48 Aus 2009 (Teil 1)

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Platz 48
Mono - Hymn To The Immortal Wind

In den letzten Jahren waren die vier Japaner – stellt man mal 65daysofstatic in die eigene Abteilung die sie verdienen – die einzigen, die mich noch davon abhielten, epischem Instrumentalrock (the genre formerly known as Post Rock) gelangweilt gegenüber zu stehen. Auf diesem, ihrem fünften bzw. sechsten Album, setzten aber auch bei mir erstmals Ermüdungserscheinungen ein. Der Sound sollte eigentlich, dank einem Vielfachen der bisherigen orchestraler Begleitung, breiter und prachtvoller sein, aber bis auf den letzten, tatsächlich sehr prachtvollen Song der sein Potential zu instrumentalem Grandeur voll ausnutzt, wirken die Stücke auch dank zu vorhersehbarer Melodien merkwürdig klein und flach. Wenn sich nicht mit Steve Albini der selbe Mensch wie zuvor hinter den Studioreglern befunden hätte hätte ich glatt darin die Ursache gesucht, live sind Mono nämlich immer noch eine Naturgewalt.

[MP3] Mono - Ashes In The Snow
[Stream] Mono - Hymn To The Immortal Wind

Platz 47
Pet Shop Boys - Yes

Die Rückkehr der Pet Shop Boys kam zu einem nahezu perfekten Zeitpunkt.Gerade hatte ich mir erst über meine neue Lieblingsband zu Jahresbeginn, The Tough Alliance, das grandiose Schaffenswerk von Saint Etienne richtig zu erschließen begonnen, und da passten nach meiner Theorie die Boys ebenso gut ins Bild. Zudem hatten Girls Aloud gerade auch mit dem von PSB verfassten The Loving Kind ihre herrlichste Single seit Längerem rausgebracht, eine Zusammenarbeit mit der britischen Pop-Entität Xenomania die sich auch in der Arbeit am neuen PSB-Album fortsetzte. Doch vielleicht waren gerade damit auch meine Erwartungen schon zu hoch gelegt, weder ans hohe Euphorieniveau der Schweden (obwohl Pandemonium mit seinem Marschbeat und Oooh-Jubeln auch so was von ein Tough-Alliance-Song sein könnte) noch an The Loving Kind kommt Yes je heran, und wegen des Absackers in der Mitte dürfte es auch ein Album bleiben das mir nach anfänglicher Euphorie nicht mehr oft in den CD-Spieler kommt.

[Video] Pet Shop Boys - All Over The World
[Stream] Pet Shop Boys - Yes

Platz 46
The Thermals - Now We Can See

Keine Frage, The Thermals werden nicht jünger. Auch auf Now We Can See wird das Tempo öfter gedrosselt als voll auf die Tube gedrückt wird, dafür wird mit aufgeputschtem Gitarrensound das Dynamik-Loch gut gefüllt. Und das Songwriting haben Kathy und Hutch gewiss nicht verlernt, trotz der gewohnt kleinen Akkordpalette dem eingängigen Powerpop auch neue Nuancen hinzugefügt, wie beim ungewohnt gefühlvollen How We Fade mit Mini-Gesangsverein im Hintergrund oder beim etwas-über-Midtempo-Ohrwurm I Let It Go, wo hier früher vor der 3minutenmarke Schluss gewesen wäre reißen die Thermals das Ruder noch einmal machtvoll rum und preschen zum kräftigen Finale voran. Es muss halt nicht immer wahnsinnige Geschwindigkeit sein.

[MP3] The Thermals - Now We Can See

Platz 45
The Paper Chase - Someday This Could All Be Yours (Part 1)

Ah, The Paper Chase. Wer sonst hat eine derartige Freude am Harmoniebruch (wie hierauf z.B. in This Is A Rape), hat Songs die wirken als wären sie auseinander gefallen und nicht ganz richtig wieder zusammengesetzt worden, kann ein Album über Katastrophen inklusive eines halben Pfunds Blasphemie machen und das Ganze dann doch dermaßen schön und enthusiastisch klingen lassen? Egal ob man in der Diskordanz von What Should We Do With Your Body (The Lightning) quiekende Schweine und schreiende Menschen raushört oder die Geigen in The Laying Of Hands The Speaking In Tongues (Mass Hysteria) hysterisch anschwellen, irgendwie möchte man doch fast schon mitsingen. [mehr]

[MP3] The Paper ChaseWhat Should We Do With Your Body (The Lightning)

