La Secte Du Futur - Greetings From Youth



La Secte Du Futur - Greetings From Youth
 

Ich sehe schon, mit den monatlichen Sammelbeiträgen wird es so oder so nix. Weder fällt mir sofort zu allen bereits erworbenen Sachen aus einem etwas Monat ein, noch hab ich die immer zeitnah genug vorliegen, um über alles Gehörte zu schreiben.

La Secte Du Futur also, die erste Entdeckung des Jahres. Mit denen versuchte ich es nur deswegen, weil ihr zweites Album auf dem gleichen Label erschien, das bereits Royal Headache und TV Colours nach Europa gebracht hatte. Diese Band ist aber gebürtig so französisch wie ihr Name, wobei das auf musikalischer Seite ebensowenig von Belang ist wie wenn ich jetzt sage, dass sie Psych- oder Bluesrock machen würden, denn Derartiges reißt mich selbst in der Regel wenig mit, am ehesten kommt hier noch die sensationelle Debüt-EP von Crystal Antlers dran. Greetings From Youth setzt sich jedenfalls hinweg über die Behaglichkeit, die mit beflissentlichem Genrepraktizieren einhergehen kann. Hier wird Hall nicht zur behaglichen Abfederung, sondern zum Multiplikator jedes explosiven Ausbruchs, den die Band von Schlagzeug über Gitarren bis hin zu den in eine unsichtbare Wand keilenden Vocals praktiziert. Willkürlich aggressiv in ihrer Intention wirken La Secte Du Futur nicht, mehr wie bloße Marionetten der Urkräfte, die sie immer wieder in famosen Melodien kanalisieren und mit Cowboy-Amerikanismen wie Mundharmonika und Marschryhthmus zu herrlich ziellosen Hymnen pervertieren.

Januar 2014: Against Me!, Big Ups, Blank Realm, Sevendeaths



Against Me! - Transgender Dysphoria Blues
 
Es ist in der Regel ein gutes Zeichen, wenn ich mir bei einem Album mehr als alles andere wünsche, dass es besser produziert wäre. Auch wenn es hier stellenweise frustrierendes Ausmaß annimmt, wie unregelmäßig die Abmischung von Stück zu Stück und auch innerhalb einzelner davon ist, reicht das doch nicht, die Ausdruckskraft dieser fantastischen Songs zu untergraben. Da braucht man gar nicht erst so zu tun, als würde hier eine universale Erfahrung porträtiert, die jedermann nachvollziehen kann - nur wenige können verstehen, wie es ist, wenn etwas derart Umfassendes wie die eigene Identität in einer Schwarzweißwelt nicht nur angefeindet, sondern schlicht nicht anerkannt wird. Laura Jane Grace singt in denkwürdigen Textzeilen aus der Perspektive einer Unterdrückten, einer Ausgegrenzten, das aber in kraftvollen Songs, die keine Kapitulation zulassen und nicht ignoriert werden wollen.
 


Big Ups - Eighteen Hours Of Static
 
Klarer Fall von Küstenverwirrung: Mit ihrem spröden Posthardcore könnten Big Ups sich fast dem Dischord-Roster anschließen, wäre da nicht die unbeherrschte Punk-Energie, die immer wieder aus den New Yorkern rausbricht. Das ist alles ein wenig zu verschwitzt und versoffen für Washington, geht fast immer in unter drei Minuten über die Bühne, fiept und faucht und ätzt und gniedelt, ist aber auch immer ein wenig zu melodiesicher und von technisch präzisen Repetitionsschüben angetrieben, um abzustoßen. Eighteen Hours Of Static ist eine Einladung in den letzten verrauchten Kellerclub New Yorks, der noch nicht der Betriebsoptimierung des Geschäftsviertels anheim gefallen ist.
 


Blank Realm - Grassed Inn
 
Aussie Aussie Aussie, Jangle Jangle Jangle! Wobei diese Melbourner Band eher aus dem Gemütlichkeitsrahmen fällt, waren Blank Realm doch schon über Jahre vor allem in psychedelisch unscharfen Tiefen unterwegs und in den USA vor allem über Kassetten auf Not Not Fun präsent. Wo sich aber gerade über die Partnerschaft ihres Heimatlabels Bedroom Suck und dem britischen Fire Records ein gutes Stück mehr Melbourner Musik in die weitere Welt verbreitet, haben Blank Realm genau den richtigen Zeitpunkt erwischt, um sich mal ein wenig rauszuputzen. Wie etwas weniger weirde Ooga Boogas lassen sie veritable Schrammel-Hits vom Stapel, Jammen mit bestimmter Ausgedehntheit oder plastikorgeln auch mal mit The Clean um die Wette, dass das Treiben nie zu bunt oder zu benebelt wird.
 


