Konzert: Titus Andronicus


Ein bisschen ging ich ja mit gezügelten Erwartungen ins Köln-Konzert von Titus Andronicus. Zum Einen war ich mir nicht sicher ob das Quintett ohne Probleme auf die Bühne im Tsunami passen würde, vor allem aber hatte ich schon mehrere Livevideos gesehen bei denen sie etwas lustlos herumklampften und die epischen Songs ihres herrlichen Debüts The Airing Of Grievances nicht immer richtig zusammen kamen. Beides zum Glück unnötige Sorgen, denn auch wenn zweimal ein Gitarrenkopf gefährlich nah an einem Auge vorbeischwang schienen sie auch mit bis zu vier Saiteninstrumenten gleichzeitig im Einsatz platzmäßig gut hinzukommen. Und die Musik selbst, die war sogar im Gegenteil zugänglicher als erwartet.

Zwar war der Gesang von Patrick Stickles auf alles andere aus als sich streng an die vorgegebene Melodie zu halten, ähnlich wie Craig Finn ist er mehr ein energischer Entlangredner. Die vier Mannen um ihn herum gaben aber dafür alles daran die ungemein catchigen Instrumentalmelodien mit voller Wucht rüberzubringen. Die ähneln mal irisch-amerikanischem Kneipenpunk wie dem der Dropkick Murphys, mal werfen sie wie in Every Time I See The Light Country-/Americana-Traditionen an ihre weiten, mehrschichtigen Gitarrenwände und so kommt auch schon mal eine Mundharmonika zum Einsatz. So oder so ist es aber, eine weitere Gemeinsamkeit mit The Hold Steady, gefährlich gute Trinkmusik wie Stickles demonstrierte als er dem Refrain "Waking up drunk makes happy" im gleichnamigen Spider Bags-Cover eine orale Attacke auf den Inhalt seiner Bierflasche folgen ließ, nicht der einzige Song in dem der Erzähler seine emotionalen Wunden mit Alkohol zu lindern sucht.

Auch mit einem feurigen Cover von The Modern Lovers' Roadrunner zeigten Titus Andronicus ihre Einflüsse, die Highlights waren aber alte und neue Eigenkompositionen wie das hoffnungslos-festiv(us)ische Titus Andronicus, Titus Andronicus Forever mit seiner Mischung aus Verspieltheit wenn Saiten und Drums zum Solo gebeten werden und der leichten Panik wenn alle zusammen "The enemy is everywhere, but nobody seems to be worried or care" intonieren und der epische Zweiteiler No Future.
Am Ende wirkte besonders Stickles schon völlig geschafft, da war es ein umso schönerer Abschluss dass er zur Zugabe erst recht aufdrehte und sich vor der Bühne so wild im Kreis wand dass es ein Wunder war dass ihn sein Mikrokabel weder erwürgte noch stolpern ließ. Zurück ließen Titus Andronicus eine verwüstete Bühne und mindestens einen Besucher dessen rwartungen weit übertroffen wurden.

Video: Handsome Furs - I'm Confused


Beim Stream schrieb ich noch dass die neuen Songs (zumindest die paar die ich bislang gehört hab, mit dem Rest warte ich bis Freitag) von Handsome Furs nicht mehr solche langsamen Grower wären, aber ich glaube damit hatte ich nicht ganz Recht denn ich musste gestern feststellen dass mir I'm Confused mittlerweile noch weitaus besser gefällt als vor ein paar Wochen. Könnte aber auch etwas mit dem herrlich gefilmten Video zu tun haben, tragische Zombie-Romanzen machen nun mal bekanntermaßen alles besser.

[Video] Handsome Furs - I'm Confused

Stream: Future Of The Left - Last Night I Saved Her From Vampires

Ganz heimlich hat sich Last Night I Saved Her From Vampires in die Plattenläden geschlichen, so heimlich dass Amazon noch nicht mal das Cover kennt, so heimlich dass ich es selbst nicht richtig glauben würde wenn ich es nicht selbst in der Hand hielte. Aber ja, seit letzten Freitag gibt es das erste Livealbum der tollen Future Of The Left auch hierzulande und es ist noch besser als ich ihr eigentliches Konzert in Erinnerung hatte. Allein Falcos liebevolle Publikumsbeleidigungen zwischendurch rechtfertigen den Erwerb schon, zudem gibt es aber noch alles Gute vom Debüt Curses im heftigeren Liveumfeld (Adeadenemyalwayssmellsgood ist mörderisch) serviert und ganze vier neue Songs. Damit lässt sich die Wartezeit bis zum kommenden Album locker überstehen.

