September 2014: Cancers, Cayetana, Lydia Ainsworth, Punch



Cancers - Fatten The Leeches
 

So sehr diese Songs in ihrer oft knappen Spielzeit auch melodische Riffs und catchige Vocals versprühen, ist der Knackpunkt von Cancers' Indie-Rock der Sound, der sich wie ein gigantischer Schwall um das Eingängige im Zentrum tummelt. Dass sich die Band aus Athens dessen nicht nur bewusst ist, sondern es auch konsequent umgesetzt hat, hört man schon lange vor dem Blick in die Albumcredits. Wobei, ehrlich gesagt war ich mir nicht ganz sicher, ob mir der Name Jack Endino überhaupt vertraut war, aber dass der Mann den Sub-Pop-Sound geprägt hat ist keine Überraschung: War ich mit anfangs noch unsicher, ob Fatten The Leeches sich mit diesem Klangvolumen nicht ein wenig einseitig übernommen hatte, zeigt es beim guten alten Kopfhörer-Test denn auch die nuancierten Tiefen, die den Schwall eben zu mehr als nur ästhetischem Anstrich machen.

 


Cayetana - Nervous Like Me
 

So satt Cayetana auch Becken und Verstärker krachen lassen, machen sie nicht den Eindruck, als wäre ihr Debütalbum unter Druck oder Eile entstanden. Der knackig-körnige Indie-Rock des Trios aus Philadelphia funktioniert auf „Nervous Like Me“ gerade deswegen so gut, weil er ohne unnötige Zierde auf den Punkt kommt und schnell, aber ohne Hektik lebhafte Eindrücke vermittelt. Augusta Kochs hervorgestellte Vocals pendeln zwischen Observation und Selbstoffenbarung hin und her, auch innerhalb eines Songs wie bei „Mountain Kids“, wobei sie weniger präzise Szenarien äußerer und innerer Handlung erzählt als assoziierte Erinnerungsfetzen zu diesen Momenten wiedererweckt. „The hardest part of moving out is I remember moving in”, singt sie in druckvollem Stakkato auf „Scott Get The Van, I’m Moving“, wird zum Refrain kontemplativer („How gently time disposed us/ separate boxes fill the car“), bis Kelly Olsen wieder die Hi-Hat vom Ruder lässt und die Saiten in ungeduldiger Intensität losschrammeln. Gedanklich mögen Cayetana schon mal innehalten, doch ihr treibendes Spiel nimmt Pausen höchstens, um wie im finalen „South Philly“ Anlauf zu nehmen.

 


Lydia Ainsworth - Right From Real
 

Für ein mit Streichern, Hörnern und anderem so klassizistisch orchestriert anmutendes Album hat das Debüt der Kanadierin ungewöhnlich viel Atemraum. Selbst verglichen mit Glasser oder einem Patrick Wolf, an dessen Frühwerk erinnernd Ainsworth ihre auditiven Naturbilder gleichermaßen mit stereotyp elektronischen Sounds wie Bleep-Arpeggio und digitalen Beats zeichnet, laufen die Elemente ihrer Songs kaum bis gar nicht ineinander über. Selbst Vocal- und Bass-Oszillationen schwingen auf eher begrenztem Raum und nehmen nicht Überhand, fast kann man sich diese Popsongs als übereinander verlaufende Klanglinien vorstellen, doch ist ihr Effekt keineswegs derart mathematisch klinisch. Schließlich gibt es neben Volumen auch immer noch die zauberhaften Wechselwirkungen der Einzelteile, die Ainsworths Songs höchst modern aufleben lassen.

 


Punch - They Don't Have To Believe
 

Fast schon als einen Nachlass brachten Punch ihr exzellentes drittes Album raus, kurz bevor Shouterin und Texterin Meghan O’Neil ihren Ausstieg aus der Band verkündete. Die Benachrichtigung darüber hielt sie so kurz und bündig wie die Songs des so wunderbar treffend benannten Klöppelcore-Quintetts, das auch auf They Don’t Have To Believe in fünfzehn Spurts nur einmal die Zwei-Minuten-Marke überschreitet. Punch vertonen das Wuchten der Selbstbehauptung gegen Anspannung („Heavy as a brick/ sharp as nails/ always constant/ only quiet“), Belästigung („Hands Off, what’s mine is mine/ You don’t get to tell me where to draw the line“) und Verhaltensvorschreiber („We don’t exist/ for you to appraise/ Not a compliment/ no fucking thanks“), aber auch Momente der Machtlosigkeit für Hilfsbedürftige oder ein Plädoyer für das Weinen ohne Scham: „Don’t show your emotions? What a fucking lie/ This doesn’t make me weak, it makes me human“. Der Songtitel über jenen Worten ist Punch-prägnant wie immer: Not Sorry.