Swan Lake - Beast Moans



Musik wird von einer Band oft, auch wenn dies irgendwo einen kreativen Akt beinhaltet, nach einem immer gleichen Schema gemacht: einer schreibt den Text, eventuell ein anderer die Musik, und jedes Mitglied spielt dann mit verschiedenen kreativen Freiheitsgraden die Parts seines jeweiligen Instruments ein.

Es kann aber auch ganz anders vonstatten gehen. So zum Beispiel: drei Freunde, allesamt kreative Köpfe von hoch gelobten kanadischen Bands, treffen sich im Spätwinter 2006. Nicht um ihr größtes Werk überhaupt zu schaffen, nicht um erfolgreich zu werden, nur weil sie mal zusammen was machen wollen. Jeder hat ein paar halbgare Songideen im Gepäck, die alle die stilistische Note des jeweiligen Komponisten tragen. Und viel unterschiedlicher könnten die Persönlichkeiten nicht sein die die drei in ihrer Musik verkörpern: Da ist zum ersten der wilde Mann, Carey Mercer von den schrägen Frog Eyes. Zum zweiten Dan Bejar alias Destroyer, der belesene Wortmagier. Und zum dritten Spencer Krug, der Neo-Romantiker, einer der zwei Songwriter von Wolf Parade und ganz alleine von Sunset Rubdown.

Und diese drei spielen nun nach Gutdünken an diesen Songideen rum, türmen Klanreihe auf Klangreihe, jeder mal was anderes, ob Gitarre, Keyboards, Bass, Schlagzeug (aber in etwa so: einer die Snare, ein anderer die Hi-hat), Gesang, was immer man reinpacken kann. Und am Schluss vermischen Krug und Mercer das Aufgenommene am Computer noch mal zu einem dichten Morast aus ineinander verschwimmenden Tonspuren durch das keiner mehr durchblickt. Klingt nach einem mittleren Desaster, nicht?

Wenn man das erste Mal Beast Moans von Swan Lake hört auf jeden Fall. Beim zweiten und dritten Mal auch, überall ist soviel los, man weiß gar nicht wo man hinhören soll. Nur langsam beginnt man die Grundstrukturen zu erfassen, dann was drumherum ist, um irgendwann einmal die Stücke in ihrer Gesamtheit hören zu können. Zunächst schälen sich nur die Krug-Kompositionen All Fires und Are You Swimming In Her Pools? und Bejars The Freedom aus dem verwaschenen Klangdickicht heraus, doch wenn man tapfer bleibt und sich durchschlägt entdeckt man mehr und mehr an diesem Albums:

Das barock anmutende A Venue Called Rubella, wie ein Walzer der beim Untergang von Atlantis gespielt wurde. City Calls, das von mindestens einem halben Dutzend Stimmen bevölkerte Klagelied mit herrlichen glockenartigen Keyboards vor einem majestätisch langsam marschierenden Schlagzeug (überhaupt die Effekte die hier mit den vermischten Stimmen erreicht werden: während Mercer und Krug zusammen recht ähnlich wie zuvor einzeln klingen, vermischen sich die Produkte von Mercers und Bejars Stimmorganen besonders auf The Partisan But He's Got To Know zu einer erstaunlich femininen Einzelstimme).
Widow's Walk, das Eröffnungsstück, auf dem Bejar unruhig eine Tonleiter emporklettert, dabei einen Satz wiederholend den man sich mehrmals anhören muss um ihn zu verstehen, so viele Wendungen nimmt er bis er einmal zum Punkt kommt: "And in the light / of what was there / it's been said / they heard me / bid you "Come on!" / ...on your way / down Widow's Walk...".
In krassem Gegensatz dazu steht Krugs simpler Satzbau in der Erzählung All Fires:

"There was a flood, a world of water.
The mason's wife swam for her daughter.
1000 people did what they could.
They found a steeple and tore up the wood.
500 pieces means 500 float.
1000 people means 500 don't."

Einfache Mathematik, und doch ungemein ergreifend. Auch das ist einfache Mathematik: wer das bisherige Schaffenswerk aller drei Mitglieder von Swan Lake mag, der kann mit der Summe, diesem letzten ganz großen Album des Jahres, kaum etwas falsch machen. Nur wäre man gut beraten eine Machete mitzubringen, ansonsten wird das eben so eine Platte (und ich kann wirklich nur empfehlen dieses Album in der CD-Version zu erwerben die das Booklet enthält [die LP tut dies offenbar nicht, siehe Kommentare], das dank der verstörend schönen Bilder von Shary Doyle für mich das beste des Jahres ist) die man frustriert wegpackt und ein halbes Jahr später wieder ausgräbt um sie dann endlich, nachdem die Saat des ersten Hörens genug Zeit hatte um sich in einem selbst zu entfalten, endlich in sein Herz zu schließen. Natürlich hält sie auch dann noch mit jedem Hören neue Geschenke bereit.

[MP3] Swan Lake - All Fires
[MP3] Swan Lake - The Freedom

allyklein - 5. Dez, 23:21

wow, uli. super beitrag. das einzige, was ich im moment will, ist diese platte hören. macht wirklich, wirklich lust. und trifft alles ganz genau. ich verneige mich vor dir.

und vor swan lake.

uliuli - 6. Dez, 08:43

Vielen vielen Dank. Und ja, ein Hoch auf diese Dreifaltigkeit der Zauberhaftigkeit.
david (Gast) - 7. Dez, 22:24

booklet

toll, in der vinyl ausgabe sind nur die texte auf so nem lieblosen weißen blatt drauf. was für ne kacke.

uliuli - 7. Dez, 23:22

Fuck das ist echt scheiße, werd's gleich mal in den Beitrag schreiben. Ich dachte immer LPs hätten das gleiche Artwork wie CDs nur in größer.
Es sieht zwar nicht so gut aus wie gedruckt, aber die Startseite der oben verlinkten Homepage von Shary Boyle ziert diesen Monat immerhin die Rückseite des Booklets. Das ist neben dem Cover eigentlich auch das einzige andere gemalte Artwork, der Rest sind vergrößerte Ausschnitte aus diesem Bild.
David (Gast) - 8. Dez, 19:07

booklet

achso, wenn es nur noch das zweite bild gibt bin ich ja erleichtert - das ist auf der Rückseite von der Lp - ich dachte mir entgeht jetzt ein ganzes booklet voller super Bilder wo ich doch sowieso die Hälfte (naja nicht ganz) meiner Cds nach dem Artwork aussuche ...