66 aus 2011 (Teil 3)

(Teil 1) (Teil 2) (Teil 4) (Teil 5) (Teil 6) (Teil 7) (Teil 8)

Platz 48
Joanna Gruesome - e.p

Es gibt so einen magischen Punkt, an dem schrottige Produktion aufhört, bloß völlig kaputt zu klingen und die Musik mit diesem unfassbaren Lo-Fi-Etwas beseelt. Diesen Punkt erreichen die lose zusammengestellten frühen Aufnahmen des walisischen Indiepop-Quintetts gewiss nicht, hier wird wust drunter- und drüberkomprimiert und verhallt und gefiept und übersteuert und das von Song zu Song unterschiedlich. Doch was das schon akzeptable Pantry Girl mit dem Demoqualität-Thrasher Sugarcrush eint, ist dieses andere unfassbare Etwas: Ein fabelhaftes Gespür für Ohrwurm-Harmonien, das durchaus mit der ersten EP der Pains Of Being Pure At Heart konkurrieren kann, allerdings deutlich mehr Freude am Rumpoltern mitbringt.

[EP-Stream] Joanna Gruesome - e.p

Platz 47
Selected Label Works 3

Keine Frage, Permanent Vacation ist für mich ne Bank, höchstens DFA trifft noch öfter diesen poppigen Schnittbereich von Disco und House, in dem sich auch dieses Jahr wieder viele Feinheiten finden ließen. Und obwohl ich das weiß, haut mich auch die diesjährige Jahrescompilation des Münchner Labels wieder mit ihrer Konsistenz und mit ein paar von mir bislang völlig übersehenen Überraschungssensationen (dieser Tomahawk-Remix!) um, diesmal verteilt auf eine v.a. hitgeladene erste und stimmungsvollere zweite Silberscheibe verteilt.

[Stream] Midnight Magic - Drop Me A Line
[Albumstream] Selected Label Works 3

Platz 46
Los Campesinos! - Hello Sadness / Heat Rash 1&2

Dass Los Campesinos! eine allein auf Vinyl verfügbare Singles-Serie starteten, war der letzte Push der mich im vergangenen Jahr dazu brachte, mir doch noch einmal einen Plattenspieler zuzulegen. Zwar erwies sich das Projekt als aufwändiger als vermutet, so dass bislang nur die Hälfte der experimentier- und kollaborationsfreudigen 7"s fertig wurde, aber zwischendurch war schließlich auch noch ein neues Album zu erschaffen. Das zeigte mit neuem Fokus auf Zurückhaltung und stimmlicher Reife endgültig, dass diese Band Wege findet, über ihren Tweexcore-Initialschub hinaus zu existieren - wer hätte je gedacht, dass die You! Me! Dancing!-Kids einmal so etwas herrlich düster-erhabenes wie The Black Bird, The Dark Slope erschaffen würden?

[Albumstream] Los Campesinos! - Hello Sadness
[Stream] Los Campesinos! - Heat Rash 1

Platz 45
Ada - Meine Zarten Pfoten

Ich will gar nicht wissen, wie vielen dieses Album entgangen ist weil sie dahinter astreinen Techno vermuteten. Dabei bleibt Mein Zarten Pfoten drei Stücke lang gänzlich beatlos, mutet mit Adas Gitarrenspiel, warmen Texturen und Ambient-Samples überaus Mittelmeer-europäisch an und verstrahlt eine behagliche Entspannung, als würde man die Welt mit halb zugekniffenen Augen betrachten. Wenn dann einmal Beats verhalten einsetzen, sind auch sie nur im Dienste von Stimmung, Songwriting und bereichernden Sounddetails, die mit oder ohne Kopfhörer die gemütliche Intimität eines Balkonien-Urlaubs verströmen.

