70 aus 2008 Teil 1

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Platz 70
The Death Set – Worldwide

Zwischen Go!-Team-Rasselbanderei und Devoismen rasen The Death Set auf ihrem Debütalbum durch anderthalb Dutzend hyperaktive, catchige Punkminiaturen. Selten geht es über die Zwei-Minuten-Marke, etwa genau so selten gibt es überhaupt eine zweite Strophe zu hören, bevor man sich überlegen kann ob man das aktuelle Stück überhaupt mag kriegt man schon die nächste Idee um die Ohren gehauen. 25 Minuten fühlt man sich dabei als hätte man zwei Liter stark gezuckerten Kaffee intus und zu gewissen Zeiten war das dieses Jahr genau was ich brauchte.

[MP3] The Death Set - Negative Thinking

Platz 69
Benga – Diary Of An Afro Warrior

In Sachen Singles gab es quer durch die vielen Facetten von Dubstep dieses Jahr vielleicht mehr zu entdecken als je zuvor, an Alben mochte ich allerdings nur Bengas Erstling öfters hören. Dabei fließt Diary Of An Afro Warrior mehr wie ein gut sequenzierter Mix, lässt einen früh mit der chartmäßig wohl erfolgreichsten Dubstepsingle aller Zeiten auf den Zug aufpringen und nimmt fortan stetig Fahrt auf bei der es schwer fällt ruhig sitzen zu bleiben.

[Video] Benga & Coki - Night

Platz 68
Boris – Smile

Wenn ich das richtig sehe gibt es mittlerweile vier verschiedene Versionen von Smile, von dieser internationalen und der stark anders klingenden japanischen Edition unterscheidet sich das US-Vinyl auch nochmal, zudem gibt es nun auch ein 2CD-Livealbum. Oh wie gut dass ich kein Boris-Komplettist bin. Jedenfalls rangiert diese Ausgabe nach anfänglicher Faszination über den “Shit, ist meine Anlage kaputt?”-Effekt den die fies verzerrte Produktion auslöste für mich nicht weit oben im Boris-Œuvre, klingt mehr wie ein Best-Of von Ideen die in den vergangenen Jahren alle schon mal mindestens ebenso gut umgesetzt wurden. Trotzdem eine prima Platte von einer bei anhaltend hoher Qualität abartig produktiven Band und die erste Hälfte zumindest höre ich auch immer noch gerne.

[Video] Boris - Statement

Platz 67
Atlas Sound – Let The Blind Lead Those Who Can See But Cannot Feel (4ad-Version)

Auch das Soloalbum von Deerhunter-Sänger Bradford Cox wurde mehrmals veröffentlicht, zunächst auf Kranky und ein paar Monate später weitaus mehr Aufmerksamkeit erregend auf 4ad. Der Unterschied liegt aber lediglich in der Bonus-CD die letzterer Ausgabe beiliegt, und obwohl es sich klangästhetisch mehr wie eine moderne Kranky-(und eben wie eine ältere 4ad-)Veröffentlichung anhört habe ich mir darum die neuere zugelegt. Cox tränkt seine gelayerten Aufnahmen in Feedback und Rauschen, benebelte und benebelnde Songs die wirken als wären sie selbst kurz vorm Einschlafen aber eine hypnotische Faszination ausstrahlen die einen beim Hören wach hält.

[MP3] Atlas Sound - Quarantined

Platz 66
Paul Westerberg – 49:00 / 5:05

Befänden wir uns nicht in der digitalen Ära so wäre dies ein echtes Sammlerstück geworden, nur wenige Tage war das Album vom Replacements-Frontmann erhältlich bevor es aus rechtlichen Gründen wieder entfernt wurde. In der Zeit war 49:00 sicher auch wegen seines Preises von 49 US-Cent in die Top 10 der Downloadsektion von Amazon gestiegen, ein Preis der eigentlich aus einem Cent pro Minute Musik errechnet worden war.
Doch insgesamt fehlten noch 5 Minuten und 5 Sekunden zu dieser Länge, und so brachte Westerberg anschließend den humorvoll in Richtung seiner Gegner gestreckten Mittelfinger 5:05 heraus (“You bring a lawsuit, i bring the swimsuit”) der sich perfekt an die rohe, chaotische Songsammlung anfügt. 49:00 ist nichts Halbes und nichts Ganzes, ein Haufen herrlich melodischer Demoaufnahmen die ohne Pause ineinander faden. Westerberg, der mehr nach einem 15- als dem 50-jährigen der er in einem Jahr sein wird klingt, singt um die 26-Minuten-Marke herum "Gotta get it out of my system," und so befreiend fühlt sich diese Aufnahme auch an. Ein bisschen Anarchie ist offenbar ein anständiger Jungbrunnen.

Platz 65
Foot Village – Friendship Nation

UUUUUUH! RRAAAAH! HRRRRRRRRRH! Dungedunge ruff puff dengedengedeng brrrrrratzabatzadisch bu bum tscha bum bu bum tscha bum.

So oder so ähnlich müsste man das Album von Foot Village onomatopoetisch beschreiben, Leute aus L.A.s Artpunk-Szene die mit nichts außer vier Schlagzeugen und ihren Stimmen ein gewaltiges perkussives Feuerwerk entfachen. Unglaublich überladen so dass man oft mehr Instrumente dahinter vermutet als vorhanden sind und voller mitreißender, variationsreicher Dynamiken. Auf Albumlänge ist das, obwohl Foot Village auf Miteinbeziehung statt Abschreckung des Hörers setzen, zwar ein bisschen Zuviel des Wilden aber um Freunde und Mitbewohner davon zu überzeugen dass man nun völlig durchgeknallt ist gibt's wenig besseres.

[Video] Foot Village - Erecting The Wall Of Separation

Platz 64
Xiu Xiu – Women As Lovers

Im siebten Jahr und mit seiner genausovielten Veröffentlichung ist Jamie Stewart mit den inzwischen zum festen Quartett angewachsenen Xiu Xiu eine sprichwörtliche Bank geworden, zwar nicht sonderlich überraschend aber verlässlich gut. Wen bei Stewart von jeher allein die Grenzüberschreitung, die Reizausreizung reizte mag Women As Lovers als nicht notwendig empfinden, ich erfreue mich weiterhin an der fortschreitenden Melodieausprägung, mehr Caralee McElroy, am Duett mit Michael Gira (obwohl das beste Under Pressure-Cover immer noch das der Blood Brothers bleibt) und habe das Album nur deswegen nicht weiter oben in dieser Liste weil ich seit seinem Erscheinen generell kaum in der Stimmung für Xiu Xiu war. Die dürfte erst nach ein paar Wochen Winterkälte einsetzen.

[MP3] Xiu Xiu - F.T.W.