Platz 44
Mi Ami - Watersports

Ich müsste es nochmal nachgucken um sicher zu sein, aber spontan würde ich sagen dass mein Lieblingskonzert 2009 das von Mi Ami war. Das Trio mit dem aufregendsten Punk/Hardcore-Entwurf seit – nun, seiner Vorgängerband Black Eyes halt – erinnert mit harschem Gitarrengefetze und dem manisch bis panisch hohen Gesang von Daniel Martin-McCormick mal wie ein verstärktes Echo von ganz frühen The Rupture, anderswo mit langen, elektronisch durchzogenen Dubmeditationen wie ein höchst originelles Update später The Slits, fern jeglicher Hardcore-Klischees dank eines ungemein blubbrigen Basssounds (der sich auch gern mal auf Funkausflüge begibt) und einer komplexen Polyrhythhmik die man eher von einem oktopus denn einem menschlichen Drummer erwarten würde. Auch wenn Mi Amis – wegen des überraschenden Untergangs von Touch & Go vielleicht ähnlich hektisch wie bei ihren Kollegen Crystal Antlers zustande gekommenes – Debüt die schiere Intensität ihres Liveauftritts nicht wiedergibt, ein vielversprechender Anfang ist es allemal, allzu lange wird man auf Nachschlag auch nicht warten müssen. [mehr]

[MP3] Mi Ami - New Guitar

Platz 43
Love Is All - A Hundred Things Keep Me Up At Night

Es ist mir ja unglaublich peinlich wie lange ich gebraucht habe um die Melodie von Wishing Well als die von The Cleans Tally Ho zu identifizieren. Den Schweden von Love Is All ist das aber gewiss nicht anzukreiden, die dürften das garantiert nicht als absichtlichen oder zufälligen Diebstahl, sondern als liebevolles Zitat gemeint haben, so versiert wie sie in der Indiepop-Geschichtsschreibung sind. Außerdem hat ihr zweites Album noch Einiges mehr an eigenerem Material zu bieten, ein gutes Dutzend flotter, kurzer Songs mit nervösen Dynamiken, Melodica-Melodien und einem No-Fi-quietschenden oder melodisch langgezogenen Saxophon. Ein wenig erwachsener, nicht so chaotisch wie ihr Debüt, aber nicht glattgebügelt (weil sie die auf Weisung ihres Labels hin polierten Songs in die Tonne kippten) sondern voller unperfekter musikalischer Momente, wie dem zaghaften Duett in A More Uncertain Future, und persönlicher Ungewissheit über das Nachtleben und was danach kommt.

[Video] Love Is All - Wishing Well

Platz 42
HEALTH - Get Color

Das Debüt des L.A.-Quartetts war 2007 so eines das bei mir unter "vielversprechend, aber mal abwarten" rangierte. Die Boredoms-Verbindung von hektischen, verflochtenen Drum-Eskapaden und glänzenden Noise-Sounds hatten sie ohne Frage damals schon drauf, so richtig haben sie ihre disparaten Elemente, zu denen auch ihr ätherischer Gesang zählt, aber erst auf diesem zweiten Album zusammengebracht. Neonfarben verzerrte und so gar nicht "rocken" wollende Gitarren schwingen und schnappen nach davongalloppierenden Beats, sirrende Wellen schwingen von Wand zu Wand, meditativ repetitieren sich die Rhythmen und fast schon erhaben inmitten des ganzen Heidewitzkas schwebt eine klare, aber nicht am Boden haften wollende Stimme. Trotz aller Drückender-Lärm-Assoziationen die einem spontan durch den Kopf gehen stellt sich beim Hörenden dabei ein etwas anderer Effekt ein, ein Gefühl angeregter Gebanntheit, als blickte man einem Tiger der hinter einer Glaswand tobt direkt ins Auge.

[MP3] HEALTH - Die Slow
[Stream] HEALTH - Get Color

Platz 41
The Mayfair Set - Young One

Mike Snipers Musik war schon immer sehr kompatibel mit (vermeintlich) "femininen" Stimmen. Anfangs pitchte er dabei seine manchmal ohnehin schon gender-ambiguös verzerrte Stimme nach oben, was die anfangs ohnehin mysteriöse Aura um sein Geisterpop-Projekt Blank Dogs nur verstärkte. Auf dessen diesjährigen Album Under And Under waren, meist aber eher im Hintergrund, die Vivian Girls zu hören, und nun hat Sniper mit der ebenfalls vor allem für ihre Soloproduktionen (als Dum Dum Girls) bekannten Kristin Gundred gleich genug Material für diese ansehnliche EP aufgenommen. Darauf treffen Snipers Mope-Genuschel und sein gruftiger Postpunk auf Gundreds von Motown und Spector beeinflussten California-Schrammelpop und Girlgroup-Gesänge, Echo und kaputter Gesamtklang sind noch der größte gemeinsame Nenner der beiden. Das Ganze klingt überraschenderweise nicht nur wie eine Verbindung des vermeintlich Unvereinbaren, da beide einander genügend Freiraum einräumen und sie im Wechselgesang eine faszinierende Stimmdynamik entwickeln funktioniert es auch verdammt gut.

The Mayfair Sets Myspace