Konzert: c/o pop Tag 3 - M.I.A., Dubstep Im Stadtgarten

Der mittlere Tag des sich bis dahin musikalisch prima anlassenden Kölner Festivals begann mit einer organisatorischen Rätselhaftigkeit. Als ich am Gloria eintraf war die Warteschlange davor praktisch noch nicht vorhanden, trotzdem prangte schon ein "Ausverkauft"-Schild vorne an. Das bedeutete dass es wohl recht voll werden dürfte, also mal flink angestellt. Kurz bevor der Einlass begann stellt sich dann heraus dass es diesmal einen Extraeinlass für Besitzer eines Dauertickets gab, also mal flink um den großen Tourbus vor der Tür gerannt und an der noch kürzeren Schlange an der anderen Seite angestellt. Kurz darauf stellte sich dann heraus dass Besitzer eines Dauertickets erst hereingelassen wurden nachdem alle Besitzer eines normalen Tickets bereits hereingelassen wurden, also.. hä? Nunja, war es letztlich eine längere Warterei als am Mittwoch obwohl ich früher gekommen war, aber wenigstens war ich dann irgendwann drin, rechtzeitig zum genreüberspannenden DJ-Set der Sick Girls die auf das zu kommende vorbereiteten.



Nach einer recht kurzen Umbauzeit trat ein neuer DJ hinters Pult und eine neue Videoshow auf die Wand über ihm. Unter Applaus, Sirenen und donnernden Gewehrschüssen betraten M.I.A. in Kapitänsmütze und eine Sängerin die Bühne und ab ging die Post mit Bamboo Banger vom neuen Album (das ich seit Anfang der Woche sicher schon ein Dutzend Mal gestreamt habe und dementsprechend gespannt war). M.I.A. hat sicherlich eine tolle Livepräsenz und gehört auf die große Bühne vor eine große Menge, in buntem Kostüm und mit militaristischer Mütze sang und tanzte sie aber nicht bloß dort sondern wanderte auch mehrmals über die in den Saal hereinragende Theke ins Publikum, blieb aber souverän immer auf ihrer eigenen Höhe bis sie einmal selbst das Publikum nach oben auf die Bühne einlud. Keine chaotische Erstürmung, zu jedem Zeitpunkt schien sie das physische Geschehen voll unter Kontrolle zu haben.

Während ich bei einem ihrer Ausflüge auf die Theke noch amüsiert darüber war wie schnell davor Handies gezückt wurden zeigte M.I.A. kurz darauf dass sie nicht nur keine Probleme mit den Effekten moderner Technologie hat sondern sie auch selbst zu nutzen weiß als sie alle dazu aufforderte ihre Handykameras zu zücken und die 2007er Version eines Meers aus geschwenkten Feuerzeugen zu schaffen. Auf der Leinwand dahinter setzte sie die Globalität ihrer Musik auch visuell in Szene mit bunt editierten Bildern von fröhlich feiernden Menschen aus Ländern die man ansonsten in Popvideos eher nicht zu sehen kriegt. Die Stimmung war auch vor der Bühne durchgehend euphorisch, bei Galang und Bucky Done Gone schien der Saal regelrecht zu explodieren.

Probleme machte mir allerdings der unebene Sound. Während viele Stücke, insbesondere die herrliche Bollywooddisconummer Jimmy, sich bestens anhörten gelang bei anderen die Umsetzung nicht so gut. Hussel, auf das ich mich mit am meisten gefreut hatte, blieb in einem Morast aus erdrückenden Knarzgeräuschen stecken während bei BirdFlu die markantesten Instrumentalspuren, das Hühnergegacker und die atemlosen Trommeln, auch nicht richtig zur Geltung kamen. Trotzdem ein toller und zu Recht gefeierter Auftritt, den Platz auf dem Cover einer im Flur ausliegenden Musikzeitschrift hat M.I.A. weiß Gott verdient.

[Video] M.I.A. - Jimmy
[Video] M.I.A. - BirdFlu
[Video] M.I.A. - Galang

Danach gab es die Wahl zwischen den zwei größten und besten Lineups des Festivals, der Kompakt Party und der Dubstep-Party im Stadtgarten. Da ich als der Welt schlechtester Dubstepfan trotz zahlreicher Gelegenheiten noch nie auf einer Kölner Veranstaltung war und erstmal genug von überfüllten Säälen hatte fiel die Wahl auf die Veranstaltung die mit Loefah, Plastician, Digital Mystikz und Pinch mit die namhaftesten britischen DJs überhaupt auf dem Programm hatte.

Lustigerweise hatte ich von Erzählungen anderer ohne jemald bei einem Dubstepabend gewesen zu sein bereits eine ziemlich detailierte Vorstellung davon wie es werden könnte, die zeigte sich auch in so ziemlich allen Punkten akkurat. Das heißt zuallererst mal dass Dubstep live absolut kein Vergleich ist mit Dubstep von einer durchschnittlichen heimischen Musikanlage (oder gar nem MP3-Player), das Hörerlebnis ist zwar da aberdie Faszination an Dubstep live ist dass es ein körperliches Erlebnis ist. Die Bässe sind zwar laut aber vor allem so intensiv dass man sie wirklich fühlt, sie bringen das Blut zum pulsieren und durchdringen spürbar den ganzen Raum. An einer Stelle schien der Bass in einer dicken Wolke über den Köpfen der Menge zu schweben, und das war kein erdrückendes Gefühl sondern mehr ein völlig ungewohntes. Mit der Zeit, je mehr ich lernte den Bass zu fühlen, wurde ich mehr und mehr in seinen Bann gezogen.

Das ging nicht nur mir so sondern auch vielen anderen Besuchern die sich im Stadtgarten eingefunden hatten, der Raum war zwar gut gefüllt aber besonders in seinen Ecken war genug Freiraum dass man sich nach belieben bewegen konnte. Das Publikum schien wie ich es aus England gehört hatte gemischt, es gab wirklich keine übergreifenden äußerlichen Gemeinsamkeiten, weder in Kleidung noch in Tanzstil. Manche tanzten schnell, manche zusammen, manche allein, manche langsam, manche sprangen, manche skankten, manche skippten, manche wippten vom einen Bein zum anderen, manche rissen euphorisch die Arme in die Höhe, manche hatten sie durchgehend tief in den Hosentaschen vergraben, manche standen und wippten mit dem Kopf, manche saßen und wippten mit dem Kopf, aber manche standen auch einfach nur mit geschlossenen Augen da. Die einzige Gemeinsamkeit war die Musik.

Da ich mitten rein schneite bekam ich nicht genau mit wer alles spielte, ich kann aber sagen dass Pinch ein brillantes Set spielte das linear von Stück zu Stück an Intensität zunahm und gleichzeitig, merklich etwa um Shackletons Blood On My Hands rum, immer mehr in Richtung Techno gelenkt wurde. Leider bin ich alt und immer noch auf Schlafentzug, so kapitulierten meine Beine trotz der Anfeuerungen von Sgt Pokes am Mikro noch vor 4 Uhr, aber der nächste Dubstepabend in Köln kommt bestimmt.