66 aus 2006 Teil 5

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Platz 22
Mission Of Burma - The Obliterati


Als wären sie nicht mehrere Jahrzehnte lang weg gewesen, hauen Mission Of Burma einer Generation von Musikhörern ein absolut grandioses Rockalbum um die Ohren bei der sich ihre alten Alben mittlerweile legendären Status erspielt haben. Dass Mission of Burma dabei immer noch klingen wie niemand anders hat sich überaus schlecht auf die allgemeine Stimmung in meiner CD-Sammlung ausgewirkt, von ganz oben im Regal blickt dieses Album majestätisch erhaben auf alle herab die sich unter ihm befinden und irgendwo eine Tonspur mit Gitarrenklängen beinhalten. Und die da unten können noch nicht mal protestieren, denn The Obliterati kann zu Recht auf sich stolz sein. [mehr]

Platz 21
The Blow - Paper Television


Ich hätte nie gedacht dass mich dieses Album mit der Zeit mehr und immer mehr begeistern würde, aber es ist passiert. Nicht auf den ersten Blick, oder aufs erste Hören vielmehr, aber mit der Zeit taten sich immer mehr der vielen vielen musikalischen Einfälle Jonah Bechtolts vor mir auf, und Khaela Maricichs Stimme mit ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit wurde immer sympathischer. Und Melodien, die hat dieses Album auch genug für eine kleine Ewigkeit. Wer dazu eine glaubwürdigere musikalische Autorität als die meinige benötigt den verweise ich an die Thermals, die hatten die Musik von The Blow nämlich nahezu nonstop von Band am laufen bis ihr Konzert begann. [mehr]

Platz 20
The Knife - Silent Shout


Ich glaube was mir am meisten an der Musik des schwedischen Geschwisterpaares gefällt ist, dass sie nie das Bedürfnis verspürt aus ihrem klanglichen Geflecht unnötig auszubrechen. An manchen Stellen kann ich bei Elektronik immer wieder den dumpfen Uffta-Uffta-Chartdreck meiner Kindheit anklopfen hören, der vor allem mit Lautstärke zu glänzen meinte und mich vom kompletten Feld der elektronischen Tanzmusik auf Jahre hin abgeschreckt hat. Aber The Knife brauchen kein plakatives Effektfeuerwerk, jede Klangspur liegt nur ein paar Meter neben einer anderen, man kann richtig hören wie selbst die seltsamsten Soundkompositionen mit Bedacht zusammengestellt wurden. So hat man nie das Gefühl dass hier billige Effekthascherei betrieben wird, sondern dass alles auf maximale musikalische Schönheit ausgelegt ist.

Platz 19
Scott Walker - The Drift


Jeder kennt Scott Walker. Nein, das ist jetzt kein altkluger Musiksnobismus, ihr habt ihn alle schon mal gehört. In den 60ern sang er mit seinen Walker Brothers The Sun Ain't Gonna Shine Anymore, und wem der Titel gerade nichts sagt, sucht euch irgendeine Time Life Classics-Sammlung heraus oder geht auf Youtube, ihr kennt's garantiert. Aber niemand, auch nicht wer sein späteres Soloschaffen verfolgte, hätte wohl gedacht dass der Mann der eine zeitlang große Melodien mühelos aus dem Ärmel schütteln konnte mal so etwas düsteres wie The Drift aufnehmen würde. Walkers Stimme enthält keinen Funken Hoffnung, dem klanglichen Abgrund in den sie gleitet je entkommen zu können. Wie könnte sie auch, dieser Abgrund, den Walker meisterlich über Jahre hinweg entwarf, ist so furchtbar dass einem beim Hören wahlweise ein Eiswürfel gefüllt mit Rasierklingen den Rücken runterläuft oder man sich vor Angst oldschool in die Hosen scheißt.

Platz 18
The Blong Blondes - Someone To Drive You Home


Gibt es etwas das ich noch nicht über diese Band geschrieben habe im vergangenen Jahr? Nun, dies vielleicht: Kürzlich entdeckte ich auf einer alten Festplatte, die genauso wundersam auf einmal wieder funktionierte wie sie Monate vorher zu funktionieren aufgehört hatte, die ersten Netzfundstücke von Long Blondes-Aufnahmen die ich letztes Jahr aufgetrieben hatte. Und mir fiel auf, warum die Blondes die Stücke auf ihr Debütalbum getan hatten die nun dort drauf sind und warum andere nicht. Früher war vieles punkiger, Autonomy Boy z.B. ging vom Gesang her schon stark Richtung Postpunk á la The Slits, und sowas hätte einfach nicht auf das Popalbum Someone To Drive You Home gepasst. Vielleicht litt das Album etwas darunter, weil man so einen etwas einseitigen Eindruck von den Blondes bekommt und besonders die längeren neuen Stücke wenn man die Texte nicht interessant findet auf Dauer an Reiz verlieren. Aber ich kann für mich nur sagen, alt oder neu, ich liebe die Songs mittlerweile noch mehr als beim ersten Mal, damals als Separated by Motorways noch nicht ganz so stampfige Beats hatte. [mehr]

Platz 17
Asobi Seksu - Citrus


Jeder Musikhörer kennt das: Man findet dieses Album, das sich einfach so ungemein richtig anhört dass man sich sich schnell, heiß und innig darin verliebt. Man nimmt es unterwegs mit, man stellt es Freunden vor, man spielt es auch schon bei Familienfesten. Und dann irgendwann, dann fehlt auf einmal der Funke. Der Zauber ist weg. Und plötzlich will man es gar nicht mehr hören, man schämt sich sogar etwas dass man es so toll fand - Geschmacksverirrung? Solche Ängste hatte ich bei Asobi Seksus zweitem Album, denn diese träumerischen Gitarrenwellen (entsprechende Vergleiche fangen generell mit My an und enden mit Valentine) verbunden mit dem noch träumerischeren Gesang und den denkwürdigen Melodien die alle zusammen von angemessen eingängigen Rockrhythmen transportiert wurden waren einfach zu schön um von Dauer zu sein. Aber Gott sei Dank, Citrus bleibt einfach mit jedem Hören so wunderbar wie dieses erste Mal, die Magie ist immer noch da, und möge sie bitte auch immer bleiben.

