Sally Shapiro



Au weia. Die Heizung versagt periodisch, eine Erkältung ist im Anflug und der Vollmond droht schon beige-weiß durchs Fenster scheinend eine weitere Nacht mit wenig Schlaf an - keine angenehme Aussicht. Da heißt es Musik zum Aufmuntern ausgraben. Wie gut dass es mir daran gerade nicht mangelt, besonders Sally Shapiro hat es mir echt angetan. Zunächst war ich doch sehr abgeschreckt von den Duff-Dasch-Beats die böse Flashbacks an Zivizeit und 8 Stunden Schlager auf WDR 4 pro Tag hervorriefen, aber schafft man es einmal darüber hinwegzuhören bezaubern die warmen synthetischen Klänge von Johan Agebjörn und der schüchterne Gesang von Sally Shapiro die für die tollen Melodien auf Disco Romance zuständig sind. Dort wird der Liebe zwar überwiegend Traurigkeit abgewonnen, trotzdem eine Platte in die man sich verlieben muss und die durch unangenehme Winternächte zu kommen hilft. Mein großer Überraschungsfavorit derzeit.

[MP3] Sally Shapiro - He Keeps Me Alive
[MP3] Sally Shapiro - I'll Be By Your Side
[Video] Sally Shapiro - Jackie Jackie (Spend This Winter With Me)

Sally Shapiro Myspace

Konzert: Envy



Man sollte ja meinen dass am Abend an dem Die Ärzte in Köln eine große Jubiläumsgala geben eine Hardcoreband aus dem fernen Japan noch zur geringsten Konkurrenz zählen würde. Doch die Treue und Menge von Envys Fans sind groß, und so ist das Gebäude 9 proppevoll da Tickets restlos ausverkauft sind. Aus weit entfernt sind manche angereist, man hört Französisch und Schwedisch und vielerlei Englisch mit nichtdeutschem Akzent. Wo man hinsieht Hardcore-Tshirts und -Sweater, Hardcorekäppis und Hardcorehaarschnitte (gerade anscheinend angesagt bei den Damen: gelbblonde Zöpfe). Aber keine reine Szeneveranstaltung, denn auch wenn Envy gut holzen so ist weniger ein Abend für Moshpits als für andächtiges Zuhören.

Weghören wäre auch kaum möglich, denn da ihre Landsmänner Mono dieses mal nicht nach Köln kommen gebührt Envy der Titel "Lautestes Konzert des Jahres". Schon als die fünf loslegen gibt's ordentlich was aufs Trommelfell, doch dann wendet sich Tetsuya Fukagawa vom Mikrophon ab und dem mit Elektronik belegten Tisch hinter seinem Rücken zu, der Song tritt richtig in Aktion und es geht laut -> OhmeinGottwhatthefuckaahistdasgeil. In diesem Orkan treiben Bassist und beide Gitarristen die keinen Anschlag verfehlen während sie zucken und sich wiegen, besonders der rechte Gitarrist geht irre ab und ich bin absolut fasziniert von seinem Haar das einen eigenen Tanz aufzuführen scheint.

Envys Texte als nicht besonders fröhlich zu charakterisieren wäre noch untertrieben, in den sowohl auf Japanisch als auch Englisch geschriebenen Booklets findet sich ein überwältigendes Spektrum von negativen Emotionen wieder. Fukagawas gepeinigt heisere Stimme ist dabei ein ideales Vehikel um die dunkle Seite der Gefühlswelt zu transportieren, auch wenn er stellenweise singt ist es nur eine Frage bis es zum nächsten gutturalen Ausbruch kommt. Trotzdem gibt es dem Zuhörer ein wahres Glücksgefühl an dieser Trauer teilzuhaben, besonders die neueren Stücke wie Scene sind von schönen sphärischen Synthklängen durchzogen die einen bei dieser Lautstärke nur noch eindringlicher durchfluten. Von der innerlich und äußerlich erwärmten Menge strömt dafür Dankbarkeit nach vorne, und nach einer Zugabe verlassen Envy mit einem Lächeln auf den Lippen die Bühne.

Auf der Rückfahrt steigen auch Besucher des soeben beendeten Ärzte-Konzertes in die Bahn. Fröhlicher wirken aber irgendwie diejenigen die gerade nicht die beste Band der Welt gesehen haben. Macht der Katharsis.

Videos auf Youtube gibt es hier und hier, letzteres ist soundmäßig weniger gut aber sehr schön gefilmt mit super Gitarristenaction am Ende.

Stream: The Raveonettes - Lust Lust Lust

Auf ihrem dritten Album haben Sharin Foo und Sune Rose Wagner aka The Raveonettes die Lust (pardon) an verzerrten Surfgitarren nicht verloren, im Gegenteil sind die Dänen - nun wieder auf einem Independentlabel und in Eigenregie unterwegs - mit ihren rohen, sägenden Gitarrenschwällen so nah an TJ&MC wie nie zuvor. Lust Lust Lust ist bereits seit einer Woche draußen (mit 3D-Cover), dank Luisterpaal kann man es sich nun auch mal vorab anhören.

