Konzert: c/o Pop Tag 1 - Tiny Vipers



Die Popkomm ist tot, es lebe die c/o pop? Zumindest für dieses Jahr war dies im Vorfeld die Parole um die ganze Aufmerksamkeit der Musikkonferenzlandschaft an den Rhein zu lenken, als Ersteindruck kriegten die Besucher allerdings erst mal pünktlich zur Eröffnung einen Regen der hoffentlich den klimatischen Tiefpunkt der Woche darstellen wird. Ein minderer Autor als ich würde jetzt die Wetterlage als billige Allegorie heranziehen, zum Beispiel um irgendwas über die Verfassung der Industrie, die in den nachmittäglichen Veranstaltungen diskutiert wird, zu konstatieren, aber man könnte auch einfach sagen dass das Wetter eben manchmal scheiße ist. Genau wie das Kölner Konzertpublikum.

Eine prägende, frühe Erfahrung war für mich in dieser Hinsicht der Vorprogramm-Auftritt einer Folksängerin die dermaßen von den versammelten Massen niedergequasselt wurde dass sie, auch nachdem sie noch explizit um etwas Ruhe gebeten hatte, für den Rest der Anwesenden kaum hörbar blieb und den Auftritt mit Tränen in den Augen beendete. Und obwohl es danach nie wieder so schlimm wurde gibt es immer wieder Abende an denen selbst beim Hauptauftritt ein Großteil der Anwesenden die Musik lediglich als Ambiente für angeregte Unterhaltungen über Wetter, Cousine Britts Geburtstag und diesen tollen neuen Schuhladen in Ehrenfeld betrachtet. Gewiss alles dringendwichtige Themen, wäre nur schön wenn die irgendwo zur Sprache gebracht werden könnten wo sie diejenigen, die für ein Konzert gekommen sind, nicht stören.

Und hier kommt nun der Grund warum ich das King Georg mag. Im Club am Ebertplatz besteht eine recht ungewöhnliche Anordnung der Anwesenden, hier ist das Publikum in einem Dreiviertelkreis um den Künstler herum versammelt und selbst wenn nicht wie gestern vorher explizit darum gebeten wird bleibt es während der Konzerte angenehm still, schließlich kann man hier nicht anonym in der Menge untertauchen, dank der Beleuchtung kann jeder jedem ins Gesicht sehen und zur Not missbilligend auf die Schulter tippen. Doch wie gesagt gibt es dazu keinen Anlass beim ersten Konzert der c/o pop, als Jesy Fortino alias Tiny Vipers die zentimeterhohe Bühne betritt sind die Sitzränge sowie der gesamte Boden dazwischen voll mit sitzend lauschenden Schweigern.

Obwohl sich zwei Pedale zwischen Lautsprecher und ihrem Sechssaiter befinden wird dessen natürlicher Klang kaum verzerrt, am auffälligsten noch zum Akzentuieren einzelner Basstöne. Ansonsten hat ihre Musik live ohne zusätzliche Stimmen oder sanfte Drones leider weniger von der nebligen Aura die sie auf Platte umgibt, man fühlt dieses atmosphärische Mehr eher als dass man es wirklich hört, dafür wird sie umso mehr von Fortinos Stimme bestimmt. Die muss den Hörer an der Hand nehmen, denn besonders im gut zehnminütigen Titelstück des neuen Albums Life On Earth werden ihre wenig in traditionell repetitive Strukturen gepferchten Stücke zu einer Reise durch Fortinos Gedankenwelt die auf Dauer eintönig zu werden droht.

Aber da verkündet sie schon "This is my last song", genau so knapp und scheu wie den Rest des Abends den sie nahezu ausschließlich mit gesenkten Augenlidern verbringt. Eine Zugabe gibt es allerdings noch, nahezu im Handumdrehen, denn ein eleganter Ab- und wieder Aufgang scheint bei diesem Hindernislauf über den besetzten Boden schwer durchführbar. Danach ist sie allerdings trotzdem ganz schnell weg, so still wie der Rest dieses gemütlichen ersten c/o pop-Abends verlief. Morgen wird's aber sicher lauter, vielleicht sonniger, und ich verspreche auch frei von seitenlanger Publikumsdiffamierung.

Stream: Pissed Jeans - King Of Jeans

Auf ihrem zweiten Album, dem ersten auf Sub Pop, glänzten Pissed Jeans vor zwei Jahren mit absurd banalen Gedankenergüssen über kontrastiert aggressivem Gewalze das Erinnerungen an Flipper oder The Jesus Lizard weckte. Der Hope For Men-Nachfolger legt musikalisch an Tempo und Energie wieder zu, auch Sänger Matt Korvette wurde anscheinend etwas unterm Hintern entzündet das ihn zum Sloganröhren ermuntert hat. Bevor es nächste Woche erscheint kann man King Of Jeans bereits komplett anhören:

[Stream] Pissed Jeans - King Of Jeans

The Thermals Kommen

Nachdem sich Grizzly Bear und HEALTH mittlerweile schon angekündigt haben waren The Thermals der einzige verbliebene Grund, sich diese Woche fürs Haldern statt die c/o pop zu entscheiden. Aber eben hat Pascal bei Auf Touren die frohe Kunde gebracht, im Oktober wird's auch in deutschen Clubs wieder munterst zugehen. Zwar kommen die Portlander diesmal nicht direkt nach Köln, der Bochum-Auftritt liegt aber mit einem Freitags-Termin so dass die An- und Abreise hier ausnahmsweise mal kein Problem darstellen werden.

21.10.2009 Feierwerk, München
22.10.2009 Alte Feuerwache, Mannheim
23.10.2009 Bahnhof Langendreer, Bochum
24.10.2009 Random Play Festival, Hannover
26.10.2009 Lido, Berlin
27.10.2009 Knust, Hamburg

Stream: Jay Reatard - Watch Me Fall

Und prompt nimmt die Woche an Fahrt auf. Seitdem Jay Reatard mit seinem ersten Solowerk Blood Visions ein meisterliches Popalbum im Punkgewand schuf sind schon bald drei Jahre vergangen, auf seinen seitdem erschienenen, auf zwei Compilations versammelten Singles konnte man wunderbar die zunehmende Raffinierung seiner Produktionen und die Hervorkehrung ihres Popappeals mitverfolgen. Nun sind wir also beim neuen Album Watch Me Fall angekommen das diesen Freitag erscheint, der Mann ist zwar mittlerweile auf der Liste von Musikern gelandet ist deren Werke ich ungehört kaufe, alle anderen dürfte dieser Link aber sicherlich interessieren:

[Stream] Jay Reatard - Watch Me Fall

Deerhoof Bei Daytrotter

Eine Daytrotter-Session von Deerhoof ist doch schon mal ein guter Start in die Woche. Wobei deren Entstehung Produkt eines kleinen Missverständnisses ist, die Band hatte nämlich of Montreals Daytrotter- mit deren Interface-Session konflätiert und in Erwartung einer Video-Akustiksession drei Stücke allein für unverstärkte Saiteninstrumente arrangiert. Doch auch ohne die erwarteten Kameras zogen die vier ihren schlagzeuglosen Plan durch, das Resultat sind ungewöhnlich ruhige Versionen von Buck & Judy, Chatterboxes und Fresh Born:

Deerhoof Bei Daytrotter