Kode9 & The Spaceape - Memories Of The Future



Nie zuvor habe ich so deutlich gemerkt dass sämtliche meiner Kopfhörer kompletter Schrott sind wie als ich ohne meine heimischen Lautsprecher völlig daran scheiterte die exquisiten Bässe auf dieser zweiten ganz großen Veröffentlichung des Londoner Dubstep-Labels Hyperdub auszumachen. Wie Burial mit seinem Debütalbum erwirkt Kode9 im Gegensatz zu seinem Mix Dubstep Allstars Vol. 3 (ebenfalls in Kollaboration mit Spaceape entstanden) auf Memories Of The Future eine andere musikalische Wirkung als im Clubumfeld in dem er normalerweise seine Musik aufführt. Das Album wirkt nicht wie ein Mixtape sondern wie eine durchdachhte Strukturierung aufeinanderfolgender separater Stücke, ein 'richtiges' Album eben.

Anfangs allerdings zeigt sich Kode9 noch im Club-Modus, allerdings schon hier mit vokaler Unterstützung des immer großartig auf den Fluss der Stücke achtenden Spaceape, der mit einer mächtigen Stimme ausgestattet die gesamte Stimmung des Albums sicher problemlos ersticken könnte, aber sich stattdessen unglaublich geschickt in die elektronischen Klänge die ihn umgeben einfügt und einem meist weder als Sänger noch als Rapper vorkommt, sondern wie ein weiteres höchst wichtiges Instrument neben z.B. Beat oder Hi-Hats vorkommt das eine ganz eigene Frequenz belegt. Während er mit seiner Frequenz meist nur einen Schritt gut hörbar hinter dem Vordergrund steht, arrangiert Kode9 beginnend mit Nine immer mehr Soundtexturen die sich in nur etwas mehr Entfernung dahinter abspielen, aber so weit entfernt sind dass es unmöglich ist sie ganz zu fassen.

Dieses außer-Reichweite-Thema führt Kode9 in Curious fort, wo die Stimme von Ms. Haptic um Spaceape umherschwirrt. Es ist nicht klar ob sie wirklich in der Gegenwart in der sich die Musik abspielt präsent ist, wahrscheinlicher ist sie nur ein Echo der Vergangenheit, oder auch ein Echo der Zukunft. Vielleicht sind diese Echos eben die Erinnerungen an die Zukunft die diesem Album seinen Namen gegeben haben.
Es sind auch nichtstimmliche Echos die dieses Album heimsuchen, fast alles was man sich an musikalischen Genres vorstellen kann wirft hier einen vagen Widerhall, tritt aber nie richtig in Erscheinung, macht die Musik so alles und zugleich auch fast nichts, etwas das außerhalb von allem was existiert steht.

Als Mensch steht überaus existent vor (, neben, über, hier gilt jede Präposition) diesem futuristisch/singularistischem elektronischen Ungetüm der überaus menschliche Spaceape, nie aufgeregt, meist monoton, aber unglaublich variantenreich auch wenn man's zuerst vielleicht nicht merkt. Hier wird die Stimme mehr zum Grummel, da zum leicht infernalischen Lachen, dort zum Geflüster, irgendwo scharrt sie fast nur noch und droht sich gar in vereinzelte Brocken aufzulösen, bleibt aber davon verschont zum Echo zu werden.

Auch Echos eines anderen Mediums, des Films, trifft man auf diesem Album an. Neben dem Albumtitel, der auch der Titel eines Buchs über Chris Marker und auch ein wichtiger Plotaspekt dessen Film La Jetee ist, wird auch das musikalische Thema zu einem von Kurosawas Meisterwerken auf 9 Samurai wie man schon am Titel erahnen kann weniger kopiert als variiert, bis es auch hier wieder nur eine halbgegenwärtige Präsenz wird.
Natürlich kann nicht alles ein Echo sein, meist ist die Melodie voll präsent, aber vor allem sind es auch die Bässe die den Hörer in seiner ganzen Physikalität genussvoll als Resonanzkörper nutzen in allen Tiefen die sie ausloten, nicht so dass man die Boxen vibrieren sieht, dass man Hörschaden bekommen könnte, nicht aufdringlich, aber eindringlich. Und so dafür sorgen dass man diese Platte als eine der ganz besonderen dieses Jahres in Erinnerung behält. Aber bitte, ohne gute Lautsprecher oder Kopfhörer wird das nix werden.

[Stream] Kode9 & The Spaceape - Memories Of The Future

Jóhann Jóhannsson



Der Apfel fällt manchmal wirklich nicht weit vom Stamm. Nicht nur hat der Isländer Jóhann Jóhannsson den Vornamen seines Vaters geerbt, sondern auch eine gewisse Faszination für uralte Computer. Nachdem die ersten beiden Soloalben des klassisch ausgebildeten Komponisten besonders wegen ihrer filigranen Durchdachtheit, die dazu führt dass man von Mal zu Mal mehr Facetten heraushören kann, bereits großen Anklang bei einer langsam aber stetig wachsenden Hörergemeinde fanden, bringt er nun mit IBM 1401, A Users Manual ein Werk heraus mit dem er seine Horizonte in anderer Richtung erweitert, weg von der Intimität und hin zu großzügig orchestrierten Epen die jeden ordinären Filmsoundtrack beschämen würden. Dagegen wirken Sigur Rós fast schon wie die zweite Geige.

In seine neue Veröffentlichung bindet Jóhannsson Geräusche uralter Computerperipherie ein die alle zu dem besagten 1401 gehörte, u.a. ein Lochkartenleser und ein Drucker, aber auch das Hauptgerät bot reichlich akustisches Material. Damals waren aus einem Computergehäuse eben etwas mehr als Festplatten und Ventilatoren zu hören. IBM 1401 soll am 17. November hier erscheinen, ich freu mich schon gewaltig. Auf der offiziellen Homepage zum Album kann man nur Ausschnitte aus jedem Akt streamen, zum als Single veröffentlichten letzten Akt gibt es aber ein Video wobei dieses Finale glaub ich keine gesampelten Computersounds nutzt.

[Video] Jóhann Jóhannsson - The Sun's Gone Dim And The Sky's Black (Youtube)

Jóhann Jóhannsson Myspace

Stream: Sufjan Stevens - Songs For Christmas



Weihnachten kommt dieses Jahr für Fans von Sufjan Stevens gleich doppelt verfrüht am 10. November. Zum einen findet dann in Köln das einzige Deutschlandkonzert seiner Europatour statt (das einzige? Shit, langsam sollte ich mir echt mal Karten besorgen...), zum anderen bringt Asthmatic Kitty dann das 5-fach EP-Set Songs For Christmas heraus.
Seit 2001 hat Stevens fast jeden Winter über eine Woche hin eine dieser EPs mit Freunden aufgenommen, und von den 42 Stücken sind immerhin 17 Eigenkompositionen die bei weitem interessanter und schöner anzuhören sind als die doch meist sehr originalgetreu und nur mit Piano eingespielten Weihnachtsklassiker. Alle 5 EPs kann man jetzt auf der Asthmatic Kitty-Seite streamen (einfach auf das jeweilige Cover klicken):

[Stream] Sufjan Stevens - Songs For Christmas (Quicktime)