70 aus 2008 Teil 4

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Platz 49
Chauchat – Upon Thousands

Auch wenn Last.fm nicht das allmächtige Statistiktool ist das ich mir mal erhofft hatte, eine Enthüllung hatte es zu bieten: Chauchat waren demnach auf Platz 13 meiner meistgehörten Künstler dieses Jahr. Auch weil ich mir eine Weile den Kopf darüber zerbrach an wen mich die Band am meisten erinnerte (und seit ein paar Wochen weiß ich's nun: Deerhunter), aber vor allem weil das mal eine Platte ist deren Klang ich richtig genieße. Alles klingt so räumlich, so warm, fast als wäre Yellow House ein Rockalbum geworden. Man hört die angeschlagenen, unverzerrten Saiten einzeln hallen, wie sich die Gitarren im Wind der Melodien wiegen, wie Tyler Whitneys Stimme manchmal den Ton nur so gerade trifft. Obwohl Chauchats Songs oft nicht die offensichtlichsten Wege gehen ist dies nicht die originellste oder gar modischste Musik der Welt, nein, besser. Es ist ein echtes Liebhabealbum.

[MP3] Chauchat - Fight Obscurity

Platz 48
El Guincho – Alegranza!

Die lange Wartezeit war es wert dieses Album über den Umweg England aus Spanien zu importieren, hätte ich auf den internationalen Release gewartet (von dem damals eh noch keiner was wusste) wäre der ganze Sommer schon an ihm und mir vorbeigezogen gewesen. Und die Mitte des Jahres war einfach die ideale Zeit für El Guinchos tropischen Optimismus, ähnlich wie The Go! Team nur eben mit mediterranen und südamerikanischem Quellmaterial verwurstet Alegranza! über betanzbaren Rhythmen haufenweise Samples um daraus eine kurzweilige aber durch und durch gut gelaunte Feststimmung zu zaubern.

[MP3] El Guincho - Palmitos Park

Platz 47
Jóhann Jóhannsson – Fordlândia

Mein erster Eindruck lag etwas daneben, Fordlândia beginnt gar nicht mit langer Stille, das habe ich erst gehört als ich die CD hatte. Die Töne sind anfangs nur so leise dass man die Anlage wirklich laut aufdrehen muss, und wie meistens in diesen Tagen ist das ein gutes Zeichen. Denn erst wenn man wie hier einen gewaltigen Unterschied zwischen den leisen und den lauten Tönen wahrnimmt entfaltet sich die wahre Epik von Stücken wie eben dem stetig lauter, stetig herrlicher anschwillenden Titelstück. Jóhannsson integriert nahtlos Elektronik in seine klassisch orchestralen Arrangements die voller Details stecken, wie dem Wabern das sich lange Zeit im Hintergrund von Chimaerica versteckt, toll auch die Verwendung eines Chors in The Great God Pan Is Dead. Mein momentanes Lieblingsalbum des Isländers.

[MP3] Jóhann Jóhannsson - The Rocket Builder

Platz 46
Fuck Buttons – Street Horrrsing

Sanfte Produktion ist sicher nichts worüber man sich hier Gedanken machen muss, aber das ist bei Noise, selbst wenn er so kinderfreundlich ist wie hier, ja auch nicht das Ziel. Dafür liefern Fuck Buttons etwas anderes das ich dieses Jahr sehr zu schätzen wusste, ihre Mischung aus harsch verzerrtem Sägen, geloopten Percussionmustern, animiertem Geschrei und zugänglichen Melodien wird nie richtig unterbrochen sondern läuft nahtlos von einem Stück ins nächste. So begibt man sich auf einen einzigen farbenfrohen Trip der nie langweilig wird, ein Ritt auf einem Regenbogen aus Kettensägen und Handgranaten.

[MP3] Fuck Buttons - Bright Tomorrow

Platz 45
Thursday/Envy – Split LP

Das Konzept der Split-Veröffentlichungen ist sicher nicht auf die Hardcore-verwandten Genres beschränkt, dort finden aber oft interessante Wege des künstlerischen Austauschs statt die ich gerne auch anderswo verfolgt sehen würde. Im Falle der Screamos von Thursday ist man dabei zum Beispiel den Endzeit-Krächzern Envy entgegengekommen und bollert, unterstützt von stimmungsvoller Elektronik wie sie die Japaner auch in letzter Zeit öfter einsetzen, endlich wieder mit den apokalyptischen Untertönen von Full Collapse durch die Gegend. Auch Envy betreiben hier in Hochform cineastisches Soundscaping, zarte Momente in denen einzelne Sonnenstrahlen die Wolkendecke durchbrechen werden bald im Keim erstickt und spätestens mit dem grandiosen Finale Pure Birth And Loneliness ist diese Veröffentlichung das beste was beide Bands in den vergangenen 5 Jahren geschaffen haben.

[Video] Thursday - In Silence

Platz 44
Be Your Own Pet – Get Awkward

Eine Weile spielte mein Mp3-Player dieses Jahr verrückt und zeigt kopierte Musiktitel immer nur in Großbuchstaben an, im Falle von Be Your Own Pet erschien das aber auch völlig angemessen. Für ihr zweites Album scheinen sie sich wochenlang nur von Pizza, (Whisky-)Cola und B-Movies ernährt zu haben, auf Get Awkward lassen sie ihrem jugendlichen Appetit auf Zerstörung wieder freien Lauf mit prima Slogans (“Eating pizza is really great, so is destroying everything you hate”), noch besseren Songs (der Mörderballade Becky nach Vorlage der “Juveline Delinquent”-Movies der 50er, Zombie Graveyard Party der Russ-Meyer-Hommage The Kelley Affair) und natürlich Songtiteln die in Großbuchstaben geschrieben werden wollen: BLOW YR MIND! BITCHES LEAVE! FOOD FIGHT! Vielleicht ganz gut dass dies auch ihr letztes Album war, ewige Juvenilität steht nur wenigen.

[Video] Be Your Own Pet - Becky

Platz 43
Guillemots – Red

Auch das chaotische zweite Album der Guillemots stieg beim Wiederhören in meiner Achtung. Klingt insgesamt doch um Einiges ruhiger und angenehmer als ich es in Erinnerung hatte, am problematischsten ist noch die Sprunghaftigheit zwischen den stark voneinander verschiedenen und stellenweise unnötig überladenen (auch wenn das meistens die Attraktivität der Briten ausmacht, wie wenn sie später in Don't Look Down erfolgreich eine verträumte Ballade auf knarzigen Drum 'N Bass legen) ersten Stücken. Ab Clarion pendelt sich Red dann in einer gesunden Balance zwischen formalem und klanglichem Ideenreichtum und solidem Songwriting ein mit dem Fyve Dangerfield mal wieder vermuten lässt dass er einen heißen Draht zum Himmel hat. Wo sonst beschwört der Mann diese zum Schmelzen schönen Melodien her? Übrigens ein tolles Regenwetteralbum.

[Video] Guillemots - Falling Out of Reach