75 aus 2012 (Teil 1)
Von Uli am 25. Dezember 2012, 20:12
(Teil 2) (Teil 3) (Teil 4) (Teil 5) (Teil 6) (Teil 7)
Platz 75
LO-FI-FNK - Maxade Mixtape Volume 1
Natürlich finde ich diesen Mix des Schwedenduos nur deswegen toll, weil er mit dem Übergang von Grimes zu Robert Miles genau dieses 90er-Gefühl einfängt, das für mich von viel jetziger Internet-Musik ausgeht. Vielleicht aber auch, weil er generell "den" nichtsingulären Sound dieses Jahres einfängt, zwischen R&B, Cloud-Rap und Schwedenpop diese ungreifbare softere Umreißung von Jetztmusik gegenüber derjenigen aufzeigt, von der sie abstammt.
[Stream/Download] LO-FI-FNK - Maxade Mixtape Volume 1
Platz 74
Los Campesinos! / Matthew Friedberger - Heat Rash / Solos
An dieser Stelle sollte wohl schon klar sein, dass diese Liste 2012 nicht allzu streng kategorisch ausfallen wird. Matthew Friedbergers Solos-Projekt erschien zwar zum großen Teil bereits 2011, doch es in diese Liste zu packen, bevor es abgeschlossen war, schien falsch. Insbesondere, weil es für Abonnenten eben noch zwei Bonuswerke gab: Artemisia ist eine Art klassizistisches Ferraro-Werk, springt stimmlich relativ konsistent zwischen loopigem Solopiano, Barockorchester, Kontrabass und Westernmusik und wäre eine der spinnertesten Angelegenheiten des Jahres, wenn es nicht nur eine Art Vorschau auf den endgültigen Irrsinn seines diesjährigen regulären Albums wäre - und Friedberger nebenher noch The Diabolical Principle rausgehauen hätte, einen Mix aller sechs regulären Solos-Alben. Deren endgültigen Abschluss macht Goodbye Forever nach all dem Rumexperimentieren auf unvertrauten Instrumenten mit Klavierstücken auf der ersten Seite, deren Gegenüber zwar sonisch komplexer klingt, jedoch - den Amateur-Entdeckersinn der Reihe irgendwie zurückführend - zum Nachspielen einlädt: Friedberger schickt die Noten auf Wunsch zu.
Los Campesinos! wollten ihre Singles-Serie eigentlich saisonal aufteilen, doch nicht zuletzt durch ein Album dazwischen brauchte es fast doppelt so lange für Heat Rash. Das erwies sich aber insbesondere für Fans als lohnendes Unterfangen, setzte es doch die typischen Campesinos!-Affinitäten fort: anachronistische Indie-Haptik in Vinyl-Präsentation und einem nicht minder aufwendigen Magazin, das jeweils dem gleichen Thema wie die Singles folgte (Tourleben, die Arbeiten an Hello Sadness, Dialoge/Kollaborationen mit Freunden der Band und Romantisches). Die Songs mögen zwar nicht durchgängig von regulärem Veröffentlichungsniveau gewesen sein, waren es aber zum Teil und gaben vor allem einen Einblick in die Entwicklung der Band, zunächst von Album zu Album, dann den Nachklang davon und allmählich auch Aufbruch zu neuen Ufern. Alles andere folgt dann 2013.
Platz 73
Poolside - Pacific Standard Time
Ein Album, so durchgängig faul loungend, dass man es durchaus von regulärer Disco abgrenzen kann, um niemand auf die Füße zu treten - Poolside sagen Daytime Disco, ich nenne es Yachtcore. Dessen Schwäche ist denn auch leicht gefunden: Die Vocals sind laff, nicht immer passiert etwas so bemerkenswertes wie in den SIngles, und das bei 16 Stücken über eine proppevolle CD. Doch eben dort liegt auch die Qualität der Musik, deswegen funktionierte sie am besten dann, als sie (nicht in Deutschland, wo man bis November warten konnte) erschien, wo man sich in der Sommerhitze gar nicht groß bewegen wollte. Als Bonus begann ich auch durch das Harvest Moon-Cover erstmals zu verstehen, dass mir Neil Young durchaus auf Stimmungs-Ebene gefallen könnte.
[Spotify] Poolside - Pacific Standard Time
Platz 72
Captain Murphy - Duality
Braucht alles nur das passende Transportmedium im richtigen Moment? Bei Captain Murphys Mixtape Duality jedenfalls hab ich das Anhören lange hinausgeschoben, kam es doch anfangs nur im Videoformat, das lediglich anzuhören irgendwie unangemessen schien. Doch am Wochenende, im ersten Flachliege-Fresskoma der Vorweihnachtszeit, wirkte wenig passender als das Einwirken der 35-minütigen Videocollage, die nicht nur den psych-soften Sound der Musik und die expliziten Vocals (daher: entschieden ab 18) des schmierigen Kultführers widerspiegelt, sondern auch Text- und Sample-Referenzen visuell einbindet und so dem Format eine nette Extradimension verleiht.
