Sonic Youth - Rather Ripped

Sonic Youth - Rather RippedOb es durch den Weggang von Jim O'Rourke geschah, oder weil sie in letzter Zeit so viel von ihrem Frühmaterial anlässlich dessen Wiederveröffentlichung gehört haben, oder weil sie einfach mal wieder etwas ganz anders machen wollten als auf dem letzten Album: Sonic Youth klingen auf Rather Ripped so jung und leicht wie sie schon seit Jahren nicht mehr geklungen haben. Dabei ist das Album kein Rückschritt zum Stil von Daydream Nation oder Sister. So sehr ich auch in den letzten Tagen diese alten Alben gehört habe, den neuen SY-Stil kann ich einfach nicht klar auf eins davon beziehen.
Jedenfalls sind die Noise-Eskapaden und avantgardistischen Einflüsse der letzten Alben komplett aus dem Vordergrund verschwunden, gleichzeitig sind die Songs kürzer und vor allem im Songwriting fokussierter geworden. Sonic Youth klingen auf einmal wie die beste Indierock-Band der Mittneunziger (die sie zu der Zeit stilistisch nie waren).

Die Gitarren klingen klarer, moderner, behalten aber immer noch eine gewisse Atonalität bei die den unverkennbaren SY-Sound erzeugt. Auch das Songwriting ist weniger ausladend, sondern klar und fokussiert, geradezu poppig für SY-Verhältnisse. Die schrägen Noise-Sounds beschränken sich, genau wie Gitarrensoli, meist auf wenige Sekunden und sind gleichzeitig Brücken zwischen einzelnen Songpassagen als auch denkwürdige Einzelmomente der Songs. Mit der Souveränität einer Band, die sich von genialen Dilettanten zu genialen Routiniers entwickelt hat, bestimmen SY den Verlauf von eingängigen, aber rockigen Songs wie Incinerate oder What A Waste mit beeindruckender Minutiösität. Überhaupt, Kim Gordons eindringliche vokale Vorstellungen auf What A Waste, Turqoise Boy, Reena und The Neutral machen dies zum ersten Sonic Youth-Album auf dem ich mir mehr Kim Gordon-Songs gewünscht hätte. Und natürlich der obligatorische Lee Ranaldo-Song, Rats, ist ein souveränes Stück Musik das wieder mal die Frage aufwirft warum der Mann nicht schon längst mal ein Soloalbum gemacht hat.

Die Anordnung der Songs jedoch ist das einzige was mir nicht so ganz zusagt. Bis einem das ganze Album so gefällt dürften einige Hördurchläufe vergehen, denn praktisch alle auffälligen Songs befinden sich auf der ersten Hälfte des Albums. Jeder der Songs auf der zweiten Hälfte wäre ein gutes Schlussstück, und so ist man als Hörer nach einer Weile verwirrt dass es immer noch weitergeht und will lieber wieder die frischen Songs am Anfang hören. Aber auch die weniger spektakulären Songs haben ihre Attraktionen, was man einfach rausfindet wenn man mal die Plattennadel zu Beginn weiter zur Mitte hin ansetzt.

Die größte, zunächst unspektakulär wirkende, Sternstunde des Albums ist aber an Position 3 der Stücke Do You Believe In Rapture, auf dem die Gitarrensaiten geradezu gestreichelt und massiert werden. Dabei erzeugen sie ein nebliges Dröhnen, über die ein zartes Geklimper gelegt wird und man sich fühlt als stünde man an einer New Yorker Straßenecke an einerm warmen Herbstabend. Dort steht dann niemand Geringeres als ein gewisses Amerikanisches Staatsoberhaupt und predigt Krieg und Vernichtung. Kann er sich leisten, denn er glaubt ja eh daran dass die Welt bald untergeht und er von dem von ihm Angebeteten gerettet wird. Do you believe in rapture?

[MP3] Sonic Youth - Incinerate
[Stream] Sonic Youth - Do You Believe In Rapture?
[Stream] Sonic Youth - What A Waste

Rather Ripped wird zur Zeit auf zahlreichen Seiten gestreamt, u.a. hier, hier und hier.

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