Von Uli am 21. Juni 2012, 12:00
Genau so hab ich mir immer ein Chillwave-Konzert vorgestellt: Auf der Bühne des Stadtgartens umschmückt eine Leuchtgirlande das Pult, auf dem der Luxemburger
Sun Glitters seine Geräte stehen hat. Während sich vor ihm wenig regt, geht von ihm die meiste körperliche Aktivität aus, stets von seinen gar nicht mal so entspannten Beats ergriffen zuckt er mit dem Körper, während seine Hände über diese modern komplexere Form einer Klaviatur aus Knöpfen, Schiebern, Tasten und vielleicht auch Berührungssensoren flitzen.
Hinter ihm läuft, die meist leuchtend hellen Hochtöne aus verpitchten Stimmen und Synthwogen komplementierend, eine Videoschau in jener überbelichteten, hyperfarbintensiven Bildästhetik, die mir schon jetzt und hoffentlich auch in einem Jahr dem Rest der Welt zum Hals raushängt. Alles ist sehr vage, intensiv, überladen und bunt, es wirkt wie die Liveinszenierung eines Tumblrs. Doch ausgerechnet wenn Sun Glitters mal weniger sonnige Töne anschlägt, wird seine Musik am packendsten. In sinistren Schatten wirken seine Beats plötzlich bestimmter, fordernder, wollen nicht nur brisig vorbeiziehen sondern bewegen.
Keine Projektionen sind hinter
Prinzhorn Dance School zu sehen. Ohnehin wirkt diese Paarung von Vor- und Hauptprogramm wie ein Spiel der Kontraste: Suzi Horn und Tobin Prinz sind in schwarz gekleidet, wirkten auch in ihrer Kurzhaarigkeit fast uniform, wäre da nicht ihr weitaus weniger streng dreinblickender, langmähniger Drummer. Der wirkt zu Beginn in seinem von Natur aus frohmütigen Gesicht so, als müsste er sich ein Lachen verkneifen über das wenige, was er da zu spielen hat.
Denn Aussparung ist die Devise des englischen Duos. Zwischen einzelnen Anschlägen und Vocals, wo man von anderen Bands Aktivität erwarten würde, vergeht so viel Zeit mit Stille, dass die darin sekundenlang überpräsenten Quatscher im hinteren Teil des Raumes schnell verstummen. Die meist an zwei Händen abzählbaren verschiedenen Noten und Perkussionselemente könnten die schmucklose Aufführung anfängerhaft wirken lassen, wäre da nicht diese zielstrebige Strenge in jeder Aktion, die komplexe, körperliche Groovegebilde hervorbringt.
Vor allem die stärker mit der dynamische Wechselwirkung ihrer Einzelelemente spielenden Songs des neuen Albums machen famosen Druck zu den - klar - spartanischen Gesängen der beiden, so dass vorne sogar jemand im belebten Jumpstyle dazu durchgängig tanzen kann. Schwerer wird das hingegen in geradlinigen Stücken, gegen deren weite, ereignislose Freiräume The xx wie Katy Perry wirken. Denkbar minimalistisch kickt Prinz zwischendurch seine geleerten Bierflaschen über die Bühne. Selbst das Nebensächliche, das bei anderen als unflätiger Punk-Stunt hochinszeniert ist, verläuft bei Prinzhorn Dance School hochökonomisch.