66 aus 2011 (Teil 5)

(Teil 1) (Teil 2) (Teil 3) (Teil 4) (Teil 6) (Teil 7) (Teil 8)

Platz 30
Seefeel - Seefeel

Es war das erste Album, bei dem meiner Anlage das Vinylformat zum Vorteil gereichte. Ein stellenweise verschlepptes Schlagzeug gibt mit spärlichen, aber kräftigen Anschlägen eine staksige Erdung für ein Füllhorn aus noisigen Klängen, die in einem Meer aus Ätherstimmen, synthetischen Oszillationen, dubbigen Grooveläufen und knarzigen Texturen auf- und wieder abtauchen. Doch was den Albumverlauf charakterisiert, ist ein irgendwann einsetzendes Basswabern, das sich zur Mitte hin mit zunehmendem Volumen aus den Lautsprechern ausbreitet und die Rückkehr der Post-Rock-Veteranen einen guten Deut tiefenintensiver gestaltete.

[Stream] Seefeel - Dead Guitars
[Albumstream] Seefeel - Seefeel

Platz 29
Kuedo - Severant

Nachdem es rein auf dem Papier wie für mich gemacht zu sein schien, brauchte es ja doch ein wenig, bis ich mich an die dauernervöse Snareklöppelei Severants gewöhnt hatte. Aber anders als beim Teenagerschlafzimmer-vermufften ADS-Prog von Rustie machte es zum Glück mit Kuedos erhabenem Beat-Futurismus irgendwann Klick. Egal, ob die von Vangelis inspirierten glanzvollen Synths zwischen die synkopierten Beatmuster geschnipselt sind oder unterbrechungslos weit ausschweifen, ob bloß farbvolle Textur oder sich aus Einzelmotiven zur Meta-Melodie entwickelnd, immer vermitteln sie eine sehnsuchtserfüllte Weite, die nicht einmal der am weitesten nachhallende Klatscher auszuloten vermag.

[Stream] Kuedo - Ant City
[Albumstream] Kuedo - Severant

Platz 28
Kitchen's Floor - Look Forward To Nothing

Das einzige Makel am zweiten Album des Aussie-Trios ist, dass es nicht 7 Sekunden länger ist - dann dauerte es nämlich exakt 20:11 Minuten. Aber wenn Kitchen's Floor eines sind, dann ökonomisch, so shreddern, hupen und poltern sie über diese Spielzeit durch 10 ballastlose Rock-Rauheiten, ohne dabei gehetzt zu wirken. Sie brillieren darin, schnell zur Sache (Kiwipop-unterorgelte, stimmzerhallte Hooks) zu kommen, sich damit ohrwurmigst zu inszenieren und bevor ihre Wirkung nachlässt wieder von der Bühne zu verschwinden.

[Stream/MP3] Kitchen's Floor - 116

Platz 27
La Dispute - Wildlife

Mit seinen wortreichen Texten über ein Amerika im sozialökonomischen Verfall füllt der erschüttert heisere Jordan Dreyer das Booklet schon proppevoll genug, um Wildlife zu einem herausragenden Posthardcore-Werk zu machen. Doch die Musik steht dem in nichts nach, immer wieder unterstützt sie ihn in mitreißenden Studeln, Läufen, Wendungen und Brüchen, alles eingefangen in einer herrlich trockenen, effektarmen Produktion die diese Songs noch einen schmerzlichen Tick rauer und intimer wirken lässt.

[Stream] La Dispute - Safer In The Forest​/​Love Song For Poor Michigan
[Albumstream] La Dispute - Wildlife

Platz 26
The Men - Leave Home

Schon was seltsam, wie sich genau die beiden punkigen Neulinge, für die ich zu Jahresbeginn große Hoffnungen hegte, am Ende auf vielen Magazinlisten als die einzigen ihrer Gattung erwiesen. Dabei taugt Leave Home eigentlich als Album oder singuläre Ästhetik nicht sonderlich viel, ist eine zu heterogene Mischung schwerriffiger Noiserock-Songs. Doch die sind eben von einer einenden Intensität erfüllt, die jeden Augenblick aus ihnen herauszuplatzen droht, wenn es links und rechts aus allen Nähten fiept und pfeift und dröhnt und die Band mit einer verzweifelten Wüstheit spielt, als würde sie gegen ein höllenwärts fahrendes Rollband anrennen.