[Video/Download] Captain Murphy - Duality
Platz 71
The Stevens - EP
Melbourne, Melbourne, immer wieder gab es dieses Jahr tolles Gitarrenbeschlenker von dort. Noch nicht ganz typisch dafür war die Debüt-EP von The Stevens, die nicht nur im Namen eher an Christchurch erinnern: Indie-Pop mit Kiwi-Charme und exzellentem Hookgespür über sechs Stücke, wie ich sie seit dem ähnlich starken Debüt von Surf CIty nicht erlebt habe. Das macht nicht zuletzt Hoffnung aufs bereits komplettierte Album mit Melbourne-Albini Mikey Young, doch für's Erste vor allem gehörig Laune.
[Albumstream] The Stevens - EP
[Download] The Stevens - EP
Platz 70
The Men - Open Your Heart
Es hätte ein ganz großes Album sein können, doch wirkte Open Your Heart eher wie ein Zwischenschritt vom Noiserock Leave Home zu Populistischerem. Dessen Geist durchweht Open Your Heart gewiss, in großen, weltumarmenden Riffs, Pop-Punk mit vielleicht etwas zu offensichtlichem Buzzcocks-Melodieabpausen und unverstärkter Akustik, doch produktionsmäßig waren The Men einfach noch nicht ganz mitgezogen, mit zu tief abgemischten Vocals und Unklarheiten, wo scharfe Konturen überzeugender gewesen wären. So eben "nur": ein recht großes Album.
[Albumstream] The Men - Open Your Heart
Platz 69
Chromatics - Kill For Love / Running From The Sun
Wer bis zu diesem jahr an Entzug litt, bekam 2012 Johnny Jewel satt: Über fünf Stunden Musik haute er mit diesen beiden Alben, der beatlosen Version von Kill For Love und dem Mammut Symmetry heraus. Dabei war nicht einmal so sehr die schiere Menge an Material, sondern dessen Arrangement ein leichtes Problem: Immer wieder verlor ich die Lust an Kill For Loves zweiter Hälfte, die der Hit-Parade der ersten nahezu ausschließlich Stimmungs-Stücke folgen lässt. Schon enorm effektiv erwies es sich, die Monotonie ganz simpel dadurch zu brechen, die Trackliste nach dem Schema 1->9->2->11->3 usw. zu permutieren - bester Beweis dafür war das Bonus-Album Running From The Sun, das mit wechselfreudigerer Dynamik ganz formidabel wirkte.
[Albumstream] Chromatics - Kill For Love / Running From The Sun
Platz 68
Traxman / Lil Jabba - Heat / Free Life
Wer auf Footwork steht, kann sich über veröffentlichungsfaule Produzenten nicht beklagen. Allein aus der Chicagoer Teklife-Ecke und DJ Spinns Flight-Music-Leuten gibt es Dutzende Soundcloud-Accounts, auf denen täglich neue Stücke, Mixe und EPs hochgeladen werden. Umgekehrt ist es dabei aber auch umso seltener, dass bei laxer Qualitätskontrolle einmal eine größere Sammlung duchgängig großartiger Tracks herauskommt - umso erfreulicher, dass eine davon aus den Händen Traxmans stammt, mit dem ich so als einzigem der "großen Namen" normalerweise nicht ganz klar komme weil seine Kompositionen zu deutlich konstruiert wirken, ihre Gerüste und Nähte durchklingen. Nicht nur ist das Sample des Eröffnungsstücks wundervoll inszeniert, tollkühn zeigt Traxman im Folgenden die Universalität von Footwork, in das sich auch ein Black-Sabbath-Klassiker einrocken lässt. Lil Jabbas Gratis-EP zeigt dafür sehr gut, warum er für mich der wohl interessanteste Nachwuchsler ist, mit abenteuerlich synkopierten Beat-Melodie-Dynamiken wirken Beinverknoter wie STepS.(i GLiDE) auch ohne Vocal-Sample geradezu alienhaft futuristisch.
[Stream/Download] Traxman - Heat
[Stream/Download] Lil Jabba - Free Life
Platz 67
The KDMS - Kinky Dramas & Magic Stories
Man will ja bei der genderstereotypen Disco-Konstellation aus Produzent und Sängerin nicht sexistisch den ganzen Genius immer nur bei der einen Hälfte des Duos suchen, aber bei allem Respekt für Max Skibas klangliche Ausformulierung, ohne Katy Diamond wäre dieses Album kaum herausragend. Ihre Texte und Vocals geben den Songs eine emotionale Tiefe, die es bei einem ums andere Hören reichhaltiger machten als es der erste Anschein verhieß - nichtsdestotrotz ist deren Groove auch nicht ohne.
[Spotify] The KDMS - Kinky Dramas & Magic Stories
Platz 66
