Warum ist das neue Radiohead-Album so teuer?

Das war das erste was ich mich fragte. Spekulationen dass Radiohead ein neues Album im Alleingang und/oder vorab digital veröffentlichen würden gab es ja in den vergangenen Monaten genug dass ich davon dann nicht mehr besonders überrascht war, was mir allerdings ins Auge fiel ist der Preis der "physischen" Version von In Rainbows. Die gibt es als Doppel-CD und -Vinyl in einer Box mit Booklet und diversem Artwork, die zweite CD enthält noch Bonustracks und weiteres Artwork. Außerdem kann man das Album in digitalem Format vorab umsonst runterladen. Der Preis (inklusive Versandkosten)? 40 britische Pfund, das entspricht derzeit rund 58€. Ein ziemlich hoher Preis wenn ich mir zwei ähnliche Produkte ansehe:

Neon Bible von Arcade Fire kam in der "Deluxe-Version" in einer mit einem Hologramm versehenen Kiste auf einer CD ebenfalls mitsamt Booklet und verschiedenem Artwork, Kostenpunkt war beim Kauf 20€ statt 16 für die Standardausgabe.
Challengers von The New Pornographers beinhaltet in der "Executive Edition" neben einem Booklet in einem Pappschuber ganze 4 CDs samt Hüllen, Bonus-CD 1 enthält B-Seiten und Outtakes, die zweite ist gefüllt mit Liveaufnahmen und die dritte enthält Videos und Photos. Außerdem konnte man ab dem Zeitpunkt der Bestellung, über zwei Monate vor der offiziellen Veröfentlichung und Wochen bevor das Album "leakte", das Album so oft wie man wollte per Onlinestream vorab hören. Der Preis: 20$ statt der normalen 14, dank des miserablen Dollars bezahlte ich gerade mal 16€ dafür was etwa dem Neupreis des normalen Albums hierzulande entspricht.

Das Radiohead-Album kostet gut dreimal so viel wie diese beiden, an der Ausstattung allein wird es wohl nicht liegen denn die scheint nicht soviel luxuriöser. Selbst auf wenige 100 Stück limitierte Edelvinyls wie die mit denen sich als SunnO)))- oder Boris-Fan rumschlagen muss kosten selten so viel, warum also bewegt sich das Album in einer Preisklasse die man sonst höchstens von Japan-Importen gewöhnt ist?

Meine erste Vermutung ist dass es nicht bei diesen Deluxe-Ausgaben bleibt, ich glaube bis zu dem Erscheinen im Dezember oder spätestens Anfang des nächsten Jahres werden Radiohead einen Deal mit einem größeren Label bekannt geben dass das Album in einer einfachen 1-CD-Version in die paar Dutzend dann noch existierenden Plattenläden bringt. Es gibt bei einer derartig bekannten Band immer noch genug Leute die das Album gern zum Anfassen haben wollen aber entweder kein Internet oder keine Kreditkarte (die man zum Bestellen braucht) haben oder denen der Preis lächerlich hoch erscheint. In diesem Fall wäre das Album in seiner jetzigen Form eben die Deluxe-Version für Fans und Sammler.

Eine andere Möglichkeit wäre dass Radiohead sich nicht sonderlich hohe Einnahmen von den Downloads des Albums versprechen. Eigentlich sollten diese weitaus profitabler sein als wenn man den traditionellen Weg über Label und iTunes oder ähnliche Shops gewählt hätte da jeglicher Mittelmann entfällt und die Vervielfältigungskosten minimal sind, allerdings wissen Radiohead auch sehr gut dass es meist leichter ist ein Album illegal zu erwerben weswegen jeder Preis, egal wie niedrig, für irgendwen zu hoch wäre und haben es deswegen den Käufern frei gestellt sich den Betrag selbst auszusuchen. Ich glaube zwar dass ein genügend großer Teil gewillt ist soviel Geld zu spenden dass dabei ein ordentlicher Profit rumkommt, aber die Aufnahme eines Albums kann einiges kosten weswegen ich es verständlich fände wenn Radiohead sich nicht alleine auf Spenden verlassen wollten.

Edit: Ich hatte den Umfang des Pakets missverstanden, ist nun oben korrigiert. Allerdings ändert sich dadurch am für mich angemessenen Preis nicht sonderlich viel, CDs sind recht billig und ein Gratisdownload erst recht, dreimal für ein Album zu bezahlen ist einfach krass.

