48 Aus 2009 (Teil 2)

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Platz 40
Micachu - Jewellery

Ein bemerkenswertes Gespür für songwriterische Ökonomie zeigt die Britin Mica Levi - ab und zu unterstützt von ihrer Band The Shapes - auf ihrem Debütalbum. Hier wird keine Sekunde zu lange verweilt, es geht rein in den Song, je nachdem wird das Strophe-Refrain-Schema genau so oft wiederholt wie es muss, ein-, zwei- oder auch keinmal, und schon geht's auch wieder raus ohne dass man sich geschmälert fühlt oder eine Idee unangemessen überstreckt wurde. Transportiert werden diese Ideen von einem idiosynkratischen, scheinbar klapprigen Instrumentarium bestehend aus u.a. Schrammel-Ukulele, Glockenspiel und Bohrmaschine und Electro-Loops das sich mit jedem Hören als ebenso clever inszeniert herausstellt wie Levis seltsame, aber verdammt eingängige Melodien.

[MP3] Micachu - Lips
[Stream] Micachu - Jewellery

Platz 39
Jay Reatard - Watch Me Fall

Genug Material hat das Garagepop-Genie offenbar jederzeit zur Hand, davon zeugen vier Solo-Longplayer in genau so vielen Jahren. Trotzdem ist Watch Me Fall, nach zuletzt zwei Sammlungen von Single-und EP-Veröffentlichungen, streng genommen Jay Reatards erstes Studioalbum seit dem Überwerk Blood Visions und leidet vielleicht auch deswegen ein wenig im Vergleich, nichtsdestotrotz schüttelt er auch hier wieder Hooks en masse aus dem Ärmel. Das Kleid frenetischer Punksalven haben seine Popsongs mittlerweile größtenteils abgelegt, immer mehr Akustikgitarre macht sich breit und auch Reatard selbst bellt seltener als dass er ein sanftes "Ba-Ba-Ba" intoniert und zum Finale bereichert ein Cello das ohnehin herrliche Falsett von There Is No Sun. Wer hätte gedacht dass der Mann auch Traumstunden auf Lager hat?

[MP3] Jay Reatard - It Ain't Gonna Save Me
[Stream] Jay Reatard - Watch Me Fall

Platz 38
Sky Larkin - The Golden Spike

Beinahe hätte ich diese Platte vergessen, da ich die Rezension dazu schon Ende letzten Jahres verfasst hatte hatte ich sie nämlich mental auch unter 2008 abgelegt, aber hier war mein anales Sortieren und Durchhören aller Platten des Jahres prä Listenerstellung mal echt zu was nütze. Und nachdem ich es länger nicht mehr gehört hatte stellte sich The Golden Spike erfreulicherweise als noch besser heraus als ich es in Erinnerung hatte, flotter, druckvoller Indierock (der längst nicht so britisch klingt wie der ihn begleitende Gesang) wie man ihn dieser Tage nur noch selten zu hören bekommt. Jetzt wo ich's mir überlege, jau, Sky Larkin würden perfekt ins Vorprogramm von Pavement passen. [mehr]

[MP3] Sky Larkin - Molten
[Stream] Sky Larkin - The Golden Spike

Platz 36 & 37
Permanent Vacation - Selected Label Works No. 1 / Milky Disco 2 - Let's Go Freak Out

Gewiss, Mixe und Compilations gibt es wie Sand am Meer, jeder kann in welcher Qualität auch immer mit großer Freiheit gewählte Zusammenstellungen zackig auf Rapidshare hauen, oder auch die Werke der Profis bei RA, Fact & Co umsonst runterladen. Was machten also diese beiden käuflichen Zusammenstellungen das sie darüber hinaus hob? Nun, zweierlei: Im Falle von Permanent Vacation stellte ein Label ohne Geschmacksverirrungen ganze 2 Cds mit seinen Veröffentlichungen der letzten Zeit zusammen (unter denen mir sogar die bislang unbekannten von 40 Thieves und Good Guy Mikesh & Filburt am besten gefielen), weniger als einen kontinuierlichen Mix als eine Sammlung die von der stilistischen Verwandschaft dieser Hits aus der Emo-Disco lebt. Einen anderen Weg wählte die ebenso großartige Milky Disco 2, in einem kontinuerlichen Fluss geht es hier von Sandstrand-Vibes über krautinjizierte Experimentalität, Schlafzimmer-Disco und Sternenflüge einmal quer durch so ziemlich alles was mir jenseits von Gitarrenmusik in den letzten paar Jahren gefallen hat, und das auf einem durchgängigen Niveau dass ich hier genau so oft reinhörte wie in ein gutes Album - und öfter als in jeden runtergeladenen Mix.

