März 2014: The Caution Children, Johnny Foreigner, Kevin Gates, La Dispute, Linda Perhacs, Magic Touch, Manchester Orchestra, Perfect Pussy, Psalm Zero, Sports, Tony Molina, White Hinterland, The War On Drugs



The Caution Children - Safe Crusades / No Judgements / And Baby
 

Na bei dieser 6-Wochen-Frequenz schaff ich den Dezember-2014-Eintrag ja locker vor Ende nächsten Jahres! Apropos Frequenz (das war eine gute Überleitung), den hochfrequenten Tremolo-Anschlag nutzen The Caution Children aus Florida für ihren wolkig texturierten Screamo, der sich fast schon zu formelhaft in druckvollen Wellen ergießt und in ambient-sanfte Passagen abebbt. Neben den fast schon Envy-hysterischen Shouts und gelungenen Melodien wurden diese aber überzeugend ungestelzt von Produzent Jack Shirley eingefangen, der sowohl für Sunbather verantwortlich zeichnete wie auch für viele Platten des dreampop-tendenziellen New Yorker Indierock-Labels Captured Tracks. Passend dazu: Das für dieses Genre ungewöhnlich bunt-stylische Artwork.

 


Johnny Foreigner - You Can Do Better
 

Egal was sie machen, ob sie nun zu dritt, zu viert oder vielleicht irgendwann mal zu zehnt sind, Johnny Foreigner haben einen unverkennbaren Stil und Klang, den sie wohl auch dann noch behalten würden, wenn sie ein Album Song für Song zwischen Dave Fridmann und Steve Albini wechselnd aufnähmen. Ihr Sound ist gewissermaßen mit amerikanischem Emo/Pop-Punk verwandt, aber auf eine sehr eigene Art dicht und überdreht. Ob sie diese Fähigkeit zum Sich-selbst-Überschlagen nun voll ausspielen oder sich selbst aufs Wesentlichste runterbrechen, läuft's wie die Vergangenheit zeigte dann vor allem darauf hinaus, ob sie eine gute Songidee haben. Wenn nicht, kann das ebenso in ziellosem Wüten wie übermäßiger Monotonie enden, aber auf ihrem vierten Album passiert eben das nicht. Inspiriert und mit dem gesammelten Können, diese Inspiration auszureizen, reihen sie sich neben Sky Larkin und Slow Club in die Gruppe exzellenter britischer Bands ein, die in der dortigen Wüstendimension zwischen "noch nie ein richtig großer Hype" und "nie gänzlich unbekannt" zu einem Zeitpunkt ignoriert werden, wo sie endlich ihre stärksten Werke schaffen.

 


Kevin Gates - By Any Means
 

Sagenhafter Flow, sagenhafte Stimme und ein Gefühl dafür, sie bei jeder Gelegenheit anders angepasst einzusetzen: Wenn Kevin Gates das ungemütliche Treiben auf der Straße beobachtet, wird er konzentriert und eindringlich, wenn er sein Ego auf ner Party auslebt sprung- und lebhaft und wenn er sich selbst verwundbar oder konfessionell zeigen will, so bricht und knackst die Heiserkeit in seinem Tonfall mit gekonnter Effektivität. Vor allem aber schafft er es, zwischen den unterschiedlichen Ansätzen auch über die einstündige Dauer seines dritten Albums nicht nur stimmig zu bleiben, sondern einen auch ungemein mitreißend bei der Stange zu halten. Wenn ich einen Rapper nennen müsste, dem ich auch weiterhin zwei starke Alben pro Jahr zutrauen würde, dann wär das Gates.

 


La Dispute - Rooms Of The House
 

Wer das letzte Album von La Dispute zu leicht zugänglich und zu lebenslustig fand, durfte sich im März freuen. Rooms Of The House ist tatsächlich noch spröder, noch grauer verhangen, noch weiter entfernt von Post-Hardcore mit Festfaktor. Wenn Songs wie For Mayor In Splitsville die Strukturen vertrauter Rock-Hymnik mit Moll-Verschiebung und Jordan Dreyers speiender Bauchstimme in La Disputes Welt ziehen, so ist es zunächst irritierend, bis man sich mit etwas oder auch einiger Geduld in Rooms Of The House eingelebt hat. Danach: Langfristig packend und verstörend.

