Konzert: The Decemberists / Lavender Diamond



Eins muss man den Decemberists unbedingt lassen: sie haben einen exzellenten Riecher für gute Supportbands. Beim letzten Besuch vor anderthalb Jahren brachten sie Two Gallants, und gestern nun Lavender Diamond zum ersten Mal nach Köln. Seit gut einem Jahr kenne ich nun lediglich zwei Songs der Band um Sängerin Becky Stark, und trotzdem hoffte ich schon bevor das Konzert begann dass dies ein großer Auftritt werden würde. Und wahrhaftig, Stark kann live noch schöner singen als auf Platte, sie navigiert mühelos Höhen die man einer Stimme außerhalb der Operkultur nicht zutrauen würde.

Zugegeben, wer exzentrisches Auftreten nicht mag sollte einem Lavender Diamond-Konzert besser fernbleiben, Stark bekennt sich dazu sich gern wie eine Elfe zu fühlen und tänzelt dementsprechend auch in leicht dahinwehendem Kleid über die Bühne, begrüßt das Publikum mit "Congratulations to all of you for achieving world peace," was mit skeptischen Blicken erwidert wird. Während der ersten Minuten wird sie dann auch von einem Großteil der Besucher des ausverkauften und damit unangenehm prall gefüllten Prime Clubs ignoriert, doch bei Lied drei oder vier beginnt sie dann diese ungemein schönen Töne noch ungemein schöner zu treffen, man wagt nicht eine Sekunde wegzuhören aus Angst ganz viele denkwürdige Sekudnen zu verpassen, und das eifrige Gequassel verstummt tatsächlich überall um mich herum. Hier weiß jemand die Herzen der Menge an sich zu reißen, und nach diesem Set hätte ich auch schon völlig zufrieden nach Hause gehen können.

[MP3] Lavender Diamond - You Broke My Heart
[MP3] Lavender Diamond - Rise In The Springtime



Doch nach einem Bühnenumbau, musikalisch begleitet von Prokofievs "Peter und der Wolf," betreten The Decemberists das wohl geräumigste Stück Raum hier an diesem Abend. Frisch zurück von einer Rundtour durch Köln inklusive Besichtigung und Besteigung des Doms erzählt Colin Meloy begeistert davon wie er überall Kölner den amerikanischen Exportschlager Donuts verzehren sah (er meint Berliner (die Backware), aber niemand wagt die genaue Backwaren-Genealogie von Donuts und Berlinern zur Diskussion zu stellen), und auch der Rest der Band scheint glänzend aufgelegt.

Es geht los wie es später auch endet, mit The Crane Wife, der mehrteiligen Erzählung die das neue gleichnamige Decemberists-Album umrahmt. Es folgt das proggige Epos The Island, und danach gibt es eine regelrechte Rundreise durch die Decemberists-Diskographie. Wilder und wilder geht es auf der Bühne zu, geht dort vielleicht eine Whisky-Verkosterei vonstatten die sich meinem Blick entzieht? Meloy jedenfalls zieht eine Gitarrenpose nach der anderen, und nachdem das zu jeder Schandtat bereite Publikum sich mit einer kleinen Gymnastikeinlage aufgelockert hat rauschen die Decemberists in eine flotte Rockeinlage, während der erst Meloy, dann Gitarrist Chris Funk und auch Bassist Nate Query nicht nur Stagediven, die beiden letzteren werden sogar von der Menge bis nach ganz hinten in den Club getragen und Funk schafft sogar die Rundtour bis zurück nach vorne. Wer den Bauch des Mannes gesehen hat (und das haben hierbei so einige) muss Respekt vor den mutigen Trägern haben.

Die Band hat sichtlich Spaß daran in einem kleinen Club aufzutreten, und so gibt es nach der ersten Zugabe noch eine zweite, während der Meloy, der sich kurz vorher noch mit einem mehrfach um seinen Hals gewickelten Mikrofonkabel selbst zu erwürgen drohte, nun völlig außer Rand und Band durchs Publikum pogt, Arm in Arm mit einem enthusiastischen irischen Decemberists-Fan der natürlich die ganze Zeit dabei ein Bierglas in der Hand hält und keinen Tropfen verschüttet. Die Musik war zwar wie erwartet gut an diesem Abend, aber wow, der Rest war einfach nur sensationell. Your Majesty, The Decemberists fucking rock!

Update: Fotos auf Flickr