Sevendeaths - Concreté Misery
 
Nieder mit analoger Haptik! Dieses Album gibt es nicht auf Vinyl, nicht einmal auf CD, was wenigstens noch in den Rahmen seiner Konzeption gefallen wäre. Allein aus digitalen Klangquellen und über Softwaremittel wie eine MIDI-Gitarre kreiert der Schotte Steven Shade seine Instrumentalmusik, deren beatlose Droneflächen mit schimmernder Klangfarbe eine eigentümliche Wirkung erhalten. Concreté Misery bildet nicht unbedingt völlig andere Grauzonen als die Klaustrophobien von Godspeed You! Black Emperor und Tim Hecker oder das kosmische Freiheitsgniedeln von Emeralds und Hillage ab, aber beide Tendenzen werden miteinander verwoben im Zaun gehalten, dass die Musik völligem rationalem oder emotionalem Verständnis ein Stück außer Greifreichweite hängt und irgendwo auch einfach in ihrer enigmatischen Imposanz beeindruckt. Sie bringt mich zumindest auf angenehme Weise dazu, frustriert um Worte und Ausdruck für sie zu ringen.

82 aus 2013



1. HAIM – Days Are Gone

2. The Knife – Shaking The Habitual

3. Dawn Richard – Goldenheart

4. Deafheaven – Sunbather

5. Paramore – Paramore

6. Beyoncé – BEYONCÉ

7. tricot – T H E

8. Burial – Rival Dealer EP

9. Owel – Owel

10. Natasha Kmeto – Crisis

11. Banque Allemande – Willst Du Chinese Sein Musst Du Die Ekligen Sachen Essen

12. Julianna Barwick – Nepenthe

13. The Wonder Years – The Greatest Generation

14. Paisley Parks – Бh○§†

15. Ciara – Ciara

16. Touché Amoré – Is Survived By

17. Classixx – Hanging Gardens

18. Prudence Rees-Lee – Court Music From The Planet Of Love

19. Eluvium – Nightmare Ending

20. Glasser – Interiors

21. Cülo – My Life Sucks And I Could Care Less

22. M.I.A. – Matangi

23. Humanbeast – Venus Ejaculates Into The Banquet

24. Youth Lagoon – Wondrous Bughouse

25. Perfect Pussy – I Have Lost All Desire For Feeling EP

26. Jenny Hval – Innocence Is Kinky

27. Joanna Gruesome – Weird Sister

28. Petar Dundov – Sailing Off The Grid

29. Superchunk – I Hate Music

30. bvdub & Loscil – Erebus

31. grim104 – grim104 EP

32. Quadron – Avalanche

33. Sky Larkin – Motto

34. The 1975 – The 1975

35. Jungbluth – Part Ache

36. Tegan And Sara – Heartthrob

37. Mountains – Centralia

38. Kelela – CUT 4 ME

39. The Courtneys – The Courtneys

40. Oranssi Pazuzu – Valonielu

41. Vampire Weekend – Modern Vampires Of The City

42. Bed Wettin' Bad Boys – Ready For Boredom

43. FKA twigs – EP2

44. Celeste – Animale(S)

45. Dick Diver – Calendar Days

46. Sky Ferreira – Night Time Is My Time + B-Sides, Part 1

47. f(x) – Pink Tape

48. Roly Porter – Life Cycle Of A Massive Star

49. Om'mas Keith – City Pulse

50. Perfume – Level3

51. HOAX – HOAX

52. Phil France – The Swimmer

53. Leverage Models – Leverage Models

54. Bushwalking – No Enter

55. Candy Claws – Ceres & Calypso In The Deep Time

56. AUF – CD

57. Kingdom – Clubposite Mix

58. Drug Church – Paul Walker

59. Momoiro Clover Z – 5th Dimension

60. Rhye – Woman

61. YAMANTAKA // SONIC TITAN – UZU

62. Wet – Wet EP

63. TV Freaks – Two

64. Doldrums – Lesser Evil

65. The Stevens – A History Of Hygiene

66. Young Galaxy – Ultramarine

67. Pikelet – Calluses

68. Gorgon City – Real EP

69. Direct Hit! – Brainless God

70. Jagwar Ma – Howlin'

71. TV Colours – Purple Skies, Toxic River

72. Pure Bathing Culture – Moon Tides

73. Kuchibiru Network 3

74. When Nalda Became Punk – Farewell To Youth

75. Le1f – Fly Zone / Tree House

76. Darkstar – News From Nowhere

77. Secret Circuit – Tactile Galactics

78. Ian Isiah – The Love Champion

79. Radioactivity – Radioactivity

80. Vondelpark – Seabed

