66 aus 2011 (Teil 2)

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Platz 57
Patrick Wolf - Lupercalia

The Bachelor wirkte 2009 wie ein Alles-oder-nichts-Schritt. Eine ambitionierte, fanfinanzierte Eigenveröffentlichung, deren Erfolg Grundbedingung nicht nur für eine Fortsetzung, sondern überhaupt für die künftige Kreativexistenz des Musikers Patrick Wolf zu sein schien. Doch weil seine Musik eben vor allem vom wechselhaften Leben des Menschen Wolf bestimmt wird, folgte statt der geplanten Fortsetzung ein neuer Pop-Anlauf. Darin erklärt The City die Stadt zum Feind der Liebe, argumentiert House fürs Sesshaftwerden im Naturidyll und schwärmt Slow Motion dermaßen überzeugend von "Breathless Devotion", dass man diesem Mann jegliche Inkonsequenz nachsehen möchte.

[Stream] Patrick Wolf - The City
[Albumstream] Patrick Wolf - Lupercalia

Platz 56
Times New Viking - Dancer Equired

Wenn das mal keine Vorzeigediskographie ist: Angefangen bei Siltbreeze, weiter zu Matador und nun sind Times New Viking mit Album Nr. 4 die Zelte bei Merge aufgeschlagen. Dementsprechend auch mit weniger Rambazamba, Dancer Equired zelebriert Midwest-Wintermelancholie in braunkörnigen Studioaufnahmen, mit denen das Trio den Velvets nahe wie nie kommt ohne bei aller Reife den Blick auf die eigenen Song- und Singqualitäten zu verlieren.

[Stream] Times New Viking - No Room To Live
[Albumstream] Times New Viking - Dancer Equired

Platz 55
Moonface - Organ Music Not Vibraphone Like I'd Hoped

Nach der Marimba & Shit-Drums-EP folgt der zweite Teil von Spencer Krugs neuem Soloabenteuer erneut unter Beschreibung der darauf dominanten Instrumente. In 5 hypnotischen Langform-Kompositionen dreht Krug auf billigen Vintage-Orgeln Kreise um sich selbst, kredenzt impressionistische Geschichten aus Montrealer Partygesprächen und Meeresparabeln, die sich erst im Entstehungsprozess auf das ursprünglich als beat- und wortlos geplante Album geschlichen haben - selbst wo es bereits angekündigt ist, darf man also gespannt sein, wie Krugs kollaboratives nächstes Moonface-Werk ausfallen wird.

[MP3] Moonface - The Way You Wish You Could Live In The Storm
[Albumstream] Moonface - Organ Music Not Vibraphone Like I'd Hoped

Platz 54
M83 - Hurry Up, We're Dreaming

Etwas merkwürdig, dass Hurry Up, We're Dreaming so extreme Reaktionen ehrvorrief, war es doch ziemlich genau das, was ich mir von einem M83-Doppelalbum erwartet hätte. Da waren diese Momente, in denen man inmitten grandioser Synth-Ausstöße vor lauter Euphorie die Fäuste gen Himmel recken wollte, aber halt auch Songs auf der Suche nach einem guten Hook und umgekehrt. Und das auf etwa anderthalb mal soviel Musik wie sonst verteilt, was die Hörbipolarität zwischen Hingerissenheit und Erschöpfung etwas verstärkte. Aber es sagt glaube ich auch etwas über M83, dass ich seine Songs selbst dann noch mag, wenn ich sie in meinem Kopf jetzt immer so höre.

[Stream] M83 - Midnight City
[Albumstream] M83 - Hurry Up, We're Dreaming

Platz 53
Gatto Fritto - Gatto Fritto

Gatto Fritto ist sicher der Freund aller Mixmacher. Seine Sternendisco ist dermaßen fluide, stimmungsvoll und uneffekthascherisch, dass seine Stücke wunderbar vielseitig verwendbar sind. Als delikate Verschnaufpause vor und nach der ganz großen Nummer, als schwelgerisch-belebter Übergang von Tanz- zu Traumwelt oder einfach als elegantes In- oder Outro, immer wieder ist mir der Engländer die letzten Monate zu Ohren gekommen. Schönerweise funktioniert das alles auch so ausfallsfrei gut auf seinem Debütalbum, das eben diese Stücke stimmig versammelt und ihnen einen physischen und zeitlichen Raum nur für sich allein spendiert.

[Stream/MP3] Gatto Fritto - Hex
[Albumstream] Gatto Fritto - Gatto Fritto

Platz 52
Architecture In Helsinki - Moment Bends

Nach den overten Schrägheiten der Vergangenheit, die mir mit der Zeit Places Like This doch ziemlich versauert haben, verschrieben sich die Australier erfreulicherweise diesmal der synthetischen Klarheit ihres Albumcovers. Oberflächlich zumindest, denn unter all dem für ihr Label Modular typischen Pop-Glanz versteckten sich inmitten der Zuckermelodien auch allerlei unvermutete Verzerrungen und spinnerte Samples - nur eben so subtil eingebunden, dass man sich ihrer eigentlich erst dann erfreuen konnte, wenn man nicht bereits vor der allgemeinen Klangästhetik geflüchtet war.

[Stream] Architecture In Helsinki - Sleep Talkin
[Albumstream] Architecture In Helsinki - Moment Bends

Platz 51
Zodiac Free Arts Club - Floating World

Wenig unterstreicht das in den letzten Jahren aufgeloderte Kraut-Interesse so gut wie das Wirken Argyris Theofilis'. Der belebte nämlich nicht nur den Namen Zodiac Free Arts Club für dieses Projekt, sondern zudem die kollaborativen Berliner Sessions selbst, die vor Jahrzehnten unter diesem Namen liefen. Auf Floating World schauen so zumindest im Geiste Göttsching, Popol Vuh, Hillage oder Schulze vorbei und kriegen im Ausgleich dafür Stücke nach sich benannt - andächtiger kann Hommage kaum sein.

[Albumstream] Zodiac Free Arts Club - Floating World

Platz 50
Milk Music - Beyond Living EP

Während es in Sachen Indie Rock ein ziemliches Scheißjahr war, rumpelt es in raueren Gefilden dafür momentan ganz vorzüglich. Ein frühes Indiz dafür gab das Debüt der Amerikaner, das so spät im letzten Jahr über den Atlantik kam dass es eigentlich erst 2011 so richtig genossen werden konnte. Doch dieser Genuss kommt so schnell wie er lange anhält, heiseres Hüsker-Raunen intensiviert wuchtig bassierte Riffs über sechs flotte Songs, die mehr zu bieten haben als die meisten Bands über doppelt so viele.

[Stream] Milk Music - Beyond Living

Platz 49
Walls - Coracle

Was 2011 für mich auch war, war das Jahr in dem ich wohl mit Abstand die meisten Dance- und sonstwie elektronischen Alben für mich entdeckte. Darunter waren gar nicht mal so viele Neulinge, viele waren wie Walls welche, die ich schon vorher mochte, deren Debütalbum mir aber rundum nicht so gefallen hatte. Mit Coracle war das sicher nicht der Fall, hitzegetränkte Traumtänze die mit verzückt entfremdeten Vocals zum Bad in ihrer Klangwolke einladen und wie eine entspannte Variante des letztjährigen Chemical-Brothers-Meisterstücks Further wirken.

[Stream] Walls - Raw Umber/Twilight
[Albumstream] Walls - Coracle