Titus Andronicus - Local Business
Klar, The Monitor konnte man nicht übertrumpfen, zumindest nicht mit einer vergleichbaren Platte. Vielleicht hab ich derartiges mittlerweile auch genug oft erlebt, dass ich von einer Band nicht enttäuscht bin, wenn sie daraufhin mal runterschraubt: Auf weniger sonische Gewichtigkeit, zu mehr Ausdifferenziertheit in der Owen Palletts Streicherbeitrag Eigenbewegung möglich ist, auf eine zu mehr Lockerheit willige, eklektische Platte, an der man beim Hören wahrscheinlich nicht ganz so viel Spaß hat wie die Band ihn beim Machen hatte, die aber von dem typischen Grad an Ernsthaftigkeit gezeichnet ist und ein Song wie My Eating Disorder diesen unnachahmlichen Widerstandsgeist trägt.
[Albumstream] Titus Andronicus - Local Business
Platz 65
Lee Ranaldo - Between The Times And The Tides
Ein Blick auf den Kritikerspiegel macht schnell klar: Wer dieses Album mag, ist ein alter weißer Mann. Auch wenn ich mich dieser Gruppe allmählich in jeder Hinsicht annähere, war mir schon eine Weile unklar, warum mir diese ereignisarme, textlich mitunter arg banale Songsammlung so zusagte. Die Antwort liegt wohl darin, welches Fachmagazin dieses zu seinem Album des Jahres gekürt hat: Guitar World. Ranaldo mag die zentrale Figur sein, doch das anhaltend Reizvolle an diesen eingängigen Songs ist das Gespiel seiner Mitwirkenden im Hintergrund, auf den Flanken, die im Miteinander vor allem an ihren Saiteninstrumenten ein subtiles Feingewebe erflechten.
[Albumstream] Lee Ranaldo - Between The Times And The Tides
Platz 64
Nine Muses - Sweet Rendezvous
Es mag ein popularitätsstarkes Jahr sondergleichen für K-Pop gewesen sein, insgesamt aber kam es musikalisch nicht ganz an die letzten paar heran. Zu viele Enttäuschungen, zu wenige Überraschungen von oben und unten, zu viele Inkonsistenzen vor allem, die eine geschlossen starke Vision über mehr als zwei sequentielle Songs verhinderten. Vielleicht hatten (die zwischen sieben und acht Mitgliedern schwankenden, arf) Nine Muses deswegen so ein starkes Mini-Album, weil sie sich auf vier Songs von Single-Kaliber beschränkten, vor allem aber auch auf das Produzententeam Sweetune. Das liefert nunmal eine maximalistische Aneinanderreibung sägezahnrauer und neonglatter Sounds zu dynamikreichen Perkussionen, deren Details sich oft erst in den Instrumentalversionen ihrer irre dichten Songs komplett ausmachen lassen. Dass davon zwei mit auf der EP enthalten sind, lässt sie mal ausnahmsweise zu mehr als netten Karaoke-Beiwerk werden.
[Video] Nine Muses - Who R U / Ticket / News / Figaro
Platz 63
Title Fight - Floral Green
Wenig ließ mich dieses Jahr weniger an Retromania glauben als das Beobachten des Punk-Hardcore-Nachwuchses. Bands wie Touché Amoré, Code Orange Kids und Title Fight scheinen bestens über die Vergangenheit ihrer bevorzugten Genres zu wissen, so gut, dass
ihnen Breaks, Riffs und Sounds nicht als zwingende Codes, sondern als neu rekombinierbares Vokabular erscheinen, in dessen vertraute Grammatik sich mit einer kleinen Modifikation etwas Vertrautes irgendwie doch in neuem Licht sehen lässt. Das zeigte sich auf Title Fights Album nicht so wirksam wie live, wo Skatepunkiges Seite an Seite mit den Emofarben Floral Greens stand, dafür zeichnete es sich eben durch Songwriting-Qualitäten aus, die fast alle Vergangenheitsechos übertönten.
[Albumstream] Title Fight - Floral Green
Platz 62
Massacooramaan - Fade To Mind Mix
Ich liebe Mixe, die mehr wie eine singuläre Komposition wirken, in der die einzelnen Tracks sich einem größeren Gefüge unterordnen anstatt einem immer wieder bewusst zu machen, dass man jetzt Dieses hört und dann Jenes kommt, bis irgendwas Das noch folgt. Ähnlich wie seine LabelkollegInnen Nguzunguzu mit ihrem letztjährigen The Perfect Lullaby durchzieht und variiert Dave Quam alias Massacooramaan hier 45 Minuten moderner Basskollisionen mit einem wiederkehrenden Motiv, aber auch Perkussions-Konstellationen, die immer wieder neuen Umgebungen ausgesetzt werden, Dynamiken innerhalb von größeren Dynamiken kreieren.
[Stream/Download] Massacooramaan - Fade To Mind Mix

