56 Aus 2010 (Teil 6)

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Platz 16
Oneohtrix Point Never - Returnal

Daniel Lopatins zweiter großer Streich, fast an der gleichen Stelle wie letztes Jahr, mit dem er die letzten Monate wohl so groß rauskam wie es ein Analog-Synthdrone-Schwurbler nur kann. Wobei mir die Albumtrilogie Rifts doch immer noch besser gefällt, nicht weil sie mehr Vielfalt hätte - der Anfang von Returnal ist wohl das Ungewöhnlichste was OPN bislang gemacht hat - sondern allein aufgrund der schieren Menge an durchweg toller Musik, der gegenüber Returnal zwar konsumfreundlicher ist, aber fast schon zu kurz wirkt. [mehr]

[Video] Oneohtrix Point Never - Ouroboros
[Stream] Oneohtrix Point Never - Returnal

Platz 15
Vampire Weekend - Contra

Kein anderes Album hat dieses Jahr - zumindest zum Positiven hin - so eine 180°-Drehung bei mir bewirkt wie Contra. Ich weiß noch, wie enttäuscht ich nach dem ersten Hören war und die Platte beim zweiten Durchlauf fast schon abgeschrieben hatte, wäre sie nicht von Giving Up The Gun gerettet worden. Nachdem ich ihr Debüt schon seit es als Blue Album die Runde machte rotieren gehabt hatte, war ich echt etwas geschockt vom angereicherten Sound der die elegante Einfachheit ersetzt zu haben schien. Doch die Angst bewies sich als unbegründet. Vampire Weekend haben, neben Texten deren Komplexität leicht zu übersehen ist, einfach ein sagenhaft gutes Händchen für Melodien, die sich mit wiederholten Hören von "ganz nett" bis "sehr nett" steigern und durch die Bank weg dieses Niveau bislang nicht wieder verlassen haben.

[MP3] Vampire Weekend - Horchata
[Stream] Vampire Weekend - Contra

Platz 14
Lindstrøm & Christabelle - Real Life Is No Cool

Die besten Disco-Diven, das zeigt sich auch im Zuge der erneuten Würdigung dieser einst von Homophobie und Schlagerparaden ertränkt geglaubten Musik, sind doch meist die etwas Ungewöhnlichen, und sei es nur stimmlich. Sei es Antony, Beth Ditto oder die Norwegerin Christabelle, deren wirre Gedankenströme absondernde, eindringliche Stimme vom Perfektionisten Lindstrøm in ein makelloses Glam-Gewand gekleidet wird und über ein makro wie mikro exzellent sequenziertes Album mit Funk und Funkeln verzaubert.

[MP3] Lindstrøm & Christabelle - Lovesick
[Stream] Lindstrøm & Christabelle - Real Life Is No Cool

Platz 13
Superchunk - Majesty Shredding

Superchunk waren für mich vom Ruf her immer etwas unverdient die vordersten der zweiten Garde des Indie Rock, hätten es aber völlig verdient gehabt, in einem Atemzug mit Modest Mouse, Yo La Tengo und Built To Spill genannt zu werden. Dieses Jahr zeigten sie nach nahezu jahrzehntlanger Kreativpause warum, mit einem Album das ihre besten Qualitäten kombiniert wie eigentlich keins zuvor, flott und vergnüglich, mit Hooks en Masse inmitten einer facettenreichen Produktion. [mehr]

[MP3] Superchunk - Digging For Something
[Stream] Superchunk - Majesty Shredding

Platz 12
diskJokke - En Fin Tid

En Fin Tid nannte der Norweger seinen Zweitling, eine feine Zeit sollte der auch bereiten. Lose konzeptuell ein vertonter Tag am Sonnenstrand, vom gemächlichen In-die-Gänge-Kommen übers entspannte Genießen bis zum Tanz im Dunklen zeigt Joachin Dirdahl mal wieder, das mit Skandinavien eine der dafür unwahrscheinlichsten Regionen Europas es wie keine andere versteht, mit kosmischer Disco und krautigen Electronica die eskapistischste aller Faunen als Inspiration zu nutzen.

[MP3] diskJokke - 1984
[Stream] diskJokke - En Fin Tid

Platz 11
The Dillinger Escape Plan - Option Paralysis

Es ist eigentlich das unoriginellste aller Dillinger-Werke, so ein Zwischending aus ihren alten und den jüngeren Sachen, die mir zu oft auf mäßige Melodien fokussiert waren. Ich kann verstehen wenn die Platte anderen nicht abenteuerlich genug war, aber dieses Zwischending trifft halt genau meinen Nerv: Mike-Patton-Verschnitte von Greg Puciato (und überhaupot schwingen da noch anderswo Faith No More mit), sanfte Melodien in die vertracktes Gefrickel und Turboriffe einbrechen und überhaupt schön viel Mathcore-Wahnsinn mit 180°-Kehrtwendungen inmitten von irgendwie-doch-schon-Popsongs. Ach ja: Finger weg von der Limited Edition, oder zumindest den Bonustrack beim Hören auslassen, der macht nämlich das abrundende Finale etwas kaputt.

[Video] The Dillinger Escape Plan - Farewell, Mona Lisa
[Stream] The Dillinger Escape Plan - Option Paralysis

Platz 10
ceo - White Magic

Ich hab hier irgendwo in meinem Kopf noch einen epischen Text herumfliegen warum The Tough Alliance die beste Popband des Jahrzehnts waren, aber belassen wir es was Eric Berglunds Vergangenheit angeht mal dabei. Denn auch wenn man schön die roten Fäden zwischen TTAs drei Alben und ceos Debüt ziehen kann, ist White Magic doch auch ein betonter Schritt in die Zukunft, das Zurücklassen von Sorgen und Ängsten, ein Eskapismus im wahrsten Sinne des Wortes, der naturhuldigende Ruf nach Freiheit in referenz- und samplefreudiger (u.a. werden hier die finale Musik von Brazil, Fußballkommentar, ein schwedisches Volkslied und eine Yellowstone-Naturdoku als Inspirationen herangezogen) Popgestalt.

[MP3] ceo - Come With Me
[Stream] ceo - White Magic

Platz 9
School Of Seven Bells - Disconnect From Desire

Auf ihrem zweiten Album haben School Of Seven Bells ihren Sound, der auf Alpinisms schon höchst eindrucksvoll war, nochmal auf eine neue Stufe gehoben. Allerdings nicht als Reflektion ihrer Liveshows, die mit deutlich muskulöseren Gitarren und mittlerweile auch echten Drums aufwarten, sondern als eine delikat zurückhaltende, aber herrlich produzierte Kristallisierung ihrer Qualitäten. Die typischen Gitarrenwände und tief begrabenen Wischstimmen des Shoegaze fast schon invertierend, steht der traumtänzelnde, und dennoch bestimmte Gesang der Deheza-Schwestern weit und glasklar im Vordergrund, Ben Curtis' oft nur einzelne Saiten zupfendes Gitarrenspiel noch hinter der melodie- bis Atmosphäre gebenden Elektronik, alle vorangetragen von abwechslungsreichen und wohlgeformten Beats, die in ständiger, kräftiger Bewegung einen wichtigen Kontrast zum langsam schwirlenden Rest beisteuern und dem Album einen vitalen Zusammenhalt liefern.

[MP3] School Of Seven Bells - Windstorm
[Stream] School Of Seven Bells - Disconnect From Desire