Perfume / f(x) / M.I.A. / Beyoncé / Leverage Models / HAIM

Die Frage mit Yasutaka Nakata ist wohl: Was soll der Mann nun 2014 machen, wo er in einem Jahr Alben für alle seine regulären Betätigungsfelder gemacht und obendrein noch mit Shiina Ringo kollaboriert hat? Dabei schienen sich die vielleicht immer nur gedachten Grenzen zu verschieben, während die ansonsten clubbigere Capsule fast schon ambiente Momente hatte, wurde Perfumes Level3 zu dem Album, das eigentlich den Titel Bangerz verdient gehabt hätte. Vor allem Party Maker endlädt seine farbenfrohen Klatsch-Druckzonen mit Chemical-Brothers-großen Beats, nicht nur hier wirkt die Konstruktion weniger auf Standard-Popsong getrimmt als wie die Musikkomponente von Perfumes kunstvoller Live-Performance. Zwar offenbart es auch abseits davon bald seine berauschende Wirkung, doch dass ausgerechnet dieses Perfumes erstes Album war, das weltweit veröffentlicht wurde ...

[Spotify] Perfume - Level3
[Deezer] Perfume - Level3

Schon verständlich, dass die Großen im Popgeschäft zu bewährten Rezepten tendieren. Mit allzu kühnen Soundentwürfen oder der Abkehr von simplen Harmonien riskiert man schnell, mit kommerziellem Gift abzuenden, das höchstens im Feuilleton ein paar nette Worte erfährt. f(x)s zweites Album Pink Tape schafft jedoch die Balance, haufenweise Einflüsse originell miteinander zu verquirlen und melodisch auch mal Upbeat-Nummern in eigenwillige Melodien zu kleiden, bleibt dabei stolz und schamlos ein (zumindest im eigenen Land) charttaugliches Popalbum ohne verkrampfte Avantgarde-Avancen. Die vielfach konfigurierbare Stimmchemie der Koreanerinnen prägt so seltsame kleine Songs wie Shadow oder Rum Pum Pum, das auf einem Cannonball-ähnlichen Motiv gleitend über Marschtrommeln erst eine Stimme nach der anderen eingängig anhäuft, um sie dann im Refrain in Moll-Strenge und nahtlos wieder zurückrutschen zu lassen.

[Youtube] f(x) - Pink Tape

Nicht nur Abhörskandale, auch das große diesjährige Suicide-Fressen bei u.a. Sky Ferreira oder Kanye West hat M.I.A. schon vor drei Jahren antizipiert. /\/\ /\ Y /\ bleibt mir trotzdem insgesamt zu unausgegoren, anders als das dafür wohl zu lange in Firmenmurkserei gefangengehaltene Matangi, das (ebenfalls trendsetzend erst nach Leakdrohungen veröffentlicht) wie ein pures M.I.A.-Album wirkt. Keine allzu auffälligen Samples/Cover, keine ungelenken Gäste, die über ihre Schuhe stolpern (The Weeknd ist praktisch unsichtbar), selbst ein zeitgeistig verspäteter Y.A.L.A.-Witz fällt nicht negativ auf, weil die unnachgiebige Musik so lebhaft kratzt und kickt.

[Deezer] M.I.A. - Matangi
[Spotify] M.I.A. - Matangi

Nach dem vor lauter Singles nicht so ganz an Format gewinnen wollenden 4 kam also diesmal einfach das Album zuerst. Außen schwarz, innen pinkrosa ist die CD-Box, die zugleich ein Musik- und Musikvideo-Album unter anderem über die Freuden des Ehesex beinhaltet - da nun groß Symbolik rauslesen zu wollen, ist eigentlich unnötig. Was Beyoncé wichtig ist, spricht sie explizit und unmissverständlich aus, beginnend mit "Perfection is a disease of a nation. It's the soul that needs the surgery". Vor allem aber singt sie es aus, meist überaus bemessen, manchmal sogar in angekratzter Imperfektion, wenn es dem Song zugute kommt. Dass die Namen der meisten musikalischen Kollaborateure das Jahr über schon in den Credits anderer, weniger guter Popplatten in ähnlich klingenden Songs auftauchten, macht deutlich, was dieses großartige Album wirklich ausmacht. Ihr Name steht in Großbuchstaben vorne drauf.

[Spotify] Beyoncé - BEYONCÉ
[Deezer] Beyoncé - BEYONCÉ

Das unscheinbarste Popalbum des Jahres. Wie man auch im Plattenladen dran hätte vorbeigehen können, bin ich dutzendfach an Titel und Cover vorbeigeklickt, weil sie so ungemein dröge wirkten. Dabei konfrontiert das Innere von Leverage Models' Debüt im Gegenteil sofort durch den furchtlos exuberanten Gesang von Shannon Fields. Alles lässt diese hohe Tonlagen erklimmende Stimme raushängen, auch an glänzend hellen Synths wird nichts zurückgesteckt, doch wie in glatteren Sax-Momenten verweben Leverage Models überall widerspenstige Klänge, die den Stoff dieser potentiell eindimensional flachen zu komplexen Songs von triumphaler Eingängigkeit machen.

[Stream] Leverage Models - Leverage Models

Einer der schönen Aspekte an einem Musikblog ist ja, dass man manchmal den Wandel der eigenen Eindrücke und Meinungen dokumentieren kann. Eine Suche nach HAIM zeigt eine anfängliche Unkenntnis der Band und ihrer Musik, der ich erst nur in Vocals und erstklassigen Remixen begegnete, dann beim Hören Gefallen an einer exzellent ausgearbeiteten Produktion fand. Bis es mir nach ein paar Monaten (weniger als auch nur sporadischen Hörens) auf einmal wie Stöpsel aus den Ohren fiel, dass beides doch so stimmig zusammenhängt: Der Forever-Remix zum Beispiel funktioniert eben deswegen so gut, weil eine der großen Qualitäten der Schwestern Haim in der Rhythmik ihrer Stimmen liegt, mit denen sie die Spannungszonen ihrer Songs wie niemand anders kontrollieren können. Ein enger Basslauf, ein ungebunden langer Ausruf. Gleichmäßig auf jeden Anschlag verteilte Silben, die sich zum Refrain hin verdichtend fast überschlagen. Klar, dass jeder einzelne instrumentale Klang dazu ebenso bis ins Detail durchgefeilt werden muss, klar, dass zusammen mit einem ebenso oberklassigen Hook- und Melodiegespür dabei nur das beste Album des Jahres herauskommen kann.

[Deezer] HAIM - Days Are Gone
[Spotify] HAIM - Days Are Gone