Update: Aha! The album, the band's seventh studio effort, will only be available exclusive through Radiohead.com for now, but Radiohead say they are current planning a "traditional CD release" of 'In Rainbows' for early next year.

Update 2: Perhaps unsurprisingly, given the obsessive nature of the fanbase, on the first day on sale it appeared more people had shelled out for the box set than had ordered the variably priced download.(!)

Thom (Gast) - 1. Okt, 13:24

Ich habe das so verstanden, dass sowohl vinyl als auch cd in dem Set sind.

Ich wurde jedenfalls beim bestellen nicht gefragt, ob ich vinyl oder Cd haben möchte.

Der Preis ist natürlich happig. Andererseits kriegt man auch ne Menge für sein Geld.

Ich verweise hiermit auf den doch etwas teureren Preis der Vinyl Edition von Sigur Ros.

Wunderschön und höllisch teuer..ach ja und limitiert auf 500 Stück :-)

uliuli - 1. Okt, 13:58

In der Tat ist da alles dabei, das war mir gar nicht in den Sinn gekommen. Und ich fände den Preis ja noch verständlicher wenn die Auflage limitiert wäre, aber so dürften die Stückzahlen hoch genug sein dass die Produktionskosten dadurch geringer werden (außer das Artwork ist auf Goldbarren eingeritzt oder sowas).
wiesengrund - 1. Okt, 13:52

warum es so teuer ist?

ganz einfach, weil es radiohead sind. vergleiche mit schnöseligen, erst seit den nullzigern herumkrebsenden nonames wie the arctic fire und new young pornographers club, die nie mehr als 17 platten pro woche verkauft haben, ziehen da einfach nicht.

und ja, für doppelvinyl, doppel-Cd, doppel-artwork UND gratis-download (wie ich es auch verstanden habe) sieht die sache dann schon anders aus. vor allem wenn man die gratis-mp3-option auch bedenkt.

also kurz: tuer ist scheiße, klar, aber überraschen tuts mich nciht besonders...

uliuli - 1. Okt, 14:12

Ich finde die Idee in dem Ausmaße für das Prestige zu zahlen etwas grausig. Als ob das bei Konzerten nicht schon reichen würde..
Rene (Gast) - 1. Okt, 13:59

eben. Nicht doppelCD oder Doppelvinyl, sondern beides. Teuer bleibts zwar immer noch, aber hey, its radiohead...

waldar - 1. Okt, 16:54

naja,

wie das update es ja schon andeutet: die produktion und der vertrieb liegen bei der band selbst. das sind natürlich gehörige mehrkosten. außerdem will die website-infrastruktur ja auch bezahlt werden, zusätzlich muss man irgendwie die mp3-downloadkosten kompensieren. erscheint mir sinnvoll, 57 euro für ein überzeugendes konzept. es ist ein wenig wie bei manufaktum: da kauft man auch ein, obwohl es die grillzange auch für weniger geld andernorts gibt.

uliuli - 1. Okt, 17:15

Aber du glaubt doch nicht echt dass die Kosten diesen Preis rechtfertigen, oder? Kleine DIY-Gruppen kriegen ihr Zeug auch zu halbwegs normalen Preisen vertrieben, ich sehe nicht warum die Kosten hier mehr als viermal so hoch sein sollten wie bei der Indie-CD die ich vor einer Woche aus den USA importiert habe.
waldar - 1. Okt, 17:30

ich denke

es ist etwas anderes, ob man diy-mäßig 200 cds verschickt, oder ob man weltweit (!) vinyl verschickt. da hängen steuern, zoll und frachtkosten dran, das sind wirklich ganz andere maßstäbe, wenn man kein label (und damit keinen vertrieb) hat.

es ist ja nunmal so: ein label gibt normalerweise den finanziellen vorschuss, d.h. geht für den künstler in vorleistung. gleichzeitig profitiert man von den strukturen des labels: kontakte, reputation, vertrieb der die platte in den handel bringt, besondere konditionen. das fällt weg.

zusätzlich ist es eine formatfrage: eine einzelne cd passt in einen kleinen umschlag. ein vinyl braucht einen karton. ein doppel-vinyl plus cds und gatefold braucht ggf einen größeren karton. dann muss auch die abwicklung bezahlt werden. das werden sicherlich nicht radiohead selbst im hinterzimmer machen, sondern ein finanzdienstleister, der die zahlung abwickelt, vorbestellungen an ein lager - da sind wir schon beim nächsten punkt - weitergibt, rechnungen ausstellt, "support" leistet. dann hat man zwei presswerke mit drei verschiedenen formaten: vinylm, audio-cd und daten-cd. irgendwer wird sicherlich das artwork gestaltet haben, das muss nicht unbedingt die band selbst gewesen sein.