81. Cassie – RockaByeBaby

82. Mano Le Tough – Changing Days

Perfume / f(x) / M.I.A. / Beyoncé / Leverage Models / HAIM

Die Frage mit Yasutaka Nakata ist wohl: Was soll der Mann nun 2014 machen, wo er in einem Jahr Alben für alle seine regulären Betätigungsfelder gemacht und obendrein noch mit Shiina Ringo kollaboriert hat? Dabei schienen sich die vielleicht immer nur gedachten Grenzen zu verschieben, während die ansonsten clubbigere Capsule fast schon ambiente Momente hatte, wurde Perfumes Level3 zu dem Album, das eigentlich den Titel Bangerz verdient gehabt hätte. Vor allem Party Maker endlädt seine farbenfrohen Klatsch-Druckzonen mit Chemical-Brothers-großen Beats, nicht nur hier wirkt die Konstruktion weniger auf Standard-Popsong getrimmt als wie die Musikkomponente von Perfumes kunstvoller Live-Performance. Zwar offenbart es auch abseits davon bald seine berauschende Wirkung, doch dass ausgerechnet dieses Perfumes erstes Album war, das weltweit veröffentlicht wurde ...

[Spotify] Perfume - Level3
[Deezer] Perfume - Level3

Schon verständlich, dass die Großen im Popgeschäft zu bewährten Rezepten tendieren. Mit allzu kühnen Soundentwürfen oder der Abkehr von simplen Harmonien riskiert man schnell, mit kommerziellem Gift abzuenden, das höchstens im Feuilleton ein paar nette Worte erfährt. f(x)s zweites Album Pink Tape schafft jedoch die Balance, haufenweise Einflüsse originell miteinander zu verquirlen und melodisch auch mal Upbeat-Nummern in eigenwillige Melodien zu kleiden, bleibt dabei stolz und schamlos ein (zumindest im eigenen Land) charttaugliches Popalbum ohne verkrampfte Avantgarde-Avancen. Die vielfach konfigurierbare Stimmchemie der Koreanerinnen prägt so seltsame kleine Songs wie Shadow oder Rum Pum Pum, das auf einem Cannonball-ähnlichen Motiv gleitend über Marschtrommeln erst eine Stimme nach der anderen eingängig anhäuft, um sie dann im Refrain in Moll-Strenge und nahtlos wieder zurückrutschen zu lassen.

[Youtube] f(x) - Pink Tape

Nicht nur Abhörskandale, auch das große diesjährige Suicide-Fressen bei u.a. Sky Ferreira oder Kanye West hat M.I.A. schon vor drei Jahren antizipiert. /\/\ /\ Y /\ bleibt mir trotzdem insgesamt zu unausgegoren, anders als das dafür wohl zu lange in Firmenmurkserei gefangengehaltene Matangi, das (ebenfalls trendsetzend erst nach Leakdrohungen veröffentlicht) wie ein pures M.I.A.-Album wirkt. Keine allzu auffälligen Samples/Cover, keine ungelenken Gäste, die über ihre Schuhe stolpern (The Weeknd ist praktisch unsichtbar), selbst ein zeitgeistig verspäteter Y.A.L.A.-Witz fällt nicht negativ auf, weil die unnachgiebige Musik so lebhaft kratzt und kickt.

[Deezer] M.I.A. - Matangi
[Spotify] M.I.A. - Matangi

Nach dem vor lauter Singles nicht so ganz an Format gewinnen wollenden 4 kam also diesmal einfach das Album zuerst. Außen schwarz, innen pinkrosa ist die CD-Box, die zugleich ein Musik- und Musikvideo-Album unter anderem über die Freuden des Ehesex beinhaltet - da nun groß Symbolik rauslesen zu wollen, ist eigentlich unnötig. Was Beyoncé wichtig ist, spricht sie explizit und unmissverständlich aus, beginnend mit "Perfection is a disease of a nation. It's the soul that needs the surgery". Vor allem aber singt sie es aus, meist überaus bemessen, manchmal sogar in angekratzter Imperfektion, wenn es dem Song zugute kommt. Dass die Namen der meisten musikalischen Kollaborateure das Jahr über schon in den Credits anderer, weniger guter Popplatten in ähnlich klingenden Songs auftauchten, macht deutlich, was dieses großartige Album wirklich ausmacht. Ihr Name steht in Großbuchstaben vorne drauf.