[Stream] Milky Disco 2 - Let's Go Freak Out

Platz 35
Swan Lake - Enemy Mine

Manchmal hilft es mir, eine Platte im Vergleich oder gar in Opposition zu einer anderen zu hören, dann werden manche Qualitäten schnell klarer. In diesem Falle war mir das zweite Album von Swan Lake, der gemütlich-freundschaftlichen Zusammenkunft der Herren Mercer, Krug und Bejar, nach ihrem imposanten Beast Moans zunächst etwas unbedeutend erschienen. Direkt nach einem vorhergehenden Anhören von Veckatimest wirkte die bislang zu müde, gefasste Platte allerdings wie ein Hardcore-Brett und ist seitdem auch stetig in meinen Ohren gewachsen. Das wohlgemerkt nur weil ich ohnehin allen Akteuren positiv zugewandt bin, auch hier drücken alle trotz angeblich intensiviertem Kollaborationsaspekt "ihren" je drei Stücken deutlich den persönlichen Stempel auf, angefangen mit ihren charakteristischen Stimmorganen, und so wird man diesem Album auch nur soviel abgewinnen können wie allen drei zusammengenommen. Bejars Beiträge gefallen mir sogar am besten, er ist für die poppige Seite verantwortlich zwischen der und Spencer Krugs Waldschrat-Folk (u.a. einer Alternativversion des auch auf Dragonslayer zu findenden Paper Lace) Carey Mercer das manisch-melodische Bindeglied gibt, besonders schön zu hören auf dem finalen Warlock Psychologist .

[MP3] Swan Lake - Spanish Gold, 2044
[MP3] Swan Lake - Spider
[MP3] Swan Lake - A Hand At Dusk

Platz 34
Times New Viking - Born Again Revisited

Es zieht sich wie ein Mini-Thema durch diese Liste, wer seine frühen Aufnahmen noch in (absichtlich) rauem Sound hielt wird mit der Zeit milder, harmoniesüchtiger. Auch Times New Viking schienen dieser Entwicklung bislang zu folgen, auch wenn seine penetrant komprimierte Produktion auf Rip It Off mehr denn je mit glorreichen Hörschäden drohte war es vor zwei Jahren das bislang eingängigste Werk des Trios. Dessen viertes Album nun zeigt sich zwar lautstärkenmäßig tatsächlich sanfter, auch findet sich hier eine neue melancholische Sänfte z.B. in Form des zart-verwundbaren These Days oder des in Klang gefassten Fluchtinstinkts Move To California, an anderer Stelle aber zeigen sich TNV punkig wie seit ihren Anfängen nicht mehr, rotzen einem I Smell Bubblegum und die thrashende Finalskizze Take The Piss entgegen und lassen dazwischen mehr denn je vermuten dass sie auch mit leichter Verspätung von The Velvet Underground zur Bandgründung inspiriert wurden.

[MP3] Times New Viking - No Time No Hope
[Stream] Times New Viking - Born Again Revisited

Platz 33
Lindstrøm & Prins Thomas – II

Das zweite gemeinsame Album der Norweger fand ich ja schon anfangs sehr gut, aber seitdem ich es dann mal mit Kopfhörern probierte bin ich ordentlich darin verknallt. Es ist als hätten die Meister der Kosmik versucht jede Sekunde dieser Scheibe mit Ideen zu füllen die sich bis ins fein heraushörbare Detail erstrecken, das funktioniert sowohl in Einzelportionen wie auch als ein gewaltiger, anfangs zugegeben kaum überschaubarer Trip. Besonders schön war es im Sommer so zu tun als würde man den beiden auf dem Balkon nebenan beim lustvollen, epischen Jammen lauschen, oder auch beim geplanten Spielen, wer weiß das schon genau, ist ja auch völlig egal wenn es so gut die Synapsen zum Tanzen bringt.

[Stream] Lindstrøm & Prins Thomas - II

Platz 32
Patrick Wolf - The Bachelor

Wenn ich nicht ziemlich gut wüsste, dass der Mann sich nicht in seine Kunst reden lässt, würde ich Patrick Wolf ja vorschlagen beim nächsten Album anstatt mit Alec Empire mit Kate Bush zusammenzuarbeiten. Denn während die beiden Stücke mit Digital-Hardcore-Tünchung mir trotz überragender Livedarbietung im Albumkontext nicht so recht zusagen gehören die Bushigsten Momente zu den klaren Highlights auf The Bachelor, wenn sich in The Sun Is Often Out der Songtitel musikalisch manifestiert oder Tilda Swintons Stimme die ohnehin camp-überhöhte Theatralik des Albums unterstreicht. Bin aber auch schwer gespannt was die zweite Hälfte des Albums bringen wird, damit dürfte man ja schon in der kommenden Jahreshälfte rechnen können.

[Video] Patrick Wolf - Hard Times