[Stream] Future Of The Left - Last Night I Saved Her From Vampires

Konzert: Animal Collective


Je nachdem wen man fragt war das gestrige Animal Collective-Konzert im Gloria völliger Mist, begeisternd gut oder ziemlich mittelmäßig. Und obwohl ich eindeutig zur mittleren Gruppe gehöre werden sie irgendwie alle Recht haben. Vor anderthalb Jahren noch überraschten die gleichen drei – Geologist, Panda Bear und Avey Tare – in Köln mit überwältigend basslastigen Songs die zum euphorischen Tanz einluden. Und obwohl ihr Bühnenaufbau und ihre Setliste der vom letzten Mal in großen Teilen ähnlich waren war es doch ein völlig anderes Konzert.

Wie schon beim einleitenden Set von Pantha Du Prince hing eine riesige weiße Stoffkugel über der von Elektronikbänken und Percussions bevölkerten Bühne, verschwunden waren die bombastisch flickernden Strahlerstangen. Das Trio begann das Set entspannt und gesellte zu dem überwiegenden Merriweather Post Pavilion-Material auch eine herrliche Neufassung von Leaf House und das neue Would I Want Sky. Der Sound aufs Wesentliche konzentriert, immer wieder gab es auch repetitiv-meditative Zwischenausflüge.
Spätestens als My Girls an der Reihe war wurde klar dass kein AC-Konzert wie das andere ist, wo beim letzten Mal noch ähnlich wie auf der Albumversion mit Beats und Brüllen die Sau rausgelassen wurde war diese Version der Single wie vieles an diesem Abend vor allem auf den Wechselgesang Tare-Bear fokussiert, die anderen Intrumentalteile schälten sich dabei sehr sanft und wohlklingend heraus, frei von der Tyrannei des Basswummerns.

In der zweiten Hälfte steigerten sich dann aber sowohl der musikalische Energiepegel wie auch die bis dahin spärliche Bühnenshow, beim voll auf Banger ausgerichteten Lion In A Coma erwachte die Beleuchtung zu buntem Leben und tauchte nicht nur die Kugel, auf die immer wieder das MPP-Cover oder andere Motive projiziert wurden, sondern auch die mit weißen Büchern verhüllten Tische und die Kleidung des Trios selbst in Töne die der Musik an Farbfreude nicht nachstanden und ähnlich wie im My Girls-Video das Bühnenbild änderten.
Brother Sport war zwar auch bassreduziert, brachte dennoch mit aller Fröhlichkeit der Welt Bewegung ins Publikum und wurde von marschierenden Olympionikenbildern begleitet, sehr willkommen war auch ein von Technobeats durchzogenes Slippi. Das Highlight des Abends war aber ein extraausgedehntes Fireworks das wohl ACs transzendent(est)er Moment bleibt und mit Feuerwerksprojektionen die Kugel zum Nachthimmel voller Explosionen machte.

Der wohl angenehmste Unterschied zum Auftritt im Stadtgarten war dass diesmal Zeit für eine Zugabe blieb, so beschloss No More Runnin (ich glaube die andere Zugabe war Also Frightened, kann mich aber nicht recht entsinnen) ein herrliches, überraschend differenziertes und unaufgeregtes Set. Zu dem Zeitpunkt hatte sich das Publikum (wie auch beim letzten Mal) dank vieler nicht erfüllter Erwartungen dermaßen ausgedünnt dass man auch gemütlich Platz zum freien Atmen hatte, es bleibt dabei: Mit spezifischen Erwartungen zu Animal Collective zu gehen ist ein riskantes Vorgehen, so lange man für Reinterpretationen und völlig Neues offen bleibt ist ein einmaliges Erlebnis aber nahezu garantiert. Diesen Typen ist das Wort "Routine" einfach fremd, auch wenn sie einen Song damit betitelt haben.

