Stream: Permanent Vacation - Selected Label Works 3

Gerade bei Labels, die viel Kurzformatiges auf Vinyl veröffentlichen, fällt es mir schwer das ganze Jahr über alle Highlights mitzuhalten. Und so freut es mich dann immer, wenn ein Label wie Permanent Vacation einem diese Arbeit abnimmt und verlässlich zum Jahresende einen Überblick seines Outputs in Form einer Compilation gibt. Nicht nur in Deutschland sind die Münchner die erste Adresse für House- und Disco-Pop, sondern wie ein Blick auf die diesjährige Kollektion zeigt eine, die getrost in einem Atemzug mit derzeitigen Größen wie DFA oder Future Times genannt werden kann. So geben sich u.a. Azari & III, Midnight Magic, Wolfram, Holy Ghost!, Bostro Pesopeo und Pional (letztere beiden haben übrigens abseits davon gerade eine kollaborative EP auf PermVac rausgebracht) die Ehre auf dem gerade erschienenen Selected Label Works 3, bei dem ich ohne groß rumzudenken getrost zugreifen werde.

[Stream] Selected Label Works 3

T-ara - Cry Cry

T-ara sind recht kurios. Von allen erfolgsmäßig großen koreanischen Gruppen - soweit ich das als Gelegenheitsinteressierter erfassen kann zumindest - sind sie die untalentierteste. Wo andere Formationen ihre Gesangs-, Rap- und Bewegungsdefizite meist ausgleichen, indem sie mindestens ein Mitglied haben das auf eines dieser Felder spezialisiert ist, sind T-ara in jeder Hinsicht ziemlich mäßig. Mäßig im Singen, noch mäßiger im Tanzen und die Rap-Parts gehören mit zum grauenvollsten Engrish-Gebrabbel, das je fabriziert wurde. Oh, und ihr kreativer Entscheider kam in der Vergangenheit mit solchen Kostümkonzepten an.

Und dennoch zählen sie zur Zeit zu den Besten, haben nicht zuletzt dank ihrer Zusammenarbeit mit Shinsadong Tiger nun eine Handvoll der tollsten K-Pop-Singles der letzten Jahre beisammen, was sich auch in Cry Cry fortsetzt. Stimmungsmäßig und tonal eine Ballade, aber in eine tanzbare R&B-Produktion gebettet, die ein gutes Stück an Max Martins Sachen zum Jahrtausendbeginn erinnert und dem noch einen Flamenco-Breakdown obendrauf setzt. Unerwartete Kombination, aber wie das so oft momentan in Südkorea der Fall ist frisch und erfreulich, und im Videobereich gibt's diesmal nichts hirnerweichend Behämmertes - im Gegenteil, der komplette Clip ist ein richtig teuer aussehender Kurzfilm, der in beinhartem koreanischem Gangster-Stil gehalten ist - Stichwort Eisenstangenschläge.

[Video] T-ara - Cry Cry

Stream: La Dispute - Wildlife

Ess ist schon ein sehr gutes Punk/Hardcore-Jahr, wenn mich alte Favoriten enttäuschen, die Hälfte der leit- und sonstwiemedial Vielgelobten "nur" recht gut erscheinen und sich immer noch eine Handvoll schier überragender Platten finden lässt. Da gehört das morgen nicht mehr nur als Visions-Beilage erhätliche Wildlife von La Dispute dazu, eine ausladend weite Reise durchs wirtschafts- und sozialdepressive Amerika in herrlich trockenem Post-Hardcore-Sound, mit dem's mich ein gutes Stück an eine weniger poppige Fassung von Thursdays Full Collapse und andere ungemütliche Glanzstücke aus dieser Screamo-Ära erinnert. Mit dem Hauptunterschied, dass es hier keinen melodisch-raukehligen Doppelgesang gibt, sondern nur die eine, endlos verbose Stimme des Sängers Jordan Dreyer.

[Stream] La Dispute - Wildlife

Factory Floor / Container

Es ist gewiss nicht das erste Mal, dass sich Noise und Tanz einander annähern - man denke nur an die Transformation von Troubleman Unlimited in Italians Do It Better zurück oder an die nicht allzu fernen Anfänge von DFA, wo Disco-Revivalisten Seite an Seite mit Black Dice und Gavin Russom aufspielten. Während bei 100% Silk - typisch für das nicht immer die beste Qualitätskontrolle beweisende Mutterlabel Not Not Fun - eine 12" voll Lo-Fi-House nach der anderen rausgehauen wird (zu deren Highlights die Soloprojekte beider Mi-Ami-Mitglieder als Ital und Magic Touch gehören), ist eine der interessantesten Gruppen nun erneut bei DFA gelandet.

Dabei fingen Factory Floor mit ihrem industriellen, besonders live allen Aussagen nach zum physisch imposanten Lärmgewitter anwachsenden Sound eher in krautigen Gefilden an - wie The Horrors in gut quasi. So richtig interessant wurden sie dann ungefähr, als sie 2009 mit Nik Void alias Ex-KaitO-Sängerin Nikki Colk zum Trio anwuchsen, die gestern erschienene Single Two Different Ways ist nach R E A L L O V E schon die zweite in diesem Jahr, die frostig texturiert mit jeder Beatrepetition die Intensitätsspirale enger schraubt.

[Stream] - Two Different Ways / Second Way
[Stream] - R E A L L O V E

Das erste Album des schon länger in (Post-)Noise-Kreisen verkehrenden Ren Schofield mit seinem neuen Projekt Container hatte ich anfangs für eine typische Ambient/Synthdrone-Veröffentlichung auf dem von Emeralds-Drittel ausgewählten Mego-Unterlabel Spectrum Spools gehalten, von denen mich bislang noch keine so richtig umgehauen hatte, und daher das Anhören erstmal aufgeschoben. Wohl ein Fehler, denn das mittlerweile nur noch in Plattenläden-Restbeständen verfügbare Container haust in ähnlich noisedurchzogenen 4x4-Gefilden wie das britische Trio und rüttelt mitunter ordentlich am Knochenmark, umreißt dabei aber auch genug klare Konturen, damit nicht alles ineinander zur Wirkungslosigkeit zusammenläuft.

[Stream] Container - Protrusion
[Stream] Container - Dissolve
[Albumstream] Container - Container

Nachtrag: Gerade erst entdeckt: Das Blog Mnml Ssgs hat fast zeitgleich zu obigem Eintrag diesen Text online gestellt, der sich überwiegend mit dem Noise->Dance-Phänomen beschäftigt. Sehr lesenswert, auch wenn mir "Post-Techno" etwas zu einengend erscheint.