Oh It's On! 2

Hingegen liebe ich es wenn Musikmagazinschreiberlinge Ende des Jahres scheinbar mal genug Zeit haben um sich an nicht ernsthaft, aber unterhaltsam böse Artikel zu begeben.
Zum Beispiel (wieder) Pitchforks Liste der 25 furchtbarsten Plattencover 2006. Ich meine, hat sich wirklich jemand hingesetzt und gedacht dass das eine tolle Idee sei?

Ganz toll ist die Jahresendliste des Stylus-Magazins in Haiku-Form (ich hab sowas auch mal probiert und schnell aufgegeben, das ist wirklich keine leichte Sache). Vor allem die weniger guten Erwähnungen sind super:
Sufjan Stevens - Avalanche
Dear Sufjan. There are
48 more states to go.
None called "Avalanche."

Joanna Newsom - Ys
Fay diddle wain, oh!
And the bear tum tiddle moon
Oh god please kill me

Großes Kino ist auch diese fiktive ultimative Weihnachtscompilation auf Drowned in Sound:
Pavement – 'Sheriff Santa'
A reformed Stephen Malkmus, Spiral Stairs and co write a jaunty, angular and unfathomable effort that mentions nothing about the festive season nor the law, instead proffering a chorus of "and the spoons go in the pan, and the cars in the garage, I need a hot summer for Beirut". Marvellous. It'd also be cherry picked to appear on Uncut's monthly CD and hailed as "a return to form"..

driftwood - 20. Dez, 16:08

Die Idee mit den Haikus ist entzückend.

Die Pitchfork Liste enttäuschend. Wo bleiben da Xiu Xiu, Casiotone for the Painfully Alone oder Final Fantasy? Überhaupt: warum fehlen die Alben bei den meisten Jahreslisten?

uliuli - 20. Dez, 17:39

Ich find die Liste ziemlich gut, sehr divers und hat so viele Platten dabei die ich auch toll fand dass sie meiner Liste stellenweise schon gruselig ähnlich sieht. Die Sache mit solchen Listen ist dass erst mal jeder Autor seine Liste zusammenstellt, und aus den Listen dann insgesamt die meistgenannten+-/*bestplatzierten Platten ausgerechnet werden. So sehr ich Xiu Xiu auch mag, die Musik ist schon sehr Geschmackssache, entweder mag man's oder nicht, und sowas hat eben bei so einem System dann wenig Chancen in die Endliste zu kommen. Pitchfork macht das auch recht transparent und veröffentlicht die einzelnen Listen, hier sieht man z.B. dass Xiu Xiu es in 3 Listen geschafft haben, 2mal sogar in die Top5. Aber gegen ein Album das in jeder Liste einmal vorkam, egal wie schlecht platziert, wie z.B. The Knife hätte das trotzdem rechnerisch kaum eine Chance.

Dass Final Fantasy nicht da ist ist in der Tat komisch. Casiotone konnte mich fürchte ich aber auch nicht so recht packen.
driftwood - 21. Dez, 12:47

Sicher, wenn solche Jahreslisten als Konsenslisten entstehen, ist schon klar, dass eine polarisierende Band wie Xiu Xiu nicht nach vorne kommt. Wundert mich insofern nur, warum es Frau Newsom, Scott Walker (gut, der hat den Legendenbonus und wird von vielen einfach in die Listen genommen, um nicht als ignorant dazustehen) oder die Liars häufig dennoch geschafft haben, weil doch auch klare "love it or hate it"-Angelegenheiten.

Dass Final Fantasy so häuig fehlt, kann ich hingegen überhaupt nicht nachvollziehen. Bei Casiotone ist' mir da vielleicht schon wieder eher verständlich, weil die Stärke so sehr in den Texten liegt (obwohl: seine Stimme ist so wunderschön und die Melodien und überhaupt...nein, ich versteh's wohl doch nicht. Was mochtest du denn nicht an dem Album?).
uliuli - 21. Dez, 13:56

Newsom polarisiert zwar, aber sowohl in Deutschland als auch in USA sehe ich bei Musikjournalisten eine deutliche Mehrheit die das Album mögen, und das auch sehr. Ich denke was am meisten stören kann sind die Stimme und die nicht einfach festzumachenden Strukturen, und da sollten die meisten Journos mit Hörerfahrung schon krasseres gehört und gemocht haben, die Instrumente an sich klingen ja sehr vertraut und warm im Gegensatz zu Xiu Xiu.

Walker, ich weiß nicht, ich hab ihn erst Ende letzten Jahres das erste Mal überhaupt wahrgenommen (dank der Radioshow von Henry Rollins). Aber das neue Album klang dann so anders dass ich obwohl ich's mochte zuerst gar nicht sicher war dass das wirklich der selbe Mann war, wenn's nur um Legendenbonus ginge wär Dylan sicher auch in der Liste. Ich mag aber auch die Alben von Walker und Liars mehr als das von Xiu Xiu, wenn der Konsens ebenfalls dahin geht würde das die Platzierung erklären.

Ja, die Texte sind denke ich für mich das Problem bei Casiotone. Ich achte nahezu immer mehr auf die Musik, und wenn die mich nicht packen kann haben es die Texte noch schwerer das zu schaffen, es recht wenn sie Mondänes thematisieren. Als Vergleich mal die Russian Futurists, da geht's meist auch mehr um Alltagsgeschichten, aber da hat mich direkt die poppige Musik angezogen. Es ist nicht so dass ich das Casiotone-Album nicht mochte, ich find's schon gut, aber eben längst nicht so sehr wie die anderen hier aufgelisteten.
driftwood - 21. Dez, 14:41

Die Legenstellung von Dylan und Walker ist sehr unterschiedlich. Der eine hat zig Alben veröffentlicht, der andere grade mal eine handvoll. Dylan ist jedem ein Begriff, Walker der Hero der sellbsternannten Elite und passt daher besser zur Indiegemeinde. Mal davon abgesehen ist das Walker Album so eigen, dass man dem Rezensenten bei Nicht-Mögen doch gar ein Nicht-Verstehen vorwerfen könnte, was natürlich niemand auf sich sitzen lassen will (letzteres merkt man etwa auch beim Newsom Album, wenn sich manche Nicht-Möger fast dafür entschuldigen).

Bei mir sind Texte wieder zentral: wenn mich die nicht ansprechen, hat es ein Künstler bei mir schwer, dauerhafte Bedeutung zu erlangen. Das gefällt dann vielleicht sehr gut, aber es ist selten wirklich wichtig.

Die Russian Futurists als Vergleich heranzuziehen passt gut, weil sie ja auch mit elektronischen Spielerein arbeiten und vor zwei Jahren war ich eine Zeit lang ganz begeistert von ihnen, verlor sie dann aber wieder aus den Augen. Liegt da vielleicht auch an der Stimme. Die hat mich nie so gepackt wie jetzt etwa die vom Casiotone Herrn (das ist auch sowas bei mir: die Halbwertzeit von Melodien ist bei mir meistens eher kurz bemessen, die nützen sich schnell ab. Was Bestand hat, sind dann eben Stimmen und Texte).
wiesengrund - 21. Dez, 14:53

wenn nicht-möger sich dafür entwschuldigen muss das nicht zwangsweise aus einem reflex gegen den (oft eh nicht erbrachten) vorwurf des nicht-verstehens sein. man kann sich auch einfach mit augenzwinkern dafür "entschuldigen", den hype nicht mitzugehen, erwartungen nicht zu erfüllen oder auch oft weil man sich selbst zuviel von der platte erwartet hat. ich würd das ganze nicht so eng sehen.