Stream: Yeah Yeah Yeahs - It's Blitz!

Dass ausgerechnet die Yeah Yeah Yeahs, deren großer Pluspunkt von Anfang an Nick Zinners Gitarrengewerke war, nun den Sechssaiter zugunsten von Synths aus dem Fenster schmeißen macht etwas misstrauisch. Andererseits war das nicht ihr einziger Pluspunkt und eine Hinwendung zum stampfigen Glamrock, der sich letztes Jahr mit gemischten Resultaten schon im Mainstream-US-Pop breitgemacht hat, scheint Karen O wie auf den Leib geschrieben. Das Ergebnis lässt sich nun komplett online anhören, nächste Woche erscheint It's Blitz dann erstmal als Download.

[Stream] Yeah Yeah Yeahs - It's Blitz!

Fabchannel hört auf, aber es gibt Alternativen

Schon von Anfang an hab ich hier immer wieder dankbar auf Fabchannel verlinkt, in den vergangenen Jahren hat die Seite so manche Gelegenheit gegeben, Bands live in Aktion zu sehen die man sonst nie oder erst viel später zu Gesicht bekommen hätte und hat mich so an mancher Band überhaupt erst interessiert gemacht.
Nun ist damit leider Schluss, besonders schade weil es bis heute auch kaum ein vergleichbares Angebot gibt, die meisten Live- und Archivvideostreams von kompletten Konzerten sind sporadisch verstreut und oft nur schwer zu finden. Ein paar merkenswerte Anlaufstellen mit ähnlichen Inhalten gibt es dennoch:

Moshcam ist Fabchannel so ähnlich dass man es fast als australisches Pendant bezeichnen könnte. Features und Aufmachung des Videoplayers sind nahezu identisch, mittlerweile hat sich auch das inhaltliche Angebot ordentlich gemausert. Liveübertragungen gibt es dort soweit ich weiß nicht, das Archiv umfasst aber allein dieses Jahr u.a. Konzerte von Stars, Stereolab, Jay Reatard, Spiritualized, Throwing Muses, Afrirampo, Tegan & Sara und Lykke Li.

Ligx ist eine deutsche Plattform für Liveübertragungen die auch anschließend archiviert werden. Ist mit einem neuen Design weitaus angenehmer zu navigieren als bisher, allerdings kann man im Terminkalender nicht immer sofort sehen wer eigentlich auftritt. Nahezu täglich Liveübertragungen, meistens aus dem nordischen Raum und ab und zu auch mit (mir) bekannteren Namen wie Why?, The Indelicates, Rubies oder Urlaub In Polen.

Auch der Besuch von Baeble, Pitchfork.tv und Grandcrew lohnt sich immer wieder. Letztere filmen in Frankreich und haben u.a. Videos von Gang Gang Dance, Jamie Lidell und Ratatat zu bieten.
Pitchfork.tv zeigt, klar, vor allem Sachen über die auch auf Pitchfork geschrieben wird. Die Seite hat mehrere Programmformate, die Liste der "normalen" Konzertmitschnitte findet sich unter "Pitchfork Live".
Baeble schließlich bietet seine Konzertvideos auch auf DVD an, die Videos von Deerhunter, The Hold Steady, My Brightest Diamond, Ponytail oder demnächst auch The Pains Of Being Pure At Heart und Trail Of Dead kann man dennoch umsonst streamen.

Stream: Dan Deacon - Bromst

Dreieinhalbmal habe ich nun schon Dan Deacons neues Album gehört, immer noch kann ich es nicht so recht in Worte fassen. Es ist auf jeden Fall gut, fasst seinen quietschbunt überladenen Elektro-und-jetzt-auch-etwas-mehr-Sound in besser greifbare Strukturen, ist möglicherweise etwas zu lang, ähnelt vage einer dreifachen Überdosis an Koffein, Zuckersirup und Acid, macht beim Hören gewaltigen Spaß und wird von vielen vermutlich als "anstrengend" und "nervig" bezeichnet werden. Mehr vermag ich so auf die Schnelle nicht, anhören kann man Bromst jedenfalls nun komplett bei NPR.

[Stream] Dan Deacon - Bromst