56 Aus 2010 (Teil 5)

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Platz 24
A Sunny Day In Glasgow - Autumn, Again

Kaum zu glauben, aber dieses Dreampop-Juwel gibt es immer noch zum freien Download bei der Band. Leider scheint dadurch manchen nicht aufgefallen zu sein, dass es sich bei Autumn Again um keine EP oder Resterampe für B-Seiten handelt, sondern um A Sunny Day In Glasgows vollwertiges drittes Album - und ihr bisher bestes. Ätherische Gesänge und sphärische Klänge kreisen und wellen in traumhaften Stereoeffekten von einer Seite zur anderen, Echos hüpfen im Raum herum, doch vor allem faszinieren die Songs der Nicht-Schotten durch die bezaubernde Eingängigkeit ihrer durchaus unkonventionellen Kompositionen.

[MP3] A Sunny Day In Glasgow - Drink Drank Drunk
[Download] A Sunny Day In Glasgow - Autumn, Again

Platz 23
Marnie Stern - Marnie Stern

Nachdem ihr zweites Album hierzulande keinen Vertrieb hatte und sie damit auf magische Weise aus der Sicht der deutschen Musikpresse verschwand, wurde Marnie Stern für ihr drittes dafür mal umso angemessener gewürdigt. Vielleicht auch besser so, denn auch wenn Stern kein Valium in den Kaffee käme ist sie diesmal stimmlich reservierter (und dezenter abgemischt) so dass vielleicht auch anfangs Abgeschreckte ihrem grellen Sound erneut Gehör schenkten - textliche Introspektion und kompaktere Texturen dürften da auch nicht geschadet haben. [mehr]

[MP3] Marnie Stern - Transparency Is The New Mystery

Platz 22
Deerhunter - Halcyon Digest

Auch wenn es für mich wohl nie das geniale Doppelpack aus Microcastle und dem experimentell-dekonstruktiven Weird Era Cont. erreichen wird, auch Deerhunters viertes Album ist ein herausragendes geworden, das erneut durch eine gewisse Inkonsistenz besticht. Mit diesen gefasst-klaren Popmomenten wie Memory Boy oder Revival, die nur allzu deutlich aus einem schwummrigen Nebel herausgeschossen kommen, aber eben auch niemals so effektiv wären wenn ihnen nicht z.B. die 5 Minuten Flüstergitarre von Sailing vorausgingen, die wiederum für sich genommen ziemlich verloren wären. Und obwohl diesmal auch Lockett Pundt Albumhighlights beisteuert, meine beiden Favoriten gen Ende stammen aus Cox' Feder, der sich offenbar wie hier in Helicopter und He Would Have Laughed durch Tragödien zu seinen besten Songs inspirieren lässt.

[MP3] Deerhunter - Revival
[Stream] Deerhunter - Halcyon Digest

Platz 21
My Chemical Romance - Danger Days: The True Lives Of The Fabulous Killjoys

Ein Blick ins Booklet hilft, den Appeal dieses Albums zu erklären - nicht, weil dort in den Texten viel über die comichaft grandiose Welt der Handlung nachzulesen wäre. Nein, weiter hinten in den Credits wird Nicht-Bandmitglied Jamie Muhoberac aufgeführt, er ist für den hörbaren Teil des Weltenbaus zuständig mit seinem hell-farbenfrohen Sounddesign der Synthesizer und zahlreichen digitalen Samples und originären Effekte. Funken sprühen wenn Garage-Pop im Breitbandformat Endzeit-Roadmovies befeuert, ungewisse Zeitlupen-Oszillation bereitet die Bühne für Midtempo-Pathosexplosionen, japanische Radiodurchsagen stürzen Hektik in Chaos und zum Finale gibt es noch eine dicke Krachattacke. Ein vor Vergnügen überquellendes Album, das zwar mal einen Gang zurückschaltet, aber von Beginn an nie den Fuß vom Gaspedal nimmt.