LO-FI-FNK - Maxade Mixtape Volume 1
Natürlich finde ich diesen Mix des Schwedenduos nur deswegen toll, weil er mit dem Übergang von Grimes zu Robert Miles genau dieses 90er-Gefühl einfängt, das für mich von viel jetziger Internet-Musik ausgeht. Vielleicht aber auch, weil er generell "den" nichtsingulären Sound dieses Jahres einfängt, zwischen R&B, Cloud-Rap und Schwedenpop diese ungreifbare softere Umreißung von Jetztmusik gegenüber derjenigen aufzeigt, von der sie abstammt.
[Stream/Download] LO-FI-FNK - Maxade Mixtape Volume 1

Los Campesinos! / Matthew Friedberger - Heat Rash / Solos
An dieser Stelle sollte wohl schon klar sein, dass diese Liste 2012 nicht allzu streng kategorisch ausfallen wird. Matthew Friedbergers Solos-Projekt erschien zwar zum großen Teil bereits 2011, doch es in diese Liste zu packen, bevor es abgeschlossen war, schien falsch. Insbesondere, weil es für Abonnenten eben noch zwei Bonuswerke gab: Artemisia ist eine Art klassizistisches Ferraro-Werk, springt stimmlich relativ konsistent zwischen loopigem Solopiano, Barockorchester, Kontrabass und Westernmusik und wäre eine der spinnertesten Angelegenheiten des Jahres, wenn es nicht nur eine Art Vorschau auf den endgültigen Irrsinn seines diesjährigen regulären Albums wäre - und Friedberger nebenher noch The Diabolical Principle rausgehauen hätte, einen Mix aller sechs regulären Solos-Alben. Deren endgültigen Abschluss macht Goodbye Forever nach all dem Rumexperimentieren auf unvertrauten Instrumenten mit Klavierstücken auf der ersten Seite, deren Gegenüber zwar sonisch komplexer klingt, jedoch - den Amateur-Entdeckersinn der Reihe irgendwie zurückführend - zum Nachspielen einlädt: Friedberger schickt die Noten auf Wunsch zu.
Los Campesinos! wollten ihre Singles-Serie eigentlich saisonal aufteilen, doch nicht zuletzt durch ein Album dazwischen brauchte es fast doppelt so lange für Heat Rash. Das erwies sich aber insbesondere für Fans als lohnendes Unterfangen, setzte es doch die typischen Campesinos!-Affinitäten fort: anachronistische Indie-Haptik in Vinyl-Präsentation und einem nicht minder aufwendigen Magazin, das jeweils dem gleichen Thema wie die Singles folgte (Tourleben, die Arbeiten an Hello Sadness, Dialoge/Kollaborationen mit Freunden der Band und Romantisches). Die Songs mögen zwar nicht durchgängig von regulärem Veröffentlichungsniveau gewesen sein, waren es aber zum Teil und gaben vor allem einen Einblick in die Entwicklung der Band, zunächst von Album zu Album, dann den Nachklang davon und allmählich auch Aufbruch zu neuen Ufern. Alles andere folgt dann 2013.