Platz 16
Kode9 & The Spaceape - Memories Of The Future


Im Dubstep spielt sich die richtige Action in den tiefsten Bassfrequenzen ab, so hört man die Kenner sagen. Das muss man live mit einem richtig guten Soundsystem in den Clubs hören, um es richtig beurteilen zu können. Ich glaube das auch durchaus, trotzdem konnte man dieses Jahr die ersten großen Veröffentlichungen in Albenlänge dieser noch jungen Musik aus London auch an der heimischen Anlage genießen. Eine davon war diese Zusammenarbeit von Dubstep-Legende, hochverkopftem Soundtheoretiker und Boss des Hyperdub-Labels Kode9, und dem Vokalisten Spaceape. Zusammen haben sie ein Werk geschaffen, das wirklich Erinnerungen erweckt, kaum an etwas das man selbst erlebt hat, eher an etwas das nie geschah, oder das noch geschehen wird. Das soll ihnen mal einer nachmachen, egal mit welcher Anlage. [mehr]

Platz 15
The Decemberists - The Crane Wife


Nach dem zweiten Album ist das Debüt auf einem Majorlabel das kritischste Album für einen Künstler. Selten gelingt der Balanceakt, die alten Qualitäten beizubehalten und gleichzeitig für ein größeres Publikum attraktiv zu wirken. The Decemberists haben mit The Crane Wife nicht nur eben dies geschafft, sondern darüber hinaus sogar noch für sich selbst neue kreative Maßstäbe gesetzt. Zwischen Ende und Anfang der altjapanischen Sage um die Kranichfrau reihen Wortmagier Colin Meloy und der Rest der Band gewohnt tolle Songs aneinander, Songs divers wie alles was man in die Kluft zwischen dem Folk-Discofox The Perfect Crime und dem Prog-Epos mit dem epischen Titel The Island: Come and See/The Landlord's Daughter/You'll Not Feel The Drowning packen kann, Songs über Krieg und.. nun, nicht direkt Frieden, eigentlich noch mehr Krieg. Aber nicht den modernen High Tech-Krieg, hier sieht man jeden Blutspritzer, hier wird man durch die Ruinen einer zerstörten Stadt geführt und sieht wie sich dazwischen kleine und große Tragödien abspielen. Das klingt jetzt düster, aber zu so schöner Musik wie in O Valencia hört man wirklich gerne Geschichten über blutverschmiertes Kopfsteinpflaster.

Platz 14
Danielson - Ships


Irgendwer, ich weiß nicht mehr wo in den Unweiten des Internets, hat nach Betrachten einiger Jahresbestenlisten 2006 zynisch zum "Year of the bad singer" erkoren. Das ist durchaus zutreffend, zumindest wenn man jaulende, schräge, kippelige, schrille und andere ungewohnte Stimmen schlecht findet. Danielson ist dann sicher sowas wie der ungekrönte Sängerkönig des Jahres, mit seinen hohen, fast schon tierähnlichen Lauten, die auch nach dem ersten Hören noch in unangenehme Frequenzen vorzudringen scheinen. Aber irgendwo ist mir das so was von egal, denn Ships enthält dermaßen viele erhabene, glückselig machende Momente dass Danielson so exzentrisch singen darf wie er will. [mehr]

Platz 13
The Fiery Furnaces - Bitter Tea


Mehr als alle anderen Alben der Geschwister Friedberger klingt dieses nach Wanderung, nach Reisen. Das liegt sicher mit daran dass in den Textbarragen der ohnehin rastlosen Kompositionen die lächerlich obskuren weltweit verteilten Lokalitäten lieber gleich im Dutzend referenziert werden ("665 1/2 Frottage Road", "an Alberton's outside of Boise", "the Multifunctional Dr. Sun Yat-Sen Memorial Rollerblade" etc... dieser Scheiß ist ungooglebar!). Aber auch fühlt man sich in Momenten wie dem pausenlosen Übergang des flotten Pianos am Ende von Black-Hearted Boy in die schwurbelnden Discoorgeln die das Titelstück eröffnen wie auf einer ausgedehnten Tour durch die abgefahrensten Orte einer Metropole. Hinter der Platte steckt bestimmt auch ein großes Gesamtkonzept das niemand je aus den Texten herauslesen könnte, aber auch so bleiben die Fiery Furnaces mit Longplayer Nr. 5 weiterhin eine der aufregendsten und produktivsten Gruppen der Gegenwart. [mehr]

Platz 12
Grizzly Bear - Yellow House


Gab es dieses Jahr jemanden der Yellow House hörte und anschließend ernsthaft nicht mochte? Mir zumindest ist noch niemand untergekommen, aber Yellow House ist ja auch so ein richtiges Album zum Liebhaben. Mit dem man sich ruhig mal nen Tag lang in sein Zimmer einschließen kann, mit gutem Essen und Getränken ausgestattet, und dann einfach die heimische Musikanlage per Lautsprecher oder Kopfhörer diese Magie verströmen lassen kann. [mehr]