[Spotify] Beyoncé - BEYONCÉ
[Deezer] Beyoncé - BEYONCÉ

Das unscheinbarste Popalbum des Jahres. Wie man auch im Plattenladen dran hätte vorbeigehen können, bin ich dutzendfach an Titel und Cover vorbeigeklickt, weil sie so ungemein dröge wirkten. Dabei konfrontiert das Innere von Leverage Models' Debüt im Gegenteil sofort durch den furchtlos exuberanten Gesang von Shannon Fields. Alles lässt diese hohe Tonlagen erklimmende Stimme raushängen, auch an glänzend hellen Synths wird nichts zurückgesteckt, doch wie in glatteren Sax-Momenten verweben Leverage Models überall widerspenstige Klänge, die den Stoff dieser potentiell eindimensional flachen zu komplexen Songs von triumphaler Eingängigkeit machen.

[Stream] Leverage Models - Leverage Models

Einer der schönen Aspekte an einem Musikblog ist ja, dass man manchmal den Wandel der eigenen Eindrücke und Meinungen dokumentieren kann. Eine Suche nach HAIM zeigt eine anfängliche Unkenntnis der Band und ihrer Musik, der ich erst nur in Vocals und erstklassigen Remixen begegnete, dann beim Hören Gefallen an einer exzellent ausgearbeiteten Produktion fand. Bis es mir nach ein paar Monaten (weniger als auch nur sporadischen Hörens) auf einmal wie Stöpsel aus den Ohren fiel, dass beides doch so stimmig zusammenhängt: Der Forever-Remix zum Beispiel funktioniert eben deswegen so gut, weil eine der großen Qualitäten der Schwestern Haim in der Rhythmik ihrer Stimmen liegt, mit denen sie die Spannungszonen ihrer Songs wie niemand anders kontrollieren können. Ein enger Basslauf, ein ungebunden langer Ausruf. Gleichmäßig auf jeden Anschlag verteilte Silben, die sich zum Refrain hin verdichtend fast überschlagen. Klar, dass jeder einzelne instrumentale Klang dazu ebenso bis ins Detail durchgefeilt werden muss, klar, dass zusammen mit einem ebenso oberklassigen Hook- und Melodiegespür dabei nur das beste Album des Jahres herauskommen kann.

[Deezer] HAIM - Days Are Gone
[Spotify] HAIM - Days Are Gone

FKA twigs / Burial / Perfect Pussy / grim104 / Wet / Gorgon City

So oft es auch postuliert wird, dass das Album tot und ein tragfähigeres Zukunftsmodell in kürzeren Formaten läge: EPs werden nicht nur in der alteingesessenen Presse immer noch unverhältnismäßig ignoriert. Dabei kann ich mir mittlerweile vorstellen, dass manche damit langfristig besser aufgehoben wären, von den Gesetzen des Marktes aber manchmal zum musikalischen Nachteil ins Albumformat gedrängt werden. Zu perfekt fühlt sich es sich beispielsweise an, wie FKA twigs' (siehe) kurze Salven mehr Fragen aufwerfen als sie beantworten, Gefühle und Gedanken aufwühlen, um alsbald wieder zu verschwinden.

[Deezer] FKA twigs - EP2
[Spotify] FKA twigs - EP2

So richtig mitgerissen hat mich Burial seit seinem Debütalbum nur stellenweise. Zwar trat er auf hohem Niveau auf der Stelle oder ging über die fragmentierte Langfom neue Strukturwege, aber den grandiosen Durchbruch hatte er damit für mich erst auf seiner diesjährigen EP, die zugleich in die himmlischen Sphären von Finally Boys zieht. Es bleibt natürlich das Vinylknistern, doch Dubstep, dessen Schaffensspektrum Burial eh immer nur eine Randfigur war, könnte hiermit erledigt sein - ein schönerer Schlusstrich ließe sich kaum ziehen.