Poolside - Pacific Standard Time
Ein Album, so durchgängig faul loungend, dass man es durchaus von regulärer Disco abgrenzen kann, um niemand auf die Füße zu treten - Poolside sagen Daytime Disco, ich nenne es Yachtcore. Dessen Schwäche ist denn auch leicht gefunden: Die Vocals sind laff, nicht immer passiert etwas so bemerkenswertes wie in den SIngles, und das bei 16 Stücken über eine proppevolle CD. Doch eben dort liegt auch die Qualität der Musik, deswegen funktionierte sie am besten dann, als sie (nicht in Deutschland, wo man bis November warten konnte) erschien, wo man sich in der Sommerhitze gar nicht groß bewegen wollte. Als Bonus begann ich auch durch das Harvest Moon-Cover erstmals zu verstehen, dass mir Neil Young durchaus auf Stimmungs-Ebene gefallen könnte.
[Spotify] Poolside - Pacific Standard Time

Captain Murphy - Duality
Braucht alles nur das passende Transportmedium im richtigen Moment? Bei Captain Murphys Mixtape Duality jedenfalls hab ich das Anhören lange hinausgeschoben, kam es doch anfangs nur im Videoformat, das lediglich anzuhören irgendwie unangemessen schien. Doch am Wochenende, im ersten Flachliege-Fresskoma der Vorweihnachtszeit, wirkte wenig passender als das Einwirken der 35-minütigen Videocollage, die nicht nur den psych-soften Sound der Musik und die expliziten Vocals (daher: entschieden ab 18) des schmierigen Kultführers widerspiegelt, sondern auch Text- und Sample-Referenzen visuell einbindet und so dem Format eine nette Extradimension verleiht.
[Video/Download] Captain Murphy - Duality

The Stevens - EP
Melbourne, Melbourne, immer wieder gab es dieses Jahr tolles Gitarrenbeschlenker von dort. Noch nicht ganz typisch dafür war die Debüt-EP von The Stevens, die nicht nur im Namen eher an Christchurch erinnern: Indie-Pop mit Kiwi-Charme und exzellentem Hookgespür über sechs Stücke, wie ich sie seit dem ähnlich starken Debüt von Surf CIty nicht erlebt habe. Das macht nicht zuletzt Hoffnung aufs bereits komplettierte Album mit Melbourne-Albini Mikey Young, doch für's Erste vor allem gehörig Laune.
[Albumstream] The Stevens - EP
[Download] The Stevens - EP

The Men - Open Your Heart
Es hätte ein ganz großes Album sein können, doch wirkte Open Your Heart eher wie ein Zwischenschritt vom Noiserock Leave Home zu Populistischerem. Dessen Geist durchweht Open Your Heart gewiss, in großen, weltumarmenden Riffs, Pop-Punk mit vielleicht etwas zu offensichtlichem Buzzcocks-Melodieabpausen und unverstärkter Akustik, doch produktionsmäßig waren The Men einfach noch nicht ganz mitgezogen, mit zu tief abgemischten Vocals und Unklarheiten, wo scharfe Konturen überzeugender gewesen wären. So eben "nur": ein recht großes Album.
[Albumstream] The Men - Open Your Heart

