ein schnelles Stück ab so dass keine Längen entstehen. Besonders denkwürdig werden die eingängigen Melodien durch den seufzenden, fast schon nebligen Gesang von Anna Persson, auch der nicht ganz alltägliche Einsatz eines Saxophons und die fast wie dünnes Holz klingenden Saiteninstrumente geben der Musik einen sehr eigenen Klang. Gefällt mir noch besser als das letzte Album von Camera Obscura.
[MP3] Sambassadeur - Subtle Changes
Platz 50
Dälek - Abandoned Language
Auch im 10. Jahr ihres Bestehens spielen Dälek mit ihrer Vision von Hip Hop in einer eigenen Liga. Atmosphärisch dicht mit Musik die Metal ebenso einarbeitet wie Electronica, die den Vocals weder unter- noch übergeordnet ist sondern Seite an Seite steht, mit monotonen Beats die weder träge versumpfen noch platt aggressiv rumstampfen. Und immer noch packen sie einen wie beim ersten Anhören, immer noch suchen sie neue, andere Klänge, immer noch habe ich keine Ahnung worüber MC Dälek rappt außer das Gefühl dass es nicht gerade fröhlich ist. Dass man seine Texte nachvollzieht scheint Dälek auch nicht extrem wichtig zu sein: Im Booklet sind sie in durchsichtiger Schrift gedruckt die man nur mit viel Mühe entziffern kann wenn man sie im richtigen Winkel ins Licht gehalten kriegt, sie gehen in den farbmanipulierten Fotos auf wie es Däleks Stimme in der Musik ergeht. Düstere Symbiose.
[MP3] Dälek - Paragraphs Relentless
Platz 49
Jesu - Conqueror
Ich glaube fast ob man Conqueror gut findet hängt vor allem davon ab ob man den Klang einer Gitarre mag. Nicht irgendeiner Gitarre, sondern der von Justin Broadrick alias Jesu. Lang angehaltene Töne, wenige Anschläge, und ein Hall der über jeden Baggersee reichen könnte. In Jesus herrlich dicht texturierten und detaillierten Arrangements werden die Höhen, mit Broadricks Gesang und ambienten Elektroklängen, wie die Tiefen und was darüber liegt, mit wuchtigem Bass-Gitarre-Doppelklang, bedient. Das ergibt einen Effekt wie man ihm vom Shoegaze kennt, dass man beim Höern immer wieder dazu neigt in die Ferne zu starren (oder natürlich klischeemäßig auf die eigenen Schuhe), aber verdammt, diese Platte rockt auch einfach ganz mächtig so dass man mit jedem Anschlag den Arm schwingen und den Nacken wippen lassen will. [mehr]
[MP3] Jesu - Old Year
Platz 48
Nicole Atkins - Neptune City
Nicole Atkins hat eine große Stimme und große Träume. Auf ihrem Debütalbum schneidert sie beides in Songform, so grandios orchestriert dass ein Duett mit Rufus Wrainwright nicht weit sein kann. Sie führt amerikanische Traditionen zusammen, Surfpop trifft Americana trifft Roy Orbison trifft Springsteen. Dass die Popjuwelen auf diesem Album immer auch einen düsteren Unterton haben findet sich in den Texten wieder, wie wenn Atkins im Titelstück Abschied von ihrem Zuhause nimmt und noch einmal all die Orte besucht, physisch oder im Geiste, an denen sie aufgewachsen ist: "I'll come down, walk around a while, until I'm sure I can never go home again." Rick Rubin überarbeitete die Produktion des Albums komplett als er feststellen musste dass Atkins' Stimme an Stellen wie diesen von Streichern nicht begleitet sondern erdrückt wurde, und auch wenn ich ansonsten kein großer Fan des Mannes bin bin ich ihm dafür sehr dankbar. Denn diese Stimme gehört ins Scheinwerferlicht.
[MP3] Nicole Atkins - The Way It Is
Platz 47
The Go! Team - Proof Of Youth
Ich scheine einer der wenigen zu sein der froh ist dass The Go! Team auf ihrem zweiten Album nicht groß anders klingen als auf Thunder Lightning Strike. Meine Befürchtung war ein Album mit vielen langsamen Songs und neuem, reduzierten Klang über den die Erfolgsformel vergessen wird. Aber Ian Parton und Kohorten sind den schlauen Weg gegangen und haben einen berauschenden Zweitling geschaffen der so nervig dröhnt wie eh und je. Klar sind die langsamen Songs wie das die Melodie eines Kinderprogramms sampelnde Wohlfühl-My World und das die Tonleiter ähnlich wie of Montreals Suffer For Fashion abwärts gesungene I Never Needed It So Much gut und wichtige Verschnaufpausen für die Ohren, ganz nett wäre es auch gewesen wenn das instrumentale The Ice Storm da noch irgendwo zwischen gepasst hätte, aber ich will von einer Go! Team-Platte vor allem Samples galore zu Arschwackelrhythmen, Cheerleader und Kinderchöre, bretternde Gitarren und hüpfende Xylophone. Das alles liefert Proof Of Youth mit nach wie vor tollen Hooks, und am Ende kommt noch kurz Chuck D auf Amok laufenden Geigen vorbeigeritten und legt die Bude in Schutt und Asche. Ich könnte mir Schlechteres vorstellen.
[Video] The Go! Team - Grip Like A Vice