[Deezer] Burial - Rival Dealer
[Spotify] Burial - Rival Dealer

Lange hab ich nicht über dieses Demo-Tape schreiben wollen, weil - nun ja, es ist ein Demo-Tape, das ich mir selbst auch erst zugelegt habe, als es zum Download angeboten wurde. Wenn um vier Debütsongs in dieser Klangqualität so viel Rummel entsteht, ist normalerweise viel Skepsis angebracht anstatt eilig miteinzufallen, das mit den Vorschusslorbeeren ist ja in Musikblog-Kreisen bald auch schon 10 Jahre Anschauungsmaterial. Aber beginnend mit dem Titel zeigt I Have Lost All Desire For Feeling eben vor allem, dass hinter Perfect Pussy voll und ganz Meredith Graves steckt, die mit Shoppers schon ein grandioses Album dieses kaputten Noisepunks geschaffen hat, so dass der neue Erfolg eine mehr als verdiente Ehrenrunde ist.

[Stream] Perfect Pussy - I Have Lost All Desire For Feeling

Mut braucht es dieser Tage zur musikalischen Lücke nicht gerade, mit xx-Mitläufern an jeder Ecke. Wet haben aber zunächst mal die Hooks, um mehr als nur Ereignislosigkeit an sich zu werden, in sauberen Linien formen sie warmen Pop, der Leerräume auch als effektive Pausen im musikalischen Fluss nutzt, um die herum sich ihre Musik in Gitarrenkaskaden oder nur -strichen über minimales Beatruckeln in Gleitbewegung setzen.

[Stream] Wet - Wet

Ich kann's mir gar nicht vorstellen, würde mir aber auch etwas komisch dabei vorkommen, wenn ich nur grim104s Sprechgesangsduktus, Textinhalte oder Instrumentals mögen würde und der Rest Nebensache wäre. Nicht nur fühlt sich alles gleichermaßen vital an, es passt auch wie das Tüpfelchen auf dem Kaviarei, wie dicht und verhangen die musikalische Atmosphäre dieses entschieden unknuddelige Gegenwartsporträt intensiviert.

[Spotify] grim104 - grim104 EP
[Deezer] grim104 - grim104

Im UK war 2013 das große Jahr des garagigen Housepop-Revivals. Die damit einhergehende Veröffentlichungsflut der Speerspitze aus PMR und Black Butter Records war sicher nicht makellos, doch die ohnehin vom Namen her von mir favorisierten Gorgon City brachten mit ihrer längsten auch ihre durchgängig stärkste Songsammlung heraus. Wo das Eis anderswo schnell dünn wird, wenn Produktionen nicht von Vocals getragen werden, hat das Duo ein zu gutes Ohr für voll ausgeformte Nuancen und kann auch mit Gewichtsverlagerung auf die Bassläufe bestechende Tanzmusik kreieren.

[Spotify] Gorgon City - Real
[Deezer] Gorgon City - Real

Logos / Roly Porter

Ein Instrumentalalbum aus leicht abstrahiertem/dekonstruiertem Grime namens Cold Mission könnte eine mechanische Welt ohne Spur von organischen Lebensformen aufziehen. Das Reiben von Säbeln, Pistolenschnappen oder Geräusche anderer Waffen, die eigentlich für Menschenhände gemacht sind, hängen bei Logos so im Raum, als würden sie von selbst aktiv oder von Automaten verursacht. Doch fast immer sind die Melodie- und gelegentlichen Beat-Andeutungen in Naturambiente gesetzt, von Vogelzwitschern, Wind und Wellenrauschen durchzogen. Selbst wenn diese Samples genauso kalkuliert gesetzt sind wie alle anderen, der Effekt ist, dass die Musik wirklicher wird.

[Deezer] Logos - Cold Mission
[Spotify] Logos - Cold Mission

Selbst wenn es einmal gelingt, im Weltall Klänge zu empfangen, sind sie sicher nicht so eingängig wie man es von Sci-Fi-Filmen gewohnt ist. Keine Kabumm-Explosionen, kein fauchendes Peitschen von Sonnenkorona oder anderem Plasma, kein Knistern ionisierter Nebel. Roly Porter versucht weder diese Darstellung, noch die Realität wiederzugeben, doch näher an der unheimlichen Majestätik fremdartiger Naturklänge wirken seine fünf dronigen bis ambienten Kompositionen über die Entwicklung eines Sterns. Vor allem die Intensität, die sich durch die weite Dynamikspanne aus leisesten und lautesten Tönen ergibt, lässt das kurz und knapp gehaltene Album seiner Inspiration gerecht werden.

[Stream] Roly Porter - Life Cycle Of A Massive Star