[Video] My Chemical Romance - Na Na Na (Na Na Na Na Na Na Na Na Na Na)
[Stream] My Chemical Romance - Danger Days: The True Lives Of The Fabulous Killjoys

Platz 20
Triclops! - Helpers On The Other Side

Irgendwie doof, bei diesem Album jedes Mal zu einer Auflistung von gitarrenbasierten Musikstilen zu greifen, aber das Beeindruckende an Helpers On The Other Side ist eben, dass diese exzentrische Band, die das Album mit einem heliumerhöhten Chipmunkgesang beendet, so rigoros vom einen aufs andere umschalten oder beides vermengen kann, und dabei nie so steif-gekünstelt wirkt wie 99% aller anderen die sich daran versuchen. Und natürlich einen Vokalisten von Format hat, der sich melodisch bis hysterisch voll ins Zeug legen kann wenn mal zwischen den Gitarren gerade nichts über die Bande gespielt wird.

[MP3] Triclops! - Until All The Threads Are Stripped

Platz 19
Dënver - Música, Gramática, Gimnastica

Wohl meine größte Entdeckung dieses Jahr war die Entwicklung der musikalischen Quasi-Parallelwelt des Hispanophonen, deren einzige Übereinstimmung mit dem Rest der Welt die Randphänomene El Guincho, Calle 13 und Delorean waren. Das große Thema dieses Jahr war dort aber Chile, das sich wie aus dem Nichts mit einer ganzen Handvoll herausragender Alben als neue Popmacht etablierte, eins davon eben dieses. Eine Ode an die Jugend, voller ungestümer Überhöhungen, Leichtsinnigkeiten, kräftigem Enthusiasmus und erster Zärtlichkeit, getaucht in ein sonniges Freudenspiel aus Gitarren-, Synth- und Disco-Pop.

[Video] Dënver - Lo Que Quieras
[Stream] Dënver - Música, Gramática, Gimnastica

Platz 18
Animal Collective & Danny Perez - ODDSAC

Stell dir vor Animal Collective veröffentlichen ein neues Werk und niemand kriegt's mit. Entweder scheint das Unglaubliche eingetreten zu sein, oder alle waren zu geizig um für die ODDSAC-DVD Geld zu bezahlen oder ich bin echt einer der wenigen, die an ACs visuellem Album Gefallen fanden. Es ist sicher das Unpoppigste was sie in letzter Zeit rausgebracht haben und am ehesten noch ein Strawberry/Feels-Zwischending mit viel Trommeltreiben, spukigen und manischen Gesängen, Noisegequartze, Freakouts und Drone-Zwischenpassagen und auch irgendwo Walgesängen. Mal episodisch-narrativ in traumartigen Sequenzen, mal reines Abstraktgeflicker sind Perez' Bewegtbilder, die aber immer dann am stärksten sind (und an Jodorowsky oder Matthew Barney erinnern), wenn sie erkennbar in der Musik reflektiert sind oder umgekehrt. Ein Seh- und Hörerlebnis auf jeden Fall, bei dem man wieder weiß warum dem Collective'schen Folk mal der "Freak" gepräfixt wurde.

[Video] Animal Collective & Danny Perez - Kindle Song

Platz 17
Courtney Love - Nobody's Daughter (Demos)

Und dann gab es noch dieses Album, das in dieser Form eigentlich keins ist, das es so auch gar nicht zu erwerben gibt, das aber trotzdem zu den besten des Jahres zählt. Eine von Hole-Fans zusammengestellte Sammlung von Demos und Bootlegs, die zum großen Teil für Holes nicht gutes neues Album kaputtproduziert wurden. Man vergleiche nur mal die Albumversion von Pacific Coast Highway mit der unten, der emotionale Fleetwood-Strandpop wird dort durch grausig verpitchte Stimmverdopplung verunstaltet und die Instrumente zu nuancenfreiem Radiorock aufgeblasen. Ohne diese Interferenzen haben die Songs hingegen eine rohe Intimität, Loves Stimme wirkt absurderweise tonsicherer als nachbearbeitet, ist mal süß, mal ätzend, stark und verletzlich, erinnert oft allein mit Stimme und Gitarre an Liz Phairs erste und Paul Westerbergs letzte. Bei der Version die ich habe (es gibt mehrere) sind die Songs meines Erachtens am besten arrangiert worden, der letzte Link den ich hatte ist leider mittlerweile futsch, es ist die mit 11 Tracks und Pacific Coast Highway am Anfang.

[Video] Courtney Love - Pacific Coast Highway (Demo)