außerdem kostenfaktoren: studio (!), produzent, techniker, mischer.

was ja zudem wegfällt: promotion. der gedanke, dass sich heute alles über das internet vermarkten lässt ist natürlich blödsinn. es ist weiterhin nur ein tool unter vielen, diese meinung muss ich entgegen meiner von vor vier jahren sagen. somit fehlt bei vielen medien die vorberichterstattung/die besprechung. man ist als "kunde" also recht alleine: soll man die platte kaufen, ohne die musik gehört zu haben? das wäre übrigens ein anderer streitbarer punkt.

der vorteil an der ganzen sache ist die kalkulierungsmöglichkeiten. bis heute abend werden die ersten tausend vorbestellungen (so auch meine) vorliegen, ab morgen sind es einige tausend mehr, das wird sich bis zum rollout summieren.

das nächste und abschließende ist die frage, ob der künstler nicht den preis selbst bestimmen sollte. ich glaube, dass der discount-weg der falsche ist. wenn eine diy-band die platte nur als marketing-tool für eine tour ansieht, dann ist das meinerseits cool und okay. aber das heißt noch lange nicht, dass ich es als künstler genauso machen würde. ich würde mich wohl eher immer für ein aufwändiges produkt, für ein konzept, für eine limitierung und auch eine dementsprechende preisliche gestaltung entscheiden. das ist bei allen luxusprodukten so, warum sollte es bei musik anders sein? oder bezweifelt irgendwer, dass man einen sportwagen nicht vielleicht auch günstiger produzieren bzw. positionieren könnte?
wiesengrund - 1. Okt, 18:18

ich stimme überall zu, außer beim punkt, dass die wegfallende promotion den kunden allein lässt. weil, auch wenn das netz nur eines von vielen instrumenten ist, ist es eins. und die möglichkeit, das album legal und gratis von radiohead selbst zu erhalten, gibt mir als kunden ne deutliche bessere meinungs- und kaufentscheidungsbildungsmöglichkeit (!?) als jedes interview, jede rezension und jedes video. das ist schon clever gemacht, so.
waldar - 1. Okt, 18:35

neinnein,

so war's ja nun auch wieder nicht gemient. du weißt doch sicher gut, wie rum ich das meine: in neun tagen wird es nirgends einen albumstream geben, wird es keine promo-mp3s geben, wird es keine (oder nur wenige) "reviews" geben. es gibt aber einen download, für den man zahlt (gibt es eine untergrenze? komplett gratis? wer weiß....) und es gibt eine konkrete vorbestellung. und da ist es doch etwas merkwürdig, dass man blind (taub?) kauft, ohne vorher eine meinung zu haben.

das andere problem ist denke ich dies, dass eben nicht alle im netz so unterwegs sind, wie man das selbst wahrnimmt. ein großteil meines freundeskreises (young urban deciders, opinion-leaders, geeks & more) liest keine blogs, kein pitchfork, kein intro.de, kein spex.de, hört keine albumstreams, zieht keine mp3s. viele lesen magazine oder feuilletons, was mich immer wieder erschrickt bzw. wenigstens wundert, was mir aber auch zeigt, dass viele sich eben immer noch bzw sogar verstärkt wieder über print informieren. all das fällt teilweise weg. ist sicherlich auch schwierig fürs weihnachtsgeschäft, womit wir schon wieder bei einem argument bzgl des verkaufspreises sind...
uliuli - 1. Okt, 18:47

Ich finde das sehr aufregend dieses Jahr, zwischen Radiohead, New Pornographers, Stars (weiß man eigentlich mittlerweile wie das verlaufen ist? Hab nur Positives von jenseits des Atlantiks vernommen) werden zahlreiche Modelle ausprobiert wie man nicht nur Leaks schlagen kann sondern auch heutzutage noch versucht aus der physischen Veröffentlichung etwas Besonderes zu machen.

