Von Uli am 4. Juli 2007, 19:36
Das ging nun wirklich flott. Nachdem sehr kurzfristig Anfang Juni der ursprüngliche Termin abgesagt werden musste stand prompt der Nachholtermin fest, gerade mal einen Monat später. Wie sehr einem nun das Konzert von
Modest Mouse gestern gefiel dürfte vor allem davon abhängen wie gut man ihre letzten beiden Alben mag, denn die davon stammenden Stücke machten den überwiegenden Teil des Abends aus. Für mich war das eine ambivalente Angelegenheit, während ich das neue recht gerne mag habe ich bis heute keinen rechten Gefallen an
Good News For People Who Love Bad News finden können.
Doch sowas war zunächst noch gar nicht abzusehen, klar war nur dass die Auswahl der Musik, die während des Umbaus vom Band - nun ja, genau genommen einer des Öfteren springenden CD - ablief, die beste seit langer Zeit war. Lauter alte Indierockschätze, jaulende Gitarren, dröhnende Drums und schiefe Stimmen, super! Dann betraten Modest Mouse die Bühne, Isaac Brock piepste mit vermutlich heiserer Stimme ein paar schwer verständliche Worte ins Mikro und die Band spielte
Paper Thin Walls auf, Brocks Gesang war aber erfreulicherweise unbeeinträchtigt von seiner Heiserkeit voll da. Na toll, eines der besten Stücke von meinem Lieblingsalbum von ihnen (später kam auch noch
Tiny Cities Made Of Ashes), ich war direkt happy. Das ging offenbar nicht allen so, doch war bei den ersten beiden Stücken anscheinend die Parole Stillstand ausgegeben worden erwachten die vorderen Reihen dann ab
Float On sprungartig zum Leben.
Als Antreiber erwies sich dabei vor allem Isaac Brock der zwar nicht die Mitte der Bühne besetzt hielt (die gehörte Keyboarder, Trompeter und Mädchen für alles Tom Peloso der links von Johnny Marr und rechts von Brock flankiert wurde) aber trotzdem ganz klar die Zügel in der Hand hielt. Wie besessen bellte, heulte und jaulte er, schüttelte und rüttelte und wirbelte seine Gitarre umher, um dann in der nächsten Sekunde wieder völlig kontrolliert zu wirken, still stehend mit großen weiten Augen einen Horizont am Ende der Halle zu erblicken versuchend. Dabei schien er diese kontrollierten Ausbrüche besonders bei den neuesten Stücken zu genießen, manchmal wirkte er wenn er in seiner Theatralik ein Mikrofon ergriff schon fast wie ein Zirkusdirektor.
Dadurch dass jeder fest auf dem ihm zugedachten Platz blieb entstand noch mehr der Eindruck dass dieser Direktor eine bunt zusammengewürfelte Truppe um sich versammelt hatte: Brock mit Seemannsbart, ein Gitarre tragender Kapitän Haddock; hinter den zwei(!) Schlagzeugen die scheinbaren Zwillinge Jeremiah Green und Joe Plummer, beide mit kurzen gelbblonden Haaren und in grüne Basketballhemden gekleidet aus der Distanz unmöglich voneinander zu unterscheiden; Peloso und ein nicht identifizierbarer Bassist, bereit zum Kneipenbesuch; und.. äh.. mittendrin Johnny Marr. Dass so ein bunter Haufen letztens noch an der Spitze der US-Charts stand war schon ein amüsanter Gedanke.
Modest Mouse live bedeutet heutzutage sicher etwas anderes als vor 10 Jahren. Das Schlagzeugduo verlieh alten wie neuen Songs durch zusätzliche Percussions neue Elemente und brachte dank der Kraft der zwei Drumsets noch einen zusätzlichen Schub in die meist - herrje, jetzt muss ich wohl "tanzbaren" sagen - tanzbaren neueren Nummern, bei denen man dann leider selten ausgedehnte Gitarrenparts solo oder im Wechselspiel geboten bekam.
Marr stand dabei besonders heraus, sichtlich würdevoll im Gebahren, inbrünstig jeden noch so kleinen seiner Gitarrenparts ergreifend, und am Schluss verließ er die Bühne nicht ohne nicht noch schnell seine Jacke übergezogen zu haben. Aber wie schon erwähnt, wichtig für den Besucher war trotz vor allem die Songauswahl. Als Beleg dafür ein im Anschluss überhörter Minidialog: "Das war scheiße, die besten Songs haben sie überhaupt nicht gespielt!" - "Quatsch, den besten Song haben sie direkt am Anfang gespielt!"
Ich für meinen Teil hätte mir ältere statt
Good News-Songs gewünscht, aber dass ich das Konzert letztlich überaus glücklich verließ hatte
Spitting Venom zu verantworten, mein Favorit von
We Were Dead Before The Ship Even Sank das ich just vor der Abfahrt noch gehört hatte. Das längste Stück der Platte wurde live zu einem echten Rockmonster aufgeblasen, doppelt so laut, doppelt so viele Drums, doppelt so viele Gitarren plus zusätzliche Soli und Variationen, und Brock flocht wenn ich mich nicht getäuscht habe gegen Ende auch noch den Text von
I Came As A Rat mit ein. Wenn zu dem Zeitpunkt meine Augen nicht so schmerzhaft gebrannt hätten vor lauter Schweiß der dort reinlief (die Live Music Hall kann echt unangenehm heiß werden, weia) hätte ich sicher komplett von einem Ohr zum anderen gegrinst.
Danach verabschiedete Brock sich unter eher anständigem als rauschendem Applaus, bemerkt werden sollte aber nicht nur dass es danach noch eine Zugabe setzte sondern auch dass seine Stimme zu diesem Zeitpunkt wieder normal klang: In der Mitte des Konzertes hatte er es aufgegeben seine Stimme zu verstellen und musste seinen Mitstreitern eingestehen dass er seine Wette verloren habe. Hatten die auf der Bühne also auch ihren Spaß gestern.
Update:
Fotos auf Phlickr.