Februar 2014: Ava Luna, The Central Executives, Criminal Code, The Hotelier, Hysterics, Machinegirl, The Notwist, Paula, St. Vincent, Woods Of Desolation



Ava Luna - Electric Balloon
 

Warum hab ich diesen Eintrag nur so lange vor mir hergeschoben?

Ach ja, ich glaub mir dämmert's: Es gab arschviele Alben im Februar. Zum Glück erspart es mir etwas Schreibarbeit, dass ich schon einige davon bei Auftouren bejubelt habe, ebenfalls nicht immer ganz zeitnah zur Veröffentlichung. Aber es gibt halt Werke wie dieses hier, die mir sofort sympathisch, nur nicht ganz klar sind. Oft ändert sich daran durch wiederholtes Hören nichts, noch öfter werden die vermuteten Schwachstellen manifest, doch bei Ava Lunas Art-Soul hat sich die Geduld gelohnt. [MEHR]

 


The Central Executives - A Walk In The Dark
 

Den Geduldsrekord hält sicher A Walk In The Dark, bei dem ich fast ein halbes Jahr gebraucht hab, um mich zum Kauf zu entschließen. Gut, ich bin da generell auch geduldiger geworden, auf die höchsten Chartpositionen in der ersten Verkaufswoche werd ich nur noch Wenigen helfen können. Die schwüle Maskendisco von The Central Executives verschickt ohnehin keine Masseneinladungen, soweit ich sehe gab es diese legal nur auf Vinyl (bzw. via diesem beiliegenden Downloadcode) hörbare Grooveverführung weder vorab noch im Nachhinein als Stream. Auch die Identitäten der Menschen dahinter erfährt man erst, wenn man das Booklet aufklappt, wobei dies mehr zum erstaunten Discogs-Credits-Streifzug als einer tiefgehenden Erhellung beiträgt. Dies ist schließlich Musik, in der ihre eigenen SchöpferInnen aufgehen und in der ihre HörerInnen aufgehen, Namen und Gesichter weniger wichtig sind als das genüssliche Dahinschmelzen in dieser delikat schweißtreibenden Spätnachtssommerlust. Tanzen ist optional, fängt man erst einmal damit an, sollte man auch ordentlich Ausdauer mitbringen, um das Es-geht-immer-weiter auch voll auszukosten.

 


Criminal Code - No Device
 

Dass Criminal Code nach einer albumwürdigen EP- und Singlereihe für ihr offizielles Debütalbum weniger punkig daherkommen, hat mich schon ne Weile das typische Syndrom befürchten lassen, mit dem Bands für dieses Format abflauen oder zu verkrampft um Diversität bemüht sind. Obendrein winkte die schon auf der letzten Single angedeutete Goth-/Deathrock-Hinwendung mit einer atmosphärischen Versessenheit, über die die Band ihre größte Stärken (geshoutete Hooks! Silberfeuer-Riffs! Rollende Drums!) vernachlässigen könnte, doch Criminal Code können auch in abgedunkelten Räumen ordentlich auf die Kacke hauen. Die metallenen Gitarrentöne mögen einen Kajalanstrich bekommen haben, aber sie bleiben göttlich schön.

 


The Hotelier - Home, Like Noplace Is There
 

„Because I’m desperate here, a couple steps from the edge. I can’t seem to burn bright enough. I’m cold and I’m left alone. We’re all alone.“ Dies ist nur einer der ersten von vielen emotionalen Tritten in die Magengrube, die das zweite Album von The Hotelier prägen. Vom textlich noch reichlich unausgegorenen Pop-Punk ihres Debüts, das es unter dem Namen The Hotel Year herausbrachte, hat sich das Quartett aus Massachusetts zu einer musikalisch reiferen und erheblich ausdruckskräftigeren Band entwickelt. [MEHR]

 


Hysterics - Can't I Live? EP
 

Zum zweiten Mal, doch erfolgreicher als auf dem Debüt, erstrecken sie sich mit „Please Sir“ über vier Minuten in Länge und Breite, was der rumpeligen Intensität aber keinen Abbruch tut und in wüsten Gitarrenausbrüchen weniger kulminiert als eskaliert. Doch das Quartett macht nicht nur instrumental Druck, in immer wieder eindringlich steigendem Tonfall schwingt Hysterics’ Vokalistin die Worte wie Waffen und zieht in „Now I See“ Silben in die Länge, nur um nach diesem Ausholen mit einem Peitschenschlag in rapides Stakkato zu explodieren. [MEHR]

 