[Stream] The Men - Bataille
[Albumstream] The Men - Leave Home

Platz 25
Gold-Bears - Are You Falling In Love?

Luftholen wird überbewertet. Nicht nur in ihrer Rasanz und der Art, wie oft nur einen Anschlag nach dem letzten schon der erste eines neuen Lieds beginnt, sind Gold-Bears auf ihrem Debüt mehr Punk als die meisten Punk-Bands, mehr aber noch ist Are You Falling In Love? ein quietschnoisiges Indiepop-Album. Eines, das wie kein anderes Laune zum Mitemotionalisieren macht, wenn Jeremy Underwood mit Mac-McCaughaniger Exuberanz "In this city I'm invincible" über Wedding-Present-Turbojangle ausruft oder im (relativ) Slowtempo-Titelstück sein "Fuck my life" von Feedback und Streichern betrauert wird. Eines, dem an Catchyness und Energie niemand das Wasser reichten konnte. Das Indiepop-Album des Jahres. Natürlich auf Slumberland erschienen.

[Stream] Gold-Bears - Record Store
[Albumstream] Gold-Bears - Are You Falling In Love?

Platz 24
Julianna Barwick - The Magic Place

Wie bei den meisten dieser Alben war The Magic Place eines, das ich nie so gut in Erinnerung hatte wie es sich immer wieder beim Hören erwies - aber deswegen mach ich das ja auch mit all meinen Anschaffungen jeden Dezember nochmal. Gerade die aufeinandergeschichteten, wortlos weithallenden Vocals Barwicks erscheinen auch bei gelegentlich hinzugefügtem Pluckerbass oder Piano simpel, beziehen aber ihre Stärke im Wechselspiel oder Weiterreichen von Tönen und Melodien untereinander, oder einfach von der erhabenen Fülle wenn Barwick sich selbst loopend zum erhabenen Chor multipliziert.

[Stream] Julianna Barwick - White Flag
[Albumstream] - The Magic Place

Platz 23
Parts & Labor - Constant Future

Auch Parts & Labor verkündeten kürzlich ihr (zumindest vorläufiges) Ende, mit Constant Future nahm die hymnischte Noiserockband aller Zeiten dafür charakteristisch Abschied. Ob es nun stimmt oder nicht, dass das Album in einem Boxring aufgenommen wurde, anhand der polternden Einschlagswucht von A Thousand Roads z.B. würde man es allemal glauben. Mit aller Kraft bäumen sich Parts & Labor gegen alle Gründe, die ihre Texte zum Pessimismus liefern, auf und insistieren, nie weit von einem bunten Piepknarzpanorama entfernt, auf Hoffnung.

[Stream] Parts & Labor - Constant Future
[Albumstream] Parts & Labor - Constant Future

Platz 22
Andrew Pekler - Sentimental Favourites

Konzeptuell scheint sich Andrew Pekler schon lange dort zu bewegen, wo Daniel Lopatin erst gerade so richtig ankam. Von Vinylknistern und gesampelter Natur-Ambience psychedelisch eingerahmt, nutzt Pekler hier Fragmente alter Easy-Listening-Scheiben in seinen zwar unanstrengenden, aber schwer vereinnahmenden Eigenkompositionen. Wieviel davon im Detail eigen und wieviel Vintage-Schnipsel ist, vermag ich an manchen Stellen gar nicht zu sagen - selbst das physische Vinylpaket ist schön als pseudo-historisches Dokument aufgezogen - doch die technische Gesamtkomposition scheint mir, ohne dass sie es einem vors Gesicht hält, klar eine moderne - oder doch zeitlose?

[Stream] Andrew Pekler - Prelude To A Summer
[Albumauszug] Andrew Pekler - Sentimental Favourites