Veronica Falls

Ich bin wohl der Einzige, der Best Coast wegen der absurden Auto-Tune-Verwendung unhörbar findet. Dabei hab ich prinzipiell wenig dagegen, so lange nicht z.B. die Tonsprünge bei Boyfriend oder vor allem Our Deal dermaßen robotisch verwässert klingen, dass es mich immer wieder aus der Musik raus reißt. Veronica Falls hingegen polieren ihren Gesang im Studio maßvoll, so dass er nicht schräg abrutscht wie das dem Indiepop-Quartett mitunter live geschieht.

Wobei das Daneben bei dieser Band an anderer Stelle der Schlüssel zur Brillanz ist: Das Crystal-Stilts-ige Beachy Head zögert den großen Harmonierefrain ebenso hinaus wie die Nachfolgesingle Found Love In A Graveyard; dort glaubt man gar zunächst einen ziemlich regenwettrig-mittelmäßigen Song zu hören, bis der zweite, nicht titelgebende Refrain nach 80 verzaubernd einsetzt. Das bisherige, ebenfalls auf dem Ende Oktober erscheinenden Debütalbum zu findende Prunkstück ist aber Come On Over. Nicht minder clever täuscht es eine müde Jangle-Ballade an, nur um im Folgenden Fahrt aufzunehmen und als finale Variation ins himmlische Falsett hochzusteigen.

[Stream/MP3] Veronica Falls - Come On Over
[MP3] Veronica Falls - Found Love In A Graveyard
[Stream] Veronica Falls - Beachy Head

Video: Portugal - Nuestro Momento



Dass ich hier schon länger keine Videohitliste an der Qualität des Bildmaterials gemessen erstelle, sondern sie lediglich als randomisierten Aufhänger zur Betextung guter Musik nutze, dürfte mitunter aufgefallen sein. Für diesen Clip soll es aber eine Ausnahme geben, denn der Ton dazu ist mir völlig egal. Die Bilder sind fast tagesaktuell und stammen von den StudentInnenprotesten in Chile am vergangenen Wochenende, die nicht nur in ihrer Motivation einen völlig anderen Charakter haben als das derzeitige Geschehen in England.

Es ist schon bemerkenswert, wie sehr man sich in geographisch entfernten Geschehnissen involviert fühlen kann, wenn man über das Internet mit Bekannten vor Ort in Nahezu-Echtzeit kommunizieren kann. Ich habe damals die Nacht des 11. Septembers über mit New YorkerInnen noch in einem altmodischen Forum getextet, und auch wenn die Ereignisse um einiges zerstörerischer waren als die Brände in England: Letztere bekommen doch eine viel eindringlichere Dimension, wenn innerhalb von 15 Minuten 5 Bekannte auf Twitter schreiben, dass sie Angst haben weil vor ihrem Haus ein Mob vorbeizieht. Auch in Sachen Musik wurden die Folgen heute nur allzu deutlich, da durch den Brand eines Lagerhauses nun ein Haufen großartiger Indie-Labels existenzgefährdet ist. Vor allem die kleinen, britischen darunter wie Angular, die einen Großteil oder ihren Gesamtvorrat dort lagerten, werden nun monatelang nichts zu verkaufen oder gar nicht mehr die Finanzen haben. um überhaupt nochmal Nachschub herzustellen. Für die Dominos und XLs dieser Welt ist es "bloß" ein schwerer Schlag, wer durch Downloadkäufe die Labels & Bands oder durch Plattenkäufe die nicht zu vergessenden Plattenläden für die anstehenden Verluste kompensieren will, sollte also hier vielleicht priorisieren.

Aber zurück nach Chile, wo bemerkenswerterweise inmitten der zum Teil in Polizeigewalt ausartenden Bildungsproteste dieses Video realisiert wurde. Spätestens durch das Pärchen, das mitten durch das Geschehen wandelt, erhält die Atmosphäre einen hoffnungsvollen, fast schon sorglosen Schub, so dass man sich auch ohne drumherum brennende Autos an das ikonische Foto der (allerdings gänzlich unpolitisch motivierten) Vancouver-Unruhen erinnert fühlt.

[Video] Portugal - Nuestro Momento

Neues Von M83

Nachdem Anthony Gonzalez mit Saturdays = Youth nicht unbedingt sein bestes - da kann es sich mit seinen exzellenten beiden Vorgängern (die Ambientgeschichte mal ausgeklammert) drum kloppen, aber sicherlich das song-poppigste M83-Album geschaffen hatte, fielen seine anschließenden Beiträge zum Black Heaven nicht gerade inspiriert aus. Doch entgegen jeder Befürchtung, er könnte auf der Stelle treten, hat er seinen Sound von den 80ern in die Zukunft gerichtet: Sowohl der Vangelis-tastische Trailer als auch das erste Vorabstück Midnight City fallen so breitbildformatig aus, dass er mit dem am 14.10. kommenden Hurry Up, We're Dreaming durchaus diesmal auch ein Doppelalbum erfolgreich füllen könnte.

Wohlgemerkt nicht das erste Mal, dass es M83 dieses Jahr in hypersynthigem Bombast zu hören gab: Immer noch einer meiner Lieblingsremixe 2011 beinhaltet das scheinbar nervige, aber nach zweimaligem Hören unwiderstehliche Cyborgfalsett, das über einen aufgenoiseten Daft-Punk-Tron-Track gezaubert wurde.

[Stream] Daft Punk - Fall (M83 Vs Big Black Delta Remix)
[MP3] M83 - Midnight City

Video: Dominik Eulberg - Aeronaut



Dominik Eulbergs wunderbares Diorama bewundere ich mehr und mehr als Naturporträt, das über sein thematisches Konzept der 11 darauf bespielten Waldwunder hinein in die Kompositionen selbst reicht. Vor allem als Gegensatz - oder Alternativentwurf - zu musikalischer Landschaftsmalerei mit breitem Pinselstrich: Eulberg brilliert vielmehr darin, einen Mikrokosmos aus Tonelementen zu versammeln, die alle ihren eigenen Charakter und gar eine eigene Dynamik zu haben scheinen. In unterschiedlichem Tempo und Bewegungsmuster springen sie, kriechen, schwingen oder pulsieren starr auf der Stelle, letztendlich kommen sie aber als harmonisch interagierendes Ökosystem zusammen - zum musikalischen Wohlklang.

[Video] Dominik Eulberg - Aeronaut