Stream: Dan Deacon - America

Wer seinem Album so einen gewichtigen Titel verleiht, wird das vermutlich nicht mit gewichtsloser Musik füllen. Erst recht nicht, wenn man ein dermaßen konzeptbewusstes Kunstverständnis hat wie Dan Deacon, der mit seinen extremisierten Pop-Überlagerungen oder Videos dabei alles andere als humorlos agiert. Wieviel Tiefgang das heute erschienene America, dessen zweite Hälfte eine vierteilige Suite mit gleichem Obertitel ist, besitzt, ist ohne gedruckten Text wahrscheinlich schwer zu erfassen, gleißend bunt überdrehte Syntheskapaden sollten aber garantiert sein.

[Stream] Dan Deacon - America

KARA - Pandora

Slap-Bass, hell sprenkelnde und röhrend-knarzige Synths, klar beschwingte und breitbeinig verzerrte E-Gitarre, Blechbläser, mehrere durch die Lüfte schwingende Streicherformationen, Plinker-Piano, satt schmatzende Klatscher - Sweetune folgen einmal mehr ihrem "Zuviel gibt es nicht"-Komponiermantra, dass man schon ohne KARAs Vocals Mühe hat, dem wilden Spiel von Weichem und Hartem zu folgen. Und da eine Standard-Electropop-Nummer im sturen Beat das auch etwas leichter machen könnte, ist Pandora so ein überdreht galoppsynkopierter Genrestilmasch aus - ja, was? Swing, Dancerock, Showtune, Electrokloppe? Trance-Wiederaufbau nach dem Rap-Part über der dramatischsten Geigenekstase seit Sixth Sense natürlich inklusive, alles in einem kontinuierlichen Rasant-Tempo, das keine Atempause zulässt? Je näher man hinhört, umso wahnsinniger erscheint das Ganze - was war nochmal normaler Pop?

[Video] KARA - Pandora

Twigs - Ache

Was ist der Reiz der detailarmen Selbstpräsentation? Von Twigs selbst ist im Video zu Ache nichts zu sehen, selbst das eine oder andere stylische Foto ist nicht direkt auf ihrem Tumblr. So weit, so zahlreich die Video-Embeds, die von Adjektiven wie "geheimnisvoll" begleitet sind.

Aber würde es diesen Song weniger interessant machen, wenn man mit kurzem Googeln herausfände, wie die Sängerin dahinter aussieht? Dass sie in London residiert? Dass sich unter ihren bisherigen Aliasen Spuren einer Modelkarriere inklusive Alter etc. finden, dass sie in Videos u.a. für Jessie J zu sehen war und so "Teil" der "Musikindustrie" ist, sich eine Weile als Loungeclub-Sängerin betätigte und 2010 schon an einem Album arbeitete, von dem sich ältere Aufnahmen u.a. auf einem entsorgten Myspace-Profil finden, dass ihr auf ihrem mittlerweile zweiten Twitter-Account ein R&A eines Major Labels folgt, was auf eine Zusammenarbeit hindeuten könnte ...

Macht solch typisches biographisches Detail Ache auch nur ein Stück weniger mitreißend in seiner herrlichen Umhauchtheit und vokal erstreckten, gen Ende sanft eskalierenden Sehnsucht, wenn man weiß, dass es nun nicht aus dem Nirgendwo entstanden, sondern vielleicht das Ergebnis eines langen, bemühten Arbeitsprozesses ist? Ist es sinnvoll, dem Gehemnisvollen eine besondere Qualität zuzuschreiben, wenn es doch nur der eigenen Unkenntnis entwächst?

[Video] Twigs - Ache

Dirty Projectors Live

Zweifellos ist Swing Lo Magellan ein fabelhaftes Album, bin nur noch am Überlegen, ob ich mit dem Kauf nicht noch warten soll, falls wie beim letzten Mal wenige Monate später die Deluxe-Version mit Bonus-Songs rauskommt. Bis dahin hab ich auf jeden Fall mal mit dieser Liveaufnahme meine Freude, auf der Dirty Projectors sich in ihren leichtfüßigen neuen Songs wie im Auftritt erfreulich locker zeigen - was auch das Publikum reflektiert, welches die "the crowd will yell"-Stelle in Gun has No Trigger mitschreiend belebt.

Dirty Projectors live in Washington 17.08.2012