 


Linda Perhacs - The Soul Of All Natural Things
 

Mehr als 40 Jahre nach dem zwischendurch wiederentdeckten und wiederveröffentlichten Parallelograms ist das Klangbild von Perhacs’ trügerisch leicht dahingleitenden Songs in sanft raunende Synths gebettet astraler geworden, mitunter sogar von Perkussion durchzogen, die jedoch nicht von Perhacs’ fein gestrickten Melodieläufen ablenkt, höchstens mal in Intensity titelgemäß einen verdichteten Taumel bewirken. Offenherzige Musik von oberflächlicher Schönheit, die mit zahllosen Nuancen aber auch langfristige Faszination erwirkt.

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Magic Touch - Palermo House Gang
 

Ein übermäßig breitgetretener Hype wird mal wieder dann fruchtbar, wenn die meisten schon längst weiter gezogen sind. 100% Silk begann als das Dance-Seitenlabel von Not Not Fun und da sich bekannte Gesichter aus dem Umkreis der Labelköpfe dort neben Neuentdeckungen und dem allgemeinen Exodus alter Noiseheads in die Housewelt ausbreiteten, stellte sich bald der gleiche hohe Ausstoß bei laxer Qualitätskontrolle wie schon bei Not Not Fun ein. Für eine rundum gelungene Veröffentlichung schon zu medialen Hochzeiten des Hipster-House-Hypes hatte aber Magic Touch alias Damon Palermo alias Mr. Achtarm bei Mi Ami (als Mi Ami noch Drums benutzten) gesorgt, was er mit seinem Debütalbum fortsetzt. Die perkussive Wirkung des Pianoanschlags flechtet Palermo ebenso effektiv in seine trügerisch komplexen, aber letztendlich körperanimierenden Beatmuster ein wie die Vocals seiner Gäste aus dem musikalischen Freundeskreis, die eben immer mittendrin im Geschehen sind.

 


Manchester Orchestra - Cope
 

Go big or go home. Oder: Wenn man etwas machen will, dann soll man's auch konsequent aufziehen. Manch eine Band mit Gitarre in der Hand schielt noch nach der Arena, nach dem Rockalbum als buchstäblich großes Ding, doch irgendwo kommt dann atmosphärisches Gesiffel dazwischen, coole Ableton-Experimente, dröger Goth-Pathos oder die zwei Songs, die auch dieses ganz aktuelle Thema Disco aufgreifen. Fuck that, Manchester Orchestra haben sich für Cope mit einem Lastwagen voll Effektgeräten und mehr Gitarren, als sie tatsächlich live spielen können eingedeckt und Songs auf Tonträger gebannt, die groß, größer und größerst klingen. Nicht weniger, dafür noch ein bisschen mehr. Wer das zu laut findet, kann ja in den Keller gehen.

 


Perfect Pussy - Say Yes To Love
 

Nach dem Ende von Shoppers hatte ich alle paar Monate nach Meredith Graves gegoogelt, immer in der Hoffnung, dass sie ihre kreativen Energien nicht nur in Vintage-Kleidung, sondern auch wieder in Musik stecken würde. Und tatsächlich, mit der etwas anderen Banddynamik, aber dem wenig anders klingenden und wirkenden Sound scheinen Perfect Pussy auf eine etwas längerfristig stabile Zukunft ausgerichtet. Das innerhalb einer Woche entstandene Debütalbum des Quintetts denkt noch nicht alle seine Ansätze zu Ende und steht insgesamt ein Stück hinter der EP zurück, hat aber genug inhaltliche Überzeugung, selbst wenn man um sie auszumachen die Lyrics gedruckt sehen muss. [MEHR]

