Konzert: Envy
Von Uli am 23. November 2007, 18:45

Man sollte ja meinen dass am Abend an dem Die Ärzte in Köln eine große Jubiläumsgala geben eine Hardcoreband aus dem fernen Japan noch zur geringsten Konkurrenz zählen würde. Doch die Treue und Menge von Envys Fans sind groß, und so ist das Gebäude 9 proppevoll da Tickets restlos ausverkauft sind. Aus weit entfernt sind manche angereist, man hört Französisch und Schwedisch und vielerlei Englisch mit nichtdeutschem Akzent. Wo man hinsieht Hardcore-Tshirts und -Sweater, Hardcorekäppis und Hardcorehaarschnitte (gerade anscheinend angesagt bei den Damen: gelbblonde Zöpfe). Aber keine reine Szeneveranstaltung, denn auch wenn Envy gut holzen so ist weniger ein Abend für Moshpits als für andächtiges Zuhören.
Weghören wäre auch kaum möglich, denn da ihre Landsmänner Mono dieses mal nicht nach Köln kommen gebührt Envy der Titel "Lautestes Konzert des Jahres". Schon als die fünf loslegen gibt's ordentlich was aufs Trommelfell, doch dann wendet sich Tetsuya Fukagawa vom Mikrophon ab und dem mit Elektronik belegten Tisch hinter seinem Rücken zu, der Song tritt richtig in Aktion und es geht laut -> OhmeinGottwhatthefuckaahistdasgeil. In diesem Orkan treiben Bassist und beide Gitarristen die keinen Anschlag verfehlen während sie zucken und sich wiegen, besonders der rechte Gitarrist geht irre ab und ich bin absolut fasziniert von seinem Haar das einen eigenen Tanz aufzuführen scheint.
Envys Texte als nicht besonders fröhlich zu charakterisieren wäre noch untertrieben, in den sowohl auf Japanisch als auch Englisch geschriebenen Booklets findet sich ein überwältigendes Spektrum von negativen Emotionen wieder. Fukagawas gepeinigt heisere Stimme ist dabei ein ideales Vehikel um die dunkle Seite der Gefühlswelt zu transportieren, auch wenn er stellenweise singt ist es nur eine Frage bis es zum nächsten gutturalen Ausbruch kommt. Trotzdem gibt es dem Zuhörer ein wahres Glücksgefühl an dieser Trauer teilzuhaben, besonders die neueren Stücke wie Scene sind von schönen sphärischen Synthklängen durchzogen die einen bei dieser Lautstärke nur noch eindringlicher durchfluten. Von der innerlich und äußerlich erwärmten Menge strömt dafür Dankbarkeit nach vorne, und nach einer Zugabe verlassen Envy mit einem Lächeln auf den Lippen die Bühne.
Auf der Rückfahrt steigen auch Besucher des soeben beendeten Ärzte-Konzertes in die Bahn. Fröhlicher wirken aber irgendwie diejenigen die gerade nicht die beste Band der Welt gesehen haben. Macht der Katharsis.
Videos auf Youtube gibt es hier und hier, letzteres ist soundmäßig weniger gut aber sehr schön gefilmt mit super Gitarristenaction am Ende.