66 aus 2011 (Teil 4)

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Platz 39
Oneohtrix Point Never - Replica

Nach den noch recht assoziationsfreundlichen Dronescapes der Vergangenheit schaffte Daniel Lopatin mit seinem diesjährigen Oneohtrix-Album sicherlich die konkreteste Umsetzung seiner künstlerischen Vision. Recycling als Kitsch verrufener VHS-Fundstücke, das hatte er schon in seinen anderen Projekten ansatzweise betrieben. Mit dem Einbringen dieser Sampeleien in sein Hauptwerk als Oneohtrix Point Never machte Lopatin zwar nicht seine beste, aber vielfältigste Platte - wobei es vor allem die Mischung polierter und harscher Sounds ist, die mich hieran reizt, woher die kommen ist bei all ihrer Dehnung, Zerrung und sonstigen Transformation eh nicht nachvollziehbar.

[Stream] Oneohtrix Point Never - Sleep Dealer
[Albumstream] Oneohtrix Point Never - Replica

Platz 38
Rangers - Suburban Tours / Pan Am Stories

Joe Knights erste LP Suburban Tours ist zwar schon über ein Jahr alt, aber weil ich halt damit meinen Plattenspieler einweihte hat sie mich vielmehr durch die letzten 12 Monate begleitet. Es erwies sich auch als gute Vorbereitung auf das satte Doppelalbum Pan Am Stories, denn auch hier muss man erst mal in die benebelten Aufnahmen seines erschöpft dahinkriechenden Psych-Rocks eintauchen. Langsam schälen sich dann aus dem Nebel gegrillter Vocals, flattriger Synths und der beiden gniedelig bzw. klar hallenden Gitarrenspuren ein ums andere Mal so kleine, feine Halbmelodiechen raus, die der unscheinbaren Musik bemerkenswerte Langspielqualität verleihen.

[Stream] Rangers - Zeke's Dream
[Albumstream] Rangers - Pan Am Stories

Platz 37
EMA - Past Life Martyred Saints

Noch so ein Album, zu dem ich mir eine stärkere persönliche Bindung gewünscht hätte, ich kann nämlich völlig sehen wie Erika Andersons Reibeisen-Erlösungstrip so manchen zum Lieblingsalbum des Jahres wurde. Aber so groß California und Marked (oder im letzteren Falle eine lange Zeit eher klein) sind, am liebsten waren mir die dronigen Epen zu Beginn und Ende, in denen EMA richtig Anlauf nehmen konnte um mit ihrem metallenen Noise-Folk in unheilige Aschewolken abzuheben.

[Stream] EMA - The Grey Ship
[Albumstream] EMA - Past Life Martyred Saints

Platz 36
Veronica Falls - Veronica Falls

Gewiss, ihre Melancholie ist mit gothigem Beiklang und Friedhofsliebesliedern ein wenig finsterer als die der meisten. Doch was das Debüt des britischen Quartetts zur zweitbesten Indiepop-Platte des Jahres macht ist die unverschnörkelte Funktionalität, mit der sie ihre simpel gestrickten Songs hocheffizient darauf hinauslaufen lassen, einem ihren gesangsharmonischen Refrain um die Ohren zu hauen. Was sie auch mit gerechtfertigter Überzeugung machen können, fast jeder Song hierauf könnte bei anderen Bands eine hervorragende 7" hergeben - nur bringen jene anderen in der Regel auch nur eine 7" von solchem Kaliber pro Jahr, während Veronica Falls ein ganzes Album davon haben.

[Stream/MP3] Veronica Falls - Come On Over
[Albumstream] Veronica Falls - Veronica Falls

Platz 35
Thursday - No Devolución

Daran konnten auch die schlimmsten Fridmann-Exzesse nichts ändern, Thursdays letztes Album war ein würdiger Abschluss für die Gruppe, die sich im gleichen Jahr als Wegbereiter für den Post-Hardcore-Nachwuchs entpuppte. Aber Respekt wo fällig, es ist halt auch die sonische Abenteuerlust in der Zusammenarbeit mit dem König des Kaputter-Lautsprecher-Sounds, die Thursday noch mal zu neuen kreativen Glanzleistungen aufschwang. Ob in sanfter Sphärik, übersteuert polternden Lawinen oder dramatisch verhallten Soundscapes, Geoff Rickley steckt weder persönlich noch politisch zurück und malträtiert seine verwundete Stimme bis zum formidablen Screamo-Schluss.