Zu "soll man die Platte kaufen ohne die Musik gehört zu haben" sag ich meistens Nein, es werden auch weiterhin mehr und mehr neue Alben zum Reinhören online gestellt. Thrill Jockey z.B. scheint das jetzt bei allen seinen Veröffentlichungen zu machen (siehe oben die Furnaces), auch Alien8recordings. Realistisch gesehen greift der Hörer halt heutzutage ohne Onlinestream für die Kaufentscheidung meist nicht zum Fachmagazinartikel sondern zu Rapidshare, dazu muss man m.E. als Label eine Alternative bieten wie es jetzt Radiohead gemacht haben. Allerdings mache ich für ein paar Bands wie Sunset Rubdown auch Ausnahmen, die kaufe ich wirklich blind weil die bei mir Kredit aufgebaut haben, aus dem gleichen Grund schlagen auch Leute jetzt schon bei Radiohead zu ohne die Platte gehört zu haben.
wiesengrund - 1. Okt, 19:16

@waldar: wer weiß? ich weiß: untergrenze ist 0. darauf sollte uns das mehrfache "it's up to you" hinweisen. ich hab nicht mal ne kreditkarte angeben müssen, weil ich das mp3-paket um 0 bestellt habe. ein free leak seitens der bands. das meine ich mit "nicht taub". und ehrlich gesagt, wenn die printmagazine, die das prinzipiell interessieren würde, diese aktion nicht in irgeneiner art und weise erwähnen, nur weil es keine vorab-materialität gab, dann sind die printmagazine einfach bescheuert. gelinde gesagt, oder?

also anders gesagt: in neun tagen wird es "nur" vorab-mp3s geben. und millionen "ich mags", "ich mags nicht"-post, und ein paar lesenswerte vielleicht darunter. die von dir beschrieben "wegfallenden" sachen sind allesamt online-zentriert, und eben da wird eh (so wie heute) die hölle los sein. zu den dann eventuell nicht mitmachenden printmagazinen: siehe oben.
waldar - 1. Okt, 20:37

oh, das war mir neu,

das mit dem gratisversand. das mit dem "taub" nehme ich also mal etwas zurück.

es ging mir auch um was anderes: ich bekomme ja so langsam mit, wie der vorlauf für sowas gedrucktes aussieht. natürlich geht das online auch, was aber trotzdem die frage aufwirft, wann radiohead zu sprechen sind. weil: seit heute dürfte sie jeder - sofort - sprechen wollen. und ich glaube schon, dass ein interview die mindestvorraussetzung für eine ernsthafte auseinandersetzung mit etwas derart bahnbrechendem ist, innit?!

außerdem: wer hat erstens was von weglassen gesagt, nur weil man vielleicht kein promo bekommt? hier in der redaktion haben heute direkt das produkt bestellt, und das ja sicherlich nicht nur, um das dann im dezember ins regal zu stellen.
ich sagte nur, dass es mich selbst wundert, wieviele leute offline zu sein scheinen. es wäre ja umgekehrt super, wenn mehr online stattfünde. aus eigener erfahrung muss ich aber sagen: nicht jeder lässt sein leben derzeit vom netzschlag bestimmen. meine erfahrung ist eben die, das ein großer Teil im Plattenladen shoppt.

außerdem: es ist jetzt schon spät, ich muss mal das privatleben einschalten...
wiesengrund - 2. Okt, 12:20

das heft, für das du schreibst, hat es geschafft schon das letzte radiohead-album als bahnbrechend hinzustellen, ohne ein interview gehabt zu haben. sind alte journalistische prinzipien wirklich das, mit was man dem hier gebotenen entgegenkommen sollte?

ich weiß es wirklich nicht.

und zu der offline-welt der plattenladen-shopper: das hat die neueste info ja eh erledigt.
waldar - 2. Okt, 17:11

aber

das ist doch auch kein argument: wenn es eben etwas derart bahnbrechend neues ist (was es scheinbar ist) dann denke ich schon, dass man einen künstler zu den motiven befragen sollte. jedenfalls wenn man eine platte in einen größeren kontext stellen will. und ja: gerade in dem fall, nach zehn jahren, nach der wahl eines neuen vertriebsweges, nach einem solo-album, nach so vielen weichenstellungen, ist es geradezu notwendig, darüber en detail zu sprechen. ich denke: erst einmal anhören, diese musik, und dann entscheiden, ob es derartig bahnbrechend/neu/alt/verlässlich/gut/schlecht/interessant/verwirrend/etc ist, wie es momentan gehandelt wird.

ich denke, das ist eher das journalistische prinzip...