Jesu - Conqueror
Von Uli am 10. Mai 2007, 18:41
Wie kann das sein? Es sollte einem langweilig vorkommen, keine großen Melodien die einem sofort in Kopf, Herz oder Blut übergehen, schwergängiger Gang, mäßig guter Gesang... aber diese Gitarren, dieser saftige Sound...
Ich glaube fast ob man Conqueror gut findet hängt vor allem davon ab ob man den Klang einer Gitarre mag. Nicht irgendeiner Gitarre, sondern der von Justin Broadrick alias Jesu. Lang angehaltene Töne, wenige Anschläge, und ein Hall der über jeden Baggersee reichen könnte. In Jesus herrlich dicht texturierten und detaillierten Arrangements werden die Höhen, mit Broadricks Gesang und ambienten Elektroklängen, wie die Tiefen und was darüber liegt, mit wuchtigem Bass-Gitarre-Doppelklang, bedient. Das ergibt einen Effekt wie man ihm vom Shoegaze kennt, dass man beim Höern immer wieder dazu neigt in die Ferne zu starren (oder natürlich klischeemäßig auf die eigenen Schuhe), aber verdammt, diese Platte rockt auch einfach ganz mächtig so dass man mit jedem Anschlag den Arm schwingen und den Nacken wippen lassen will.
Die Musik scheint, am meisten kommt es mir bei Weightless Horizontal so vor, dem Gesang etwas hinterherzuhängen. Die Anschläge kommen pünktlich aber der zugehörige Klang erscheint erst ein bisschen später, als müsste sich das dicke Signal erst durch das enge Kabel zum Verstärker quetschen und der Ton derartig in die Länge gestreckt worden. Dazu setzt Broadricks Stimme immer wieder Millisekunden zu früh an, dem Song wird dadurch etwas Getragenenes, nahezu Sakrales verliehen. Aber was Conqueror vor allem prägt sind die melodischen Sensibilitäten des Gründungsmitglieds von Napalm Death, und damit jeder diese Aussage erst mal verdauen kann füge ich hier einen Absatz ein.
Eine funkelnd klingende Folge von Synthiesternchen hellt Weightless Horizontal auf, ein schwellender, immens weiter Gitarrenklang führt daraus in Broadricks Gesang über: "I'm way past trying / I'm way past caring / I'm way past hoping". Das wäre furchtbar depressiv, wäre dem nicht ein "Try not to lose yourself" vorangestellt. Zu metallisch mutierten Popklängen mischen Jesu zerfließende Gefühle mit fokussierten, Trauer mit Hoffnung, Angst mit Hinterfragen, und als würde sich das noch nicht schon groß genug anfühlen kommt beim finalen und prächtigsten Stück von allen, Stanlow, auch noch ein Chor ins Spiel. Zum Träumen schön wenn man zu den Menschen gehört die im Schlaf schon mal mit den Armen schwingen.
[Stream] Jesu - Conqueror