[Stream] Thursday - Magnets Caught In A Metal Heart
[Albumstream] Thursday - No Devolución

Platz 34
James Ferraro - Night Dolls With Hairspray

Bevor der Mann mit dem Mega-Afro auf Far Side Virtual den klinischen Gadget- und App-Kosmos der digitalen Boheme vertonte, brachte er 2010 noch das weitaus tollere Nightdolls With Hairspray heraus - so spät, dass das Album eh erst am Jahreanfang bei mir ankam. Wie einst Ariel Pink intonieren hier hausgemachte Cartoonstimmen, Plastik-Riffs und Klappermaschinen verkorkste Radiohits mit fabelhaftem Hookgespür, im Gegensatz zu Pink jedoch mit einer Freude am Popkultur-Referenzieren dass man immer wieder das Gefühl haben könnte, hier sei alles nur gesampelt und geklaut. Perfekt wird der collagistische Wahnwitz schließlich, wenn die Songs ein synthetisch gegeigtes Rule Britannia vorangestellt kriegen oder unterbrochen werden, weil das Album wild durch imaginäre Radio- und TV-Kanäle der 80er zappt.

[Stream] James Ferraro - Leather High School
[Albumsampler] James Ferraro - Night Dolls With Hairspray

Platz 33
Future Balearica 2: A New Wave Of Chill

Furchtbarer Titel, furchtbar guter Inhalt. Nun, zumindest theoretisch, im Gegensatz zur Download-Variante enthielten die beiden CDs der Compilation nämlich neben einem Mix aller Stücke nur einen Teil davon auch einzeln. Aber naja, da lässt sich ja nachhelfen, denn zu durchgängig gut ist die Auswahl dieser 17 Sommerfreudenspender; von Herrn Terjes meisterlicher B-Seite über die belebteren In The Water und Need Your Love im Lee-Douglas-Remix bis zur sich bezaubernd langsam entfaltenden Panorama Suite Max Essas, zwischen denen dank der Abwesenheit von Indiegurken wie Animal Collective und The xx die Ungereimtheiten der ersten Ausgabe ausbleiben.

[Stream] Todd Terje - Snooze 4 Love
[Albumsampler] Future Balearica 2: A New Wave Of Chill

Platz 32
Merchandise - Strange Songs (In The Dark)

Es hätte mir echt was früher einfallen können, vom guten Geschmack des Labelblogs von Katorga Works darauf zu schließen, dass auch deren eigene Platten etwas taugten. Zum Glück erhaschte ich noch ein Exemplar des vielerorts ausverkauften Noisepop-Kleinods von Merchandise, das irgendwo den postpunkigen Geisterpop früher Blank Dogs mit späterem No-Age-Echopunk verbindet, aber sowohl stärkeres Songwriting aufweist als auch emotional schärferen Gesang - das muss letzterer auch sein, um gegen die Intensität der schneidenden Elektronik anzukommen.

[Stream] Merchandise - I Locked The Door
[Albumdownload] Merchandise - Strange Songs (In The Dark)

Platz 31
John Maus - We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves

Schon lustig mitanzusehen, wie sich der Zeitgeist in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Wurden Ariel Pink und sein Geistesverwandter John Maus vor fünf Jahren noch wenig geschätzt oder gar als Poser verachtet, die sich in ihren Klangästhetiken der Unklarheit versteckten, hat sich seitdem dermaßen viel ähnlich ausgehöhlter Musik verbreitet, dass Maus' textkryptischer Nebelsynthpop mittlerweile nicht nur auf größere Akzeptanz stößt, sondern We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselve sogar vergleichsweise poliert erscheint - besser kamen die Songs nur noch auf seiner wirklich grandiosen Psycho-Karaoke-Liveshow rüber.

[Stream] John Maus - Believer
[Albumstream] John Maus - We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves