Konzert: Guillemots

Eigentlich hatte ich Guillemots für einen Geheimtipp gehalten, dann aber gestern einiges über die Band aus England gelesen: Ausverkaufte Clubtouren, Videorotation auf MTV, B-Seite auf der nächsten The Streets-Single und nicht zuletzt vom omnipopulistischen NME als "MOST FURIOUSLY SOUGHT AFTER ACT IN THE UK RIGHT NOW" betitelt. Inklusive Großbuchstaben. Kurz: Ganz großer Hype. Hätte ich doch besser schon im Voraus Karten besorgen sollen?
Wenn es einen Hype gibt, dann scheint dieser bisher weder das deutsche Publikum noch die Band erreicht zu haben.

Denn die saß in lockerer Gemütlichkeit bis zu ihrem Auftritt zusammen mit den ca. 25-30 anwesenden Besuchern draußen vorm Gebäude 9 im sonnigen Deutz und genoss das Wetter. Das wurde, da es keine Vorband gab, auch über die letzte Minute hinaus ausgekostet und so begann das Konzert knapp eine Stunde nach Ankündigung. Die Besucher, die von einem scheinbar zu halsbrecherischem Tempo gezwungenen Taxifahrer nach Neun anchauffiert wurden wird es gefreut haben, und auch sonst hatte keiner etwas gegen ein bisschen Biergarten.

Dann Auftritt im Dunkeln. Sänger Fyfe Dangerfield besetzt, umringt von vier stehenden und einem tragbaren Keyboard, einen kunstvoll gearbeiteten Holzstuhl, der mindestens doppelt so alt ist wie er selbst und beginnt ein starkes, ergreifendes Solo zu singen und spielen. Schon ist klar, dass die Soul-Einflüsse, die ich bei meinen Streifzügen zur Homepage der Band in manchen Songs wahrgenommen hatte, mehr als nur Einflüsse sind, denn der Mann schüttet dem kleinen aber dankbaren Publikum seine Seele aus.
Dann betritt der Rest der Band die Bühne. Und was für eine gemischtes Bild sie abgibt. Dangerfield mit seinem hochstehenden, lockigen Haar und einem leicht schlabbrigen, komplett roten Anzug mit dem er wie Wayne Coynes kleiner Bruder aussieht. Gitarrist MC Lord Magrao aus den Straßen Sao Paulos im knappen T-Shirt. Bassistin Arristabazal Hawkes in einem bezaubernden Blumenkleid und mit einem monströsen Doppelbass. Und der manisch trommelnde körperlich eindrucksvolle Rican Caol hinter einem mit Camouflage ausgestatteten Percussionsset.

Auch musikalisch äußert sich diese Vielfältigkeit. Selbst wer schon mal eine perfekte Symbiose von lateinamerikanischen Rhythmen und Klängen und weißem Soul á la Dexy's Midnight Runners gehört haben sollte (was nicht bei vielen der Fall sein dürfte) wird von der Musik der Guillemots überrascht sein. Denn anstatt sich einfach mit großartigen souligen Popsongs zufrieden zu geben, gehen die Guillemots den unbequemen Weg und machen ihre Songs vertrackt, versehen mit anspruchsvollen Rhythmen die den Kopf des Hörers herausfordern, gleichzeitig aber auch immer wieder kräftig in die Beine gehen. Was auch daran liegt dass alle ständig auf höchstem Energieniveau agieren.

Ich kann nun nicht behaupten dass die Band das Gebäude 9 zum Kochen gebracht hätte, dafür war es einfach viel zu leer. Aber ich habe es sehr lange nicht mehr erlebt dass nach jedem Stück so viel applaudiert und gejauchzt wurde, was den Abend besonders emotional und intim machte. Zur Zugabe wurde es dann wirklich intim, Dangerfield, wieder alleine, stellte sich mit tragbarem Keyboard ins Publikum und schüttete den Menschen direkt vor ihm in einer absolut beeindruckenden Nummer seine Seele aus. Und noch einmal versammelte sich dann die Band zum großen Finale, nach dem das Publikum sie nun endgültig nicht mehr gehen lassen wollte. Minutenlang wurde geklatscht, gehofft auf noch eine seelige Sternstunde an diesem Abend, bis schließlich die befürchtete Musik vom Band aus allen Lautsprechern erklang. Da half dann auch kein Buhen (gegen die Musik vom Band wohlgemerkt) mehr.

Einen so intimen Auftritt der Guillemots werde ich vermutlich nie wieder erleben. Dafür aber garantiert viele, viele andere.

[MP3] Guillemots - Who Left The Lights Off Baby
[MP3] Guillemots - If The World Ends (Live @ XFM)

Fotos von anderen Auftritten der Guillemots gibt's auf Flickr.

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