Machine Girl - WLFGRL
 

Ich kann's völlig verstehen, wenn einem Footwork bei den ersten Begegnungen chaotisch, hektisch und auch anstrengend erscheint. Mir ging das insbesondere bei Alben sicher eine Weile nicht anders. Anders als die Teklifer jedoch lässt der britische Produzent mit der Cyberpunk-Ästhetik diesen Ersteindruck nie verschwinden. Machine Girls Debütalbum WLFGRL ist perkussiv hochgezüchtete Reizüberflutung, die einem ihren maximalistischen Hybrid dermaßen sprunghaft über den Kopf zieht, dass Rustie dagegen an den Boden geleimt wirkt. War es mit seinen Filmzitaten aus Ginger Snaps 2 anfangs nur eine von vielen Bandcamp-Kuriositäten, ist mir dieses Ideenfeuerwerk mit der Zeit doch ordentlich ans herz gewachsen, bis irgendwann inmitten all der Frenetik des vorletzten Tracks dann wohl so etwas wie Seele durchscheint. Die Anspannung jedoch bleibt.

 


The Notwist - Close To The Glass
 

The Notwist waren schon fast immer für Regenwetter gut. Nicht emotional oder weil Musik bloß das akustische Accessoire zum Klima wäre, sondern weil ich insbesondere bei strahlendem Sonnenschein meine schnell schweißtreibenden großen Kopfhörer nicht gern aufsetze. Das letzte Notwist-Album ist schon so lange her, dass ich gar nicht mehr weiß, warum ich's nicht mochte und wenn man immer nur über positiv seine Lieblingsplatten schreibt, kann man eben sowas nicht gleichermaßen zum späteren Nachlesen mithalten. Hier jedenfalls passt der oft komisch und nicht ganz richtig zusammengefügt wirkende Pop wieder ganz formidabel, geräuschelt formenbildend durch die dicken Ohrmuscheln, wie er's durch Lautsprecher irgendwie etwas anders macht.

 


Paula - Paula
 

Waren The Postal Service vielleicht nur die amerikanischen Paula? Das zumindest suggeriert „Vergessen“, doch zur nostalgischen Zeitreise wird das erste gemeinsame Album von Berend Intelmann mit Elke Brauweiler seit Jahren erfreulicherweise nicht. Vielfalt ist Trumpf – es muss ja nicht alles greller Maximalismus in permanenten Großbuchstaben sein, wenn man genauso gut eine herrlich shoegaze-texturierte „Dunkle Nacht“ machen kann. MEHR

 


St. Vincent - St. Vincent
 

Auf höherem Niveau kann ich kaum enttäuscht werden. Wobei, zunächst war ich nach der Byrne-Geschichte ja mal positiv überrascht, die trotz aller Highlights stellenweise nur ganz OK war ... ach, wieder so was Positives so unenthusiastisch klingend ausgedrückt. Das ist wohl die Sphäre, in der Annie Clark jetzt operiert, wo jede neue Platte so ein narkotisierender Vor-den-Kopf-Stoßer wie Strange Mercy sein könnte. Wer jenes lieber etwas poppiger gestriegelt und funkig belebt gehabt hätte, sollte - nein, muss muss muss es mal hiermit versuchen. Denn auch wenn vieles von dem, was ich hier am meisten mag, in anderen Songs schon existierte oder angerissen wurde, wird es hier eben weitergeführt oder auch mal vollendet auf eine Weise, wie sie nur diesem einen Kopf auf der ganzen Welt erwachsen kann. Wenn meine größte Beschwerde schon ist, dass John Congleton die bizarr kompakte Gitarrenklangfarbe St. Vincents in letzter Zeit auch bei mehreren anderen von ihm produzierten Alben verwendet hat ...

 


Woods Of Desolation - As the Stars
 

Ich war nie gut im Erkennen depressiver Intention von Musik. Das scheint bei (offizielle Genre-Eigeneinordnung des ehrenwerten Künstlers, dass hier jetzt niemand was von wegen Schubladenjournalismus meckert) "Depressive Black Metal" nicht anders zu sein - der letzte Song hiervon erinnert mich mehr als alles andere an My Chemical Romance (wobei ...). Aber egal ob hi- oder so lo-fi wie hier, diese Verbindung von sandigen Gitarrenbächen und schwellenden-schwallenden Melodien wird auf mich immer vorwiegend erhebend wirken, schön aufgezogen wie Alcest und vor allem Jesu ist es allemal und kann sich inmitten einer Flut an ähnlichem Material behaupten.