Von Uli am 10. September 2006, 11:39
Der unbefangene Hörer wird sich beim ersten Hören von
Envys Postrock vielleicht denken "was soll das sein?
Mogwai + heiseres Geschrei?" Aber dieses Geschrei führt und begleitet die Musik der Japaner schon seit fast 15 Jahren, eine eher jüngere Entwicklung ist die Hinwendung zu ausgedehnten Gitarrenwänden. Envy sind als (Post-)Hardcoreband gestartet, und jetzt quasi über die Hintertür dort angekommen wo sich schon
Explosions In The Sky oder ihre Landsmänner
Mono eine Wohnung gemietet haben, beim US-Label
Temporary Residence bzw. in Europa beim Mogwai-Label
Rock Action Records. Das Resultat einer langen musikalischen Entwicklung.
Musikalische Spuren dieser Entwicklung findet man im Gegensatz zu den bisherigen Alben auf
Insomniac Doze kaum noch vor, plötzlich attackierende rhythmisch schnelle Passagen wurden zugunsten eines noch weiter geöffneten, noch größeren, cineastischeren Sounds geopfert. Was bleibt ist aber die heisere Stimme von Sänger Tetsuya Fukagawa, der viele ruhige Teile mit gesprochenem Wort begleitet und jeder noch so schönen abgehobenen Instrumentalpassage mit einer kräftigen Dosis Wut oder Verzweiflung eine kontrastierende Note verpasst und sie erdet.
Dieser "Gesang" mag vielen die derartiges nicht gewöhnt sind auf die Nerven gehen oder die Stimmung zerstören, ich finde aber er ist ein wichtiger Bestandteil von Envys einzigartigem Klang. Besonders schön ist der Effekt bei
Scene, wo eine Idee die man besonders in der populären härteren Rockmusik derzeit oft hört verdreht wird. Hier gibt es keinen klaren melodischen Gesang zu beißenden Rocksounds. Hier ist die menschliche Stimme das Dreckige, Hässliche, während die Musik den schönsten Sternentanz aufführt, und als die Stimme in der letzten Minute des Songs ganz verschwindet gehen selbst am dunkelsten Ort der Welt ein paar Lichter an.
Eine weitere Tücke an Envys Musik für den neuen Hörer ist, dass sie zunächst wie etwas zum nebenher hören erscheint. Aber wenn man sich erst mal an sie gewöhnt hat sollte man unbedingt genau hinhören (und den Geräuschpegel nach oben drehen), sonst verpasst man viele Feinheiten und den ganzen Zauber der von erfahrenen Händen erzeugten sphärischen Gitarrensounds. Und auch wenn man sich mittlerweile gut von ihr treiben lassen kann, spielt Envys Musik immer noch mit den Erwartungen des Hörers. Man kann nicht genau sagen wie lange zum Beispiel die entspannte Gitarrenmelodie auf
The Unknown Glow andauert bis urplötzlich ein sonischer Orkan über ihr kollabiert, auf dem Fukagawas krächzende Stimme reitet.
Insomniac Doze ist nicht Envys bestes Album (das wäre der Vorgänger,
All The Footprints You've left Behind And The Fear Expecting Ahead), enthält aber genug denkwürdig schöne Momente und wütende Energie um sich als das beste Postrockalbum des Jahres zu etablieren. Und live dürften sie eh eine der besten Bands überhaupt sein (ja, besser als Mogwai).
[MP3]
Envy -
Further Ahead Of Warp
[Stream]
Envy -
Shield Of Selflessness
[Video]
Envy -
Scene (Youtube)