[Stream] The Raveonettes - Lust Lust Lust

Konzert: The Fiery Furnaces



Wenn man nicht wie letztes Jahr zufällig The New Pornographers heißt stelle ich mir den Job der Vorband für die Friedbergers nicht sonderlich attraktiv vor. Denn gegen so furios aufspielende The Fiery Furnaces wie gestern kann man eigentlich nur verblassen, insbesondere wenn man wie Franz Kasper die Art von solider aber unspektakulärer Rockmusik spielt die nicht wirklich mein Fall ist. Immerhin kam ich durch den Namen auf die amüsante Vorstellung von Franz Ferdinand als Vorgruppe der Furnaces und beim Umbau auf die Frotzelei dass die Friedbergers den Schotten wohl das Schlagzeug geklaut hatten, das war nämlich mit zwei Fs gefolgt von ausgeschwärzten Buchstaben beschriftet. Um so größer mein Amüsement als ich bei genauerem Hinsehen unter der Übermalung "Fromz Ferdanind" zu erkennen meinte. Ebenfalls ohne Erklärung, selbst auf Nachfrage hin, blieben die Kanada-Logos auf Bass und T-Shirt des Mannes außen links der gewiss nicht von dort kommt.

Ebenso unernst aber sehr süß begann dann das Konzert, die bereits beim letzten Mal dabei gewesenen Jason Loewenstein und Bob D'Amico besetzten ihre Positionen an Bass und Schlagzeug, gefolgt von Matthew Friedberger der sich statt einer Gitarre um den Hals diesmal rechts mit mehreren Keyboards/Orgeln bewaffnet hatte. Er bat dann die Menge seine Schwester, die am vergangenen Abend mit einer Erkältung zu kämpfen gehabt hätte, mit einem extra Applaus zu begrüßen was auch prompt geschah. Von Formschwäche war bei ihr aber nur wenig zu merken, auch dass ihnen auf dem Weg nach Köln die Achse am Tourwagen gebrochen und die Autobahnahrt so unbemerkt höchst gefährlich geworden war blieb zum Glück ohne Folgen. An der Rückseite der Bühne war ein großes aufsehenerregendes Banner mit bunten Textauszügen aufgehängt, die Aufmerksamkeit war aber schnell auf das tatsächliche Geschehen gelenkt.

Die Rhythmussektion legte von Anfang an mit sattem Druck vor, besonders Loewensteins Bassklang war irre schwer und knarzig und groovte so noch mehr. Im Vergleich zum letzten Mal waren die Songs aber kein einziges manisches Holterdipolter sondern behielten ihre melodischen Akzente, insbesondere die Songs von Widow City die den Großteil des Programms ausmachten klangen absolut fantastisch in diesen Arrangements. Instrumental waren sie dank der irren Keyboards nah an der Plattenversion, strukturell wurde aber imer wieder umgeschichtet, vor allem die gesanglosen Garagerock-Einlagen meist verlängert oder vervielfacht.

Meistens gab es aber Eleanor Friedbergers Gesang zu hören, und der war natürlich wahnsinnig toll. Mit dieser einmaligen, kräftigen Stimme trug sie stellenweise lächerlich schnelle Wortfolgen vor, ohne eine einzige Silbe zu verhaspeln, und behielt dabei auch noch die Betonung. Seltbst während sie sich vom Mikro entfernte schienen die Worte noch genauso kräftig hinüberzuwallen, als hätte sie ein wunderbarer Geist besessen für den die Gesetze der Physik egal waren und den nichts daran hindern konnte freigesetzt zu werden. Ein großes Highlight war der Titelsong des neuen Albums, keine bloße Gesang + Piano-Nummer mehr und trotzdem alle hing alles an dieser Stimme.

An älteren Stücken (die ich identifizieren konnte - manche waren doch noch so verändert dass ich ratlos blieb) gab es vor allem EP-Material zu hören wie Evergreen, Single Again und Smelling Cigarettes, letztere beiden wurden mit Don't Dance Her Down in ein Medley geschachtelt. Ein anderes Medley gab es überraschenderweise mit nur schwer zu erkennenden Nummern von Rehearsing My Choir, davon wurden glaub ich direkt drei am Stück gespielt. Irgendwann war dann alles vorbei, irgendwie schon viel zu früh denn was hätte man nicht noch alles spielen können, aber es war sicher auch nicht ratsam Eleanours Stimme zu überstrapazieren. Zum Abschluss gab es dann auf Besucherwunsch Tropical Iceland, wohl den größten potentiellen Pophit den die Furnaces je geschaffen haben. Natürlich weder in der ursprünglichen langsamen noch in der neueren Südseeversion sondern als zappeligen Garagerock serviert. Ganz ganz großer Murks. Im guten Sinne. Nur schade dass es kein Los Fieros Furnacios-Shirt mehr in tragbarer Größe gab.

Neues Von Sons And Daughters



Wer einen Blick nach rechts wirft kann unschwer erkennen dass derzeit überwiegend Musik mit Gesang von Vertreterinnen des nichtmeinigen Geschlechts hoch in meiner Gunst steht, und so kommt es auch gelegen dass man mit Darling bereits die zweite Single von Sons And Daughters' für nächstes Jahr anstehendem This Gift auf deren Myspace anhören kann. (Noch?) Ohne visuelle Begleitung, dafür swingender als Gilt Complex auf dessen Video hiermit auch endlich mal verwiesen wäre.

[Video] Sons And Daughters - Gilt Complex

Sons And Daughters Myspace

Video: The Fiery Furnaces - Navy Nurse



Wasn los, hat die Lust an der See jetzt New York erfasst? Erst diese Bootstour, nun heißt es für The Fiery Furnaces "Eleanor put your swimsuit on" auf einen Trip zum Kieselstrand, verwaschen gefilmt wie ein alter VHS-Urlaubsfilm. Navy Nurse eröffnet die zweite, unscheinbare Hälfte von Widow City, trotz saftiger Rockriffs mehr Feierabendmusik als zum Aufwecken geeignet. "If there's anything i've had enough of it's today," singt Friedberger erschöpft. Zum Glück ist ein Restorative Beer direkt um die Ecke.

[Video] The Fiery Furnaces - Navy Nurse