Guillemots - Through The Windowpane / The Pipettes - We Are The Pipettes

Guillemots machen diesen Eindruck den auch die Fiery Furnaces machen, dass sie so mühelos großartige eingängige Popsongs produzieren können dass sie sich einfach immer wieder "Fuck It" sagen und etwas Komplexeres aus den Songs machen. Was sollte man sonst von einer Band erwarten, deren Mitglieder mit Avant Garde-Hintergrund aus allen Ländern der Welt kommen.

Through The Windowpane fängt nach dem mehr-als-Intro Little Bear aber erst mal mit den wohl eingängigsten Songs des Albums an, den beiden Übersingles Made-Up Lovesong #43 und Trains To Brazil. Hier merkt man auch direkt was den Indie-Pop der Guillemots neben elaborierten Instrumentalsequenzen so einzigartig macht: die Soul-Elemente, die das Herz der eher intimen Stücke wie Redwings und If The World Ends sind, und die südamerikanischen Sounds die immer wieder in die Songs einfließen. Beides wirkt dabei nie forciert und unnatürlich, sondern manchmal so passend dass man sich nicht vorstellen kann wie es sonst hätte aussehen sollen. Auch was Stimmungen angeht manövrieren Guillemots mühelos von Herzausschütten im Kammerzimmer (Blue Would Still Be Blue) zu euphorisierendem Sambatanz mit Trillerpfeifen (Annie Let's Not Wait).

Am Spektakulärsten kommen alle verschiedenen stilistischen Elemente im monumentalen Schlussstück Sao Paolo zusammen, das in der ersten Hälfte purer weißer Soul ist wie ihn Dexy's Midnight Runners zu Höchstzeiten nicht bewegender machen konnten, dann aber in eine gewaltige Streichersymphonie explodiert und mit einem Crescendo endet bei dem sich einem jedes Mal die Nackenhaare vor Wonne sträuben.

Guillemots Myspace

Ganz und gar nicht schwer zugänglich ist die an den unbeschwerten Pop der 60er erinnernde Musik der Pipettes. Becki, Gwenno und Rosay sind nicht nur einheitlich in weißgepunktete schwarze Dresse gekleidet, auch tanzen sie live fast so synchron wie sie in ihren Songs harmonieren. Dabei nehmen sie nur den vorderen Teil der Bühne ein, im Hintergrund arbeitet ihre Band, die Cassettes. Das öffentliche Gesicht und die Stimme des Großprojektes sind aber die drei Damen, und auch in ihren Texten lassen sich die Pipettes nicht von den Herren der Schöpfung ins Bockshorn jagen.

Mit der zu gleichen Teilen charmanten wie unverschämten programmangebenden Ansage

"We are The Pipettes and we got no regrets, if you haven't noticed yet: we're the prettiest girls you've ever met"

läutet We Are The Pipettes mit preschendem Orgelsound das gleichnamige Album ein, gefolgt von Pull Shapes, diesem geigengefüllten Juwel von einem Popsong durch den allein die Pipettes schon jeden einzelnen Verehrer verdient hätten. Aber das Album besteht fast nur aus klasse Songs, was bei der Simplizität der Songs verblüfft, die tollen Melodien, liebenswerten Texte und leicht immer einen Tick modernen musikalischen Ideen gehen ihnen einfach nie aus.

Manch ein Intellektueller wird wohl aufgrund der scheinbaren Dissonanz zwischen äußerer Aufmachung aus einer popkulturellen Ära in der Frauen oft nur als dümmliche aber hübsche Dekoration dienten und dem starken aber nicht unfemininen Frauenbild das in den Texten vermittelt wird langatmige Traktate über irgendwelche postfeministischen Intentionen oder was weiß ich verfassen, aber das hier ist verdammt noch mal Popmusik zum Spaß haben. Ist es denn so schwer vorstellbar dass die Damen sich dabei nichts Großes gedacht haben?
Deswegen zerrede ich hier auch Nichts weiter und erfreue mich stattdessen an ABC, dem charmantesten Anti-Intellektuellensong aller Zeiten:

"He knows all about the movement of the planets, but he don't know how to move me.
He's the kind of guy who knows just what he knows. He's the kind of guy who.."


The Pipettes Myspace

Burial - Burial



Wer atmosphärische Musik mag wird Burial lieben. Aber Vorsicht, das hier ist keine Musik die man in die neue Moods-Compilation packen kann. Burials Musik ist mehr Dirty Listening als schmalzig-polierte New-Age-Klanglandschaft, Musik, die die abendlich beleuchteten Straßen einer dunklen Großstadt widerklingen lässt. Anders aber als z.B. Bohren & Der Club Of Gore greift die oder der anonyme Burial auf seinem selbstbetitelten Debütalbum aber nicht auf klassische Instrumente wie Saxophon zurück um diese typische Abends-durch-die-Straßen-Fahren-Musik die man aus so vielen tollen Noir-Filmen kennt zu erschaffen, nein, Burial zählt zu den größten Talenten des jungen und noch überaus frischen britischen Elektro-Subgenres namens Dubstep. Das bedeutet hier wabernde Bässe, dazu davon losgelöste hölzerne Beats, bloß keine ordinären 4/4-Takte und vor allem viele bildmalerische Samples.

Dieses Album steht aber aus allen anderen Dubstep-Veröffentlichungen dieses Jahres klar heraus. Neben der ungemein atmosphärischen Wirkung der Songs ist auch die Kompositionstechnik von Burial auffällig. Hier wird nicht millisekundengenau von automatisierten Geräten Sound auf Sound in regelmäßigen Abständen aufgereiht, sondern meist von Hand abgespielt. Diese quasi-analoge instrumentale Herangehensweise an elektronische Musik, eine ungewohnte Unexaktheit die man auch heraushört, trägt nur noch mehr dazu bei dass sich diese Musik so viel lebendiger, wahrhaftiger anfühlt als andere elektronische Musik. Auch dazu bei tragen Sounds die an Fußschritten auf altem Straßenpflaster, an Regen der auf kalte Betonbordsteine klatscht, oder an Wind der durch Tunnel haucht erinnert. Man kann sich beim Hören nicht des Eindrucks erwehren dass Burial einfach aus London kommen muss.

Dies ist nicht nur ein einzigartiges und wichtiges Album, nein, es ist vor allem ein verdammt gutes Album. Auch wenn man sonst gar keine elektronische Musik hört, wenn eine Scheibe es dieses Jahr verdient gehört zu werden dann diese.

Album-Stream auf 3voor12

Burial Myspace