[Stream] Ada - Likely
[Albumstream] Ada - Meine Zarten Pfoten

Platz 44
Wild Flag - Live @ The Troubadour, West California, 02.11.2011

Wenn Carrie Brownstein in Nothing "We've got nothing left to lose" singt, könnte sie fast auch "to prove" dort einsetzen. Allein Wild Flags gleichnamiges, für mich etwas zu trocken produziertes Album blieb noch den Beweis schuldig, dass sie eine überragende Band sind, zum Glück gibt's ja Liveaufnahmen wie diese (etwas leichter zu finden dürfte der nicht minder gute NPR-Mitschnitt sein). Dort hört man von Anfang an den Spaß am gemeinsamen Rumholzen in ohnehin tollen Songs, wenn sich die Stimmen gutlaunig überschlagen, vor allem aber kommt hier Janet Weiss' Powerspiel voll zur Geltung, das auch ausgedehnte Jamversionen von Racehorse zu ungemein druckvollen Höhepunkten antreibt.

Platz 43
Delicate Steve - Wondervisions

Herrlich: Gebt einem inspirierten jungen Mann nur viele Instrumente und wenig zu tun, schon kommen dabei Wondervisions heraus. Weniger delikat als abenteurlustig verzahnt Steve Marion seine regenbogenfarben verfremdeten Gitarrenläufe über R&B-Grooves, die er sich aus ein paar Schlagzeugüberresten selbst zusammengekleistert zu haben scheint. Egal ob polyrhythmisch elektrisiert oder im medidativen Plastikdrone blubbriger Billigsynths, nie steht dieses Album seinem Cover in Sachen Farbenfreude nach.

[Stream/MP3] Delicate Steve - Butterfly
[Albumstream] Delicate Steve - Wondervisions

Platz 42
Young Galaxy - Shapeshifting

Das Beispiel macht Schule: Nach Young Galaxy haben sich nun auch die schwedischen Mary Onettes darauf eingelassen, ihren Sound von Dan Lissvik von Grund auf neumöblieren zu lassen. Und wer könnte es ihnen verdenken, bei diesem Ergebnis? Die träumerisch-schwelgerischen Melodien des kanadischen Trios werden in Lissviks zentimetergenau verwinkelte Produktion eingerahmt, gleichzeitig vermittelt er der Musik ein Gefühl von Freiheit, als würde sie elegant über eine dubbige Winterlandschaft gleiten.

[Stream] Young Galaxy - Peripheral Visionaries
[Albumstream] Young Galaxy - Shapeshifting

Platz 41
Deaf Wish - Mercy

Es kann gar nicht genug betont werden, wie viele sagenhaft lebhafte Gitarrenbands in letzter Zeit in Australien (und Neuseeland natürlich) ihr Unwesen treiben. Beachtet wird das landesaußerhalb wohlgemerkt kaum, zu naheliegend sind der US-Journaille die müden Lokalheroen. Ob Deaf Wish hiermit große Wellen hätten schlagen können ist aber auch fraglich, zu durcheinander und zerbrechlich erscheint anfangs die Abwechslung aus Flugnonnen-Jangle, noisigen Krachern, melancholischen Leerräumen oder Sonic-Youth-Schiefheit (inklusive einer herrlich Gordonesken Sängerin) - doch wird damit erst die emotionale Labilität ihrer Songs so richtig unterstrichen, und je öfter ich diese sehr spezielle Mischung höre, desto eigener und aufregender erscheint sie mir.

[Albumstream] Deaf Wish - Mercy

Platz 40
Tycho - Dive

Scott Hansen ist Grafikdesigner - ein sehr guter, wie man dem Cover seines Werkes als Tycho ablesen kann. Gerade seinen Sinn für die Anordnung von Einzelelementen und die Auffrischung klassischer Stile hat er erfreulicherweise ebensogut auf seine Musik angewendet, in der er mit analogen Synthesizern und digitalen Schlepptopbeats das macht, was er als Fan am besten kennt: balearisch besaitete Strandgemälde, für die Vocals keine Notwendigkeit, aber ab und an eine Bereicherung sind. Und die er nicht selbst beisteuert - seine Grenzen kennt er offenbar auch ganz gut.

[Stream] Tycho - Hours
[Albumstream] Tycho - Dive