 


Psalm Zero - The Drain
 

Charlie Looker war bislang vor allem für sein Werk mit Extra Life bekannt, doch seine markant gequetscht-belegte Stimme überträgt sich erstaunlich passend auf die noch weniger Ruhepole bietende Industrial-Wucht, die er mit Andrew Hock (Castevet) als Psalm Zero heraufbeschwört. Die mechanische Stoik der kräftig wetzenden Drum Machine, neben der die beiden mit Bass, Gitarre und gelegentlich Synthesizer agieren, intensiviert nur die Fabrikhallen-Ästhetik von „The Drain“. Sein Sound hallt so weit und ohne atmosphärische Texturen zugleich so kalt nach, dass aber auch klar ist, dass Psalm Zero in dieser Halle ganz alleine sind mit sich und ihrer Fleischlichkeit. Looker und mit kürzeren, heiseren Schreiausstößen auch Hock schneiden sich nicht nur in ihren Texten voller Splitter und Brandwunden ins eigene Fleisch, ihre Songs sind wie das Zerrbild einer glückseligen Welt. Psalm Zeros Mittel ist jedoch nicht viszerale Intensität und Aggression. [MEHR]

 


Sport - Bon Voyage
 

Die indierockige Post-Hardcore-Band aus Lyon führt manches ad absurdum. Vor allem die strenge Einhaltung eines Konzeptes: Der Name der Band ist Sport, ihre Songs tragen allesamt den Namen von SportlerInnen oder im Entfernten wettbewerblich orientierten Personen (Charles Lindbergh), doch inhaltlich ist von einem kompetitiven Ernst wenig zu spüren. Thematisch orientiert sich Bon Voyage dafür am Albumtitel, sehnt sich in Songs voller kleiner Twinkle-Gitarrenschnörkel nach der Ferne, schwärmt davon oder flüchtet nur so dahin, weil zu Hause weniger als nichts ist. Passenderweise untergraben Sport auch die Idee des Labels als exklusive, feste Heimat: Die 23 Labels aus fast genauso vielen Ländern, auf denen das Album erschienen ist, sind mehr wie freundliche Herbergen auf einer großen Rundreise um die Welt als eine feste Residenz fürs Leben.

 


Tony Molina - Dissed And Dismissed
 

Da dachte ich eigentlich letztes Jahr, ich hätte mir noch rechtzeitig ein Exemplar von Tony Molinas ultrakompaktem Debüt gesichtert, doch irgendwo zwischen der US-Westküste und hier ist das Paket wohl von tollwütigen Indierock-Geiern abgegriffen worden. Zum Glück aber erweckte er damit das Interesse und die Aufmerksamkeit von Slumberland Records, das die LP auch gleich international neu rausbrachte - zeitlos sind die zwölf goldigen Songs darauf ohnehin. [MEHR]

 


White Hinterland - Baby
 

Casey Dienel hat eine soulige Stimme. Eine formidable Songwriterin ist sie auch, multiinstrumental versiert obendrein, doch ausschlaggebend für Baby ist, dass sie all das in Eigenproduktion nicht bloß im dokumentarischen Sinne aufnimmt, sondern wechselwirkend synthetisiert. Hier bereitet sie dem Bassgroove einen satten Echoraum, dort kippt die Miniorgel zum Songklimax in Lo-Fi-Übersteuerung, bis sich ein Kabal aus verflochtenen Gesangsträngen glasklar jubilierend erhebt oder das Kristallpiano auf rückwärts abgespielte Samples mit überlappenden Oszillationsflächen antwortet. Der Aggregatzustand des Klanges ist hier mit der selben Wichtigkeit belegt wie die Note, die er trifft und das Instrument, von dem er ausgeht. Das ist sicher auch bei anderer, wenn nicht sogar aller Musik so, aber wenn Pop so kunstvoll arrangiert ist wie dieser, erscheint es geradezu offensichtlich.