Chromatics - Kill For Love / Running From The Sun
Wer bis zu diesem jahr an Entzug litt, bekam 2012 Johnny Jewel satt: Über fünf Stunden Musik haute er mit diesen beiden Alben, der beatlosen Version von Kill For Love und dem Mammut Symmetry heraus. Dabei war nicht einmal so sehr die schiere Menge an Material, sondern dessen Arrangement ein leichtes Problem: Immer wieder verlor ich die Lust an Kill For Loves zweiter Hälfte, die der Hit-Parade der ersten nahezu ausschließlich Stimmungs-Stücke folgen lässt. Schon enorm effektiv erwies es sich, die Monotonie ganz simpel dadurch zu brechen, die Trackliste nach dem Schema 1->9->2->11->3 usw. zu permutieren - bester Beweis dafür war das Bonus-Album Running From The Sun, das mit wechselfreudigerer Dynamik ganz formidabel wirkte.
[Albumstream] Chromatics - Kill For Love / Running From The Sun

Traxman / Lil Jabba - Heat / Free Life
Wer auf Footwork steht, kann sich über veröffentlichungsfaule Produzenten nicht beklagen. Allein aus der Chicagoer Teklife-Ecke und DJ Spinns Flight-Music-Leuten gibt es Dutzende Soundcloud-Accounts, auf denen täglich neue Stücke, Mixe und EPs hochgeladen werden. Umgekehrt ist es dabei aber auch umso seltener, dass bei laxer Qualitätskontrolle einmal eine größere Sammlung duchgängig großartiger Tracks herauskommt - umso erfreulicher, dass eine davon aus den Händen Traxmans stammt, mit dem ich so als einzigem der "großen Namen" normalerweise nicht ganz klar komme weil seine Kompositionen zu deutlich konstruiert wirken, ihre Gerüste und Nähte durchklingen. Nicht nur ist das Sample des Eröffnungsstücks wundervoll inszeniert, tollkühn zeigt Traxman im Folgenden die Universalität von Footwork, in das sich auch ein Black-Sabbath-Klassiker einrocken lässt. Lil Jabbas Gratis-EP zeigt dafür sehr gut, warum er für mich der wohl interessanteste Nachwuchsler ist, mit abenteuerlich synkopierten Beat-Melodie-Dynamiken wirken Beinverknoter wie STepS.(i GLiDE) auch ohne Vocal-Sample geradezu alienhaft futuristisch.
[Stream/Download] Traxman - Heat
[Stream/Download] Lil Jabba - Free Life

The KDMS - Kinky Dramas & Magic Stories
Man will ja bei der genderstereotypen Disco-Konstellation aus Produzent und Sängerin nicht sexistisch den ganzen Genius immer nur bei der einen Hälfte des Duos suchen, aber bei allem Respekt für Max Skibas klangliche Ausformulierung, ohne Katy Diamond wäre dieses Album kaum herausragend. Ihre Texte und Vocals geben den Songs eine emotionale Tiefe, die es bei einem ums andere Hören reichhaltiger machten als es der erste Anschein verhieß - nichtsdestotrotz ist deren Groove auch nicht ohne.
[Spotify] The KDMS - Kinky Dramas & Magic Stories

Titus Andronicus - Local Business
Klar, The Monitor konnte man nicht übertrumpfen, zumindest nicht mit einer vergleichbaren Platte. Vielleicht hab ich derartiges mittlerweile auch genug oft erlebt, dass ich von einer Band nicht enttäuscht bin, wenn sie daraufhin mal runterschraubt: Auf weniger sonische Gewichtigkeit, zu mehr Ausdifferenziertheit in der Owen Palletts Streicherbeitrag Eigenbewegung möglich ist, auf eine zu mehr Lockerheit willige, eklektische Platte, an der man beim Hören wahrscheinlich nicht ganz so viel Spaß hat wie die Band ihn beim Machen hatte, die aber von dem typischen Grad an Ernsthaftigkeit gezeichnet ist und ein Song wie My Eating Disorder diesen unnachahmlichen Widerstandsgeist trägt.
[Albumstream] Titus Andronicus - Local Business

