Kode9 & The Spaceape - Memories Of The Future
Von Uli am 31. Oktober 2006, 20:00
Nie zuvor habe ich so deutlich gemerkt dass sämtliche meiner Kopfhörer kompletter Schrott sind wie als ich ohne meine heimischen Lautsprecher völlig daran scheiterte die exquisiten Bässe auf dieser zweiten ganz großen Veröffentlichung des Londoner Dubstep-Labels Hyperdub auszumachen. Wie Burial mit seinem Debütalbum erwirkt Kode9 im Gegensatz zu seinem Mix Dubstep Allstars Vol. 3 (ebenfalls in Kollaboration mit Spaceape entstanden) auf Memories Of The Future eine andere musikalische Wirkung als im Clubumfeld in dem er normalerweise seine Musik aufführt. Das Album wirkt nicht wie ein Mixtape sondern wie eine durchdachhte Strukturierung aufeinanderfolgender separater Stücke, ein 'richtiges' Album eben.
Anfangs allerdings zeigt sich Kode9 noch im Club-Modus, allerdings schon hier mit vokaler Unterstützung des immer großartig auf den Fluss der Stücke achtenden Spaceape, der mit einer mächtigen Stimme ausgestattet die gesamte Stimmung des Albums sicher problemlos ersticken könnte, aber sich stattdessen unglaublich geschickt in die elektronischen Klänge die ihn umgeben einfügt und einem meist weder als Sänger noch als Rapper vorkommt, sondern wie ein weiteres höchst wichtiges Instrument neben z.B. Beat oder Hi-Hats vorkommt das eine ganz eigene Frequenz belegt. Während er mit seiner Frequenz meist nur einen Schritt gut hörbar hinter dem Vordergrund steht, arrangiert Kode9 beginnend mit Nine immer mehr Soundtexturen die sich in nur etwas mehr Entfernung dahinter abspielen, aber so weit entfernt sind dass es unmöglich ist sie ganz zu fassen.
Dieses außer-Reichweite-Thema führt Kode9 in Curious fort, wo die Stimme von Ms. Haptic um Spaceape umherschwirrt. Es ist nicht klar ob sie wirklich in der Gegenwart in der sich die Musik abspielt präsent ist, wahrscheinlicher ist sie nur ein Echo der Vergangenheit, oder auch ein Echo der Zukunft. Vielleicht sind diese Echos eben die Erinnerungen an die Zukunft die diesem Album seinen Namen gegeben haben.
Es sind auch nichtstimmliche Echos die dieses Album heimsuchen, fast alles was man sich an musikalischen Genres vorstellen kann wirft hier einen vagen Widerhall, tritt aber nie richtig in Erscheinung, macht die Musik so alles und zugleich auch fast nichts, etwas das außerhalb von allem was existiert steht.
Als Mensch steht überaus existent vor (, neben, über, hier gilt jede Präposition) diesem futuristisch/singularistischem elektronischen Ungetüm der überaus menschliche Spaceape, nie aufgeregt, meist monoton, aber unglaublich variantenreich auch wenn man's zuerst vielleicht nicht merkt. Hier wird die Stimme mehr zum Grummel, da zum leicht infernalischen Lachen, dort zum Geflüster, irgendwo scharrt sie fast nur noch und droht sich gar in vereinzelte Brocken aufzulösen, bleibt aber davon verschont zum Echo zu werden.
Auch Echos eines anderen Mediums, des Films, trifft man auf diesem Album an. Neben dem Albumtitel, der auch der Titel eines Buchs über Chris Marker und auch ein wichtiger Plotaspekt dessen Film La Jetee ist, wird auch das musikalische Thema zu einem von Kurosawas Meisterwerken auf 9 Samurai wie man schon am Titel erahnen kann weniger kopiert als variiert, bis es auch hier wieder nur eine halbgegenwärtige Präsenz wird.
Natürlich kann nicht alles ein Echo sein, meist ist die Melodie voll präsent, aber vor allem sind es auch die Bässe die den Hörer in seiner ganzen Physikalität genussvoll als Resonanzkörper nutzen in allen Tiefen die sie ausloten, nicht so dass man die Boxen vibrieren sieht, dass man Hörschaden bekommen könnte, nicht aufdringlich, aber eindringlich. Und so dafür sorgen dass man diese Platte als eine der ganz besonderen dieses Jahres in Erinnerung behält. Aber bitte, ohne gute Lautsprecher oder Kopfhörer wird das nix werden.
[Stream] Kode9 & The Spaceape - Memories Of The Future