Konzert: c/o pop Tag 2 - Patrick Wolf, These New Puritans


Ah, die Kölner Oper, Hort der Hochkultur. Dank der c/o pop weiß ich nun endlich auch wo die sich befindet, am ersten Tag war ich nämlich dort um mein Ticket einzulösen (und mein Band, nachdem mir das beim letzten Mal noch gelungen war, falsch anzuziehen! Die Dinger brauchen echt eine Anleitung) und nochmals gestern für ein denkwürdiges Konzert das, wie man wahrscheinlich mittlerweile auf allen üblichen Klatschseiten lesen kann, ein unschönes Ende nahm welches allerdings nicht unerwartet kam. Der Auftritt von Steve Strange, der für die leider abwesenden Micachu & The Shapes einsprang, war ebenfalls so wie befürchtet. Dem ehemaligen Visage-Frontmann merkte man die Folgen einer langen Heroinabhängigkeit deutlich an, körperlich wie geistig, ohne Backingtrack wäre Einiges an Vocals verloren gegangen oder schwer daneben gelandet. Was alles kein Problem gewesen wäre, nur waren die neuen Songs die er präsentierte ziemlich generischer Synthpop, so wie man sich das 80s-Revival eben nicht gewünscht hätte. Da verging einem sogar die Lust an Agamotto-Referenzen.

Dann war es aber, mit mittlerweile schon ordentlicher Verspätung, endlich soweit und Patrick Wolf betrat unter Applaus eines besonders vorne überwiegend jungen, weiblichen Publikums die Bühne im vom Regen verschonten Innenhof am Offenbachplatz. Vor gut zwei Jahren hatte er schon sein Coming Out als waschechter Popstar gehabt, seitdem hat er sich nur noch eindrucksvoller in seine Rolle als flamboyanter, extravaganter und androgyner Anime-Charakter gefunden. Zum Beginn mit Vulture renkte er sich quer über die Bühne, in ein buckeliges Kostüm gekleidet dessen er sich (Musik-)Stück für Stück entledigte, immer wieder kletterte er auf die Lautsprechertürme zu beiden Seiten der Bühne, räkelte sich, schwang lasziv und mit eindeutigen Gesten die Hüften und setzte sein fabelhaft geschminktes Gesicht so vor windgetriebenen Nebel und Scheinwerferlicht in Szene als würden aus jeder Blickrichtung Kameras für ein Konzertaufzeichnung sein Treiben verfolgen.

Musikalisch war er auch mannigfaltig in Aktion, an Violine, E-Gitarre, Ukulele, sitzend und stehend am Keyboard oder nur am Mikro, so fließend gewechselt wie seine gesanglichen Akzente vom körperlosen Falsett über croonige Tiefen bis zum Metallergegrolle. Zwar war auch die Tomlab-Ära seiner ersten beiden Alben mit The Libertine und Tristan repräsentiert und wurde rauschend aufgenommen, auch bedankte Wolf sich nochmal bei den Machern des Kölner Labels. Das meiste Material stammte aber vom neuen The Bachelor, einem Album das Wolfs Kompromisslosigkeit zeigt. Ob irische Folkballade (Blackdown), digital Hardrock (Battle, zu dem er nach missglücktem Versuch, sich von den vorderen Reihen tragen zu lassen, per pedes in die Menge watete um, in einen grautönigen Britannia-Dress gekleidet, mit ihr "Battle the homephobe! Battle the conservative!" zu skandieren (und ich glaube auch mit einem Kerl zu knutschen)) oder Breitwandpathos (Who Will), alles zieht er darauf er mit gleicher passionierter Konsequenz durch.

Nur am Ende des Konzertes sah man dann die andere Seite von Passion und Kompromisslosigkeit herkommen, nachdem er bereits mehrmals angedeutet hatte die drohende Beschneidung seiner Spielzeit auf vier Minuten zu ignorieren schmiss er zornentbrannt mit Bühneninventar nach der unglücklichen Seele die die 10Uhr-Sperrstunde des Kölner Ordnungsamts befolgt und zu Beginn des letzten Stückes den Saft abgedreht hatte. Ich sah mir das Treiben allerdings da schon nicht mehr weiter an, musste beim Verlassen des Geländes Richtung Dom allerdings bemerken dass direkt vor dem Opernhaus ein anderer Stand aufgebaut war aus dem munter Techno bollerte der auch noch aus weiter Entfernung zu hören war, das vorherige Geschehen wurde so noch mehr ad absurdum geführt.


Obwohl ich keine Hoffnung hatte allzuviel davon mitzukriegen eilte ich also weiter zur Rheinbrücke, im darutner gelegenen Bogen 2 sollten nämlich These New Puritans schon eine Weile zugegen sein. Den Anfang hatte ich auf jeden Fall verpasst, von außen betrachtet mutete das dortige Geschehen schon wie eine Mischung aus einem schamanischen Ritual und Poltergeist an, lichtüberflutete Nebelschwaden quollen aus dem Fenster hinter dem man Arme gen Trommeln schmettern sah. Dann also hinein in in die dampfende Flammenhölle und oh Wunder, erst geschätzte 20 Minuten sollten die vier Engländer auf der Bühne verbracht haben. Das sollte aber auch schon locker die Hälfte ihrer Gesamtspielzeit gewesen sein, das reichte aber allemal um schwer EIndruck zu hinterlassen.

Ihr letztjähriges Debüt ging ziemlich unverdient neben dem von Foals unter, auch wenn ich so meine Probleme mit der klinischen Kühle von Beat Pyramid hatte, live versprühte ihre nervöse, futuristische Mischung aus Elektronik, Postpunk und Post-Boredoms-Geklöppel pures Feuer und brachte das Publikum dazu eine tropische Luftfeuchtigkeit zu erzeugen. Wieviel (oder ob überhaupt etwas) von dem gespielten Material neu war vermag ich nicht zu sagen, hab ja eh die Mehrheit verpasst, aber auf ihr kommendes Album bin ich jetzt fast so gespannt wie darauf sie nächstes Mal komplett live zu sehen. Wäre eigentlich das perfekte Doppel mit HEALTH.