Lee Ranaldo - Between The Times And The Tides
Ein Blick auf den Kritikerspiegel macht schnell klar: Wer dieses Album mag, ist ein alter weißer Mann. Auch wenn ich mich dieser Gruppe allmählich in jeder Hinsicht annähere, war mir schon eine Weile unklar, warum mir diese ereignisarme, textlich mitunter arg banale Songsammlung so zusagte. Die Antwort liegt wohl darin, welches Fachmagazin dieses zu seinem Album des Jahres gekürt hat: Guitar World. Ranaldo mag die zentrale Figur sein, doch das anhaltend Reizvolle an diesen eingängigen Songs ist das Gespiel seiner Mitwirkenden im Hintergrund, auf den Flanken, die im Miteinander vor allem an ihren Saiteninstrumenten ein subtiles Feingewebe erflechten.
[Albumstream] Lee Ranaldo - Between The Times And The Tides

Nine Muses - Sweet Rendezvous
Es mag ein popularitätsstarkes Jahr sondergleichen für K-Pop gewesen sein, insgesamt aber kam es musikalisch nicht ganz an die letzten paar heran. Zu viele Enttäuschungen, zu wenige Überraschungen von oben und unten, zu viele Inkonsistenzen vor allem, die eine geschlossen starke Vision über mehr als zwei sequentielle Songs verhinderten. Vielleicht hatten (die zwischen sieben und acht Mitgliedern schwankenden, arf) Nine Muses deswegen so ein starkes Mini-Album, weil sie sich auf vier Songs von Single-Kaliber beschränkten, vor allem aber auch auf das Produzententeam Sweetune. Das liefert nunmal eine maximalistische Aneinanderreibung sägezahnrauer und neonglatter Sounds zu dynamikreichen Perkussionen, deren Details sich oft erst in den Instrumentalversionen ihrer irre dichten Songs komplett ausmachen lassen. Dass davon zwei mit auf der EP enthalten sind, lässt sie mal ausnahmsweise zu mehr als netten Karaoke-Beiwerk werden.
[Video] Nine Muses - Who R U / Ticket / News / Figaro

Title Fight - Floral Green
Wenig ließ mich dieses Jahr weniger an Retromania glauben als das Beobachten des Punk-Hardcore-Nachwuchses. Bands wie Touché Amoré, Code Orange Kids und Title Fight scheinen bestens über die Vergangenheit ihrer bevorzugten Genres zu wissen, so gut, dass
ihnen Breaks, Riffs und Sounds nicht als zwingende Codes, sondern als neu rekombinierbares Vokabular erscheinen, in dessen vertraute Grammatik sich mit einer kleinen Modifikation etwas Vertrautes irgendwie doch in neuem Licht sehen lässt. Das zeigte sich auf Title Fights Album nicht so wirksam wie live, wo Skatepunkiges Seite an Seite mit den Emofarben Floral Greens stand, dafür zeichnete es sich eben durch Songwriting-Qualitäten aus, die fast alle Vergangenheitsechos übertönten.
[Albumstream] Title Fight - Floral Green

Massacooramaan - Fade To Mind Mix
Ich liebe Mixe, die mehr wie eine singuläre Komposition wirken, in der die einzelnen Tracks sich einem größeren Gefüge unterordnen anstatt einem immer wieder bewusst zu machen, dass man jetzt Dieses hört und dann Jenes kommt, bis irgendwas Das noch folgt. Ähnlich wie seine LabelkollegInnen Nguzunguzu mit ihrem letztjährigen The Perfect Lullaby durchzieht und variiert Dave Quam alias Massacooramaan hier 45 Minuten moderner Basskollisionen mit einem wiederkehrenden Motiv, aber auch Perkussions-Konstellationen, die immer wieder neuen Umgebungen ausgesetzt werden, Dynamiken innerhalb von größeren Dynamiken kreieren.
[Stream/Download] Massacooramaan - Fade To Mind Mix