 


The War On Drugs - Lost In The Dream
 

Hand aufs Herz, ich war nie der größte Fan der Band. Adam Granduciel mochte ich vor allem dann, wenn er einen fundierten, mit motorischer Stoik vorantuckernden Beat mit gezielten Traumriff-Harmonien ritt, die so gefühlt in alle Ewigkeit weiterfahren konnten. Nirgendwo gelang ihm das von Experimentalabfall entlastet so gut wie in Baby Missiles, bis ... nun ja, bis er aus eben diesem Rezept mal eben ein ganzes Album strickte. Das ist Springsteen, Young, Petty, das ist Softrock, das ist nicht revolutionär und im Kern mehrmals der gleiche Song und all dass ist schnurzpiepegal, weil Granduciel dieses eine Ding, das er so gut beherrscht, ein ums andere Mal einfach grandios durchzieht, bis er selbst auch in seiner eigenen Musik aufgeht.

Februar 2014: Ava Luna, The Central Executives, Criminal Code, The Hotelier, Hysterics, Machinegirl, The Notwist, Paula, St. Vincent, Woods Of Desolation



Ava Luna - Electric Balloon
 

Warum hab ich diesen Eintrag nur so lange vor mir hergeschoben?

Ach ja, ich glaub mir dämmert's: Es gab arschviele Alben im Februar. Zum Glück erspart es mir etwas Schreibarbeit, dass ich schon einige davon bei Auftouren bejubelt habe, ebenfalls nicht immer ganz zeitnah zur Veröffentlichung. Aber es gibt halt Werke wie dieses hier, die mir sofort sympathisch, nur nicht ganz klar sind. Oft ändert sich daran durch wiederholtes Hören nichts, noch öfter werden die vermuteten Schwachstellen manifest, doch bei Ava Lunas Art-Soul hat sich die Geduld gelohnt. [MEHR]

 


The Central Executives - A Walk In The Dark
 

Den Geduldsrekord hält sicher A Walk In The Dark, bei dem ich fast ein halbes Jahr gebraucht hab, um mich zum Kauf zu entschließen. Gut, ich bin da generell auch geduldiger geworden, auf die höchsten Chartpositionen in der ersten Verkaufswoche werd ich nur noch Wenigen helfen können. Die schwüle Maskendisco von The Central Executives verschickt ohnehin keine Masseneinladungen, soweit ich sehe gab es diese legal nur auf Vinyl (bzw. via diesem beiliegenden Downloadcode) hörbare Grooveverführung weder vorab noch im Nachhinein als Stream. Auch die Identitäten der Menschen dahinter erfährt man erst, wenn man das Booklet aufklappt, wobei dies mehr zum erstaunten Discogs-Credits-Streifzug als einer tiefgehenden Erhellung beiträgt. Dies ist schließlich Musik, in der ihre eigenen SchöpferInnen aufgehen und in der ihre HörerInnen aufgehen, Namen und Gesichter weniger wichtig sind als das genüssliche Dahinschmelzen in dieser delikat schweißtreibenden Spätnachtssommerlust. Tanzen ist optional, fängt man erst einmal damit an, sollte man auch ordentlich Ausdauer mitbringen, um das Es-geht-immer-weiter auch voll auszukosten.

 


Criminal Code - No Device
 

Dass Criminal Code nach einer albumwürdigen EP- und Singlereihe für ihr offizielles Debütalbum weniger punkig daherkommen, hat mich schon ne Weile das typische Syndrom befürchten lassen, mit dem Bands für dieses Format abflauen oder zu verkrampft um Diversität bemüht sind. Obendrein winkte die schon auf der letzten Single angedeutete Goth-/Deathrock-Hinwendung mit einer atmosphärischen Versessenheit, über die die Band ihre größte Stärken (geshoutete Hooks! Silberfeuer-Riffs! Rollende Drums!) vernachlässigen könnte, doch Criminal Code können auch in abgedunkelten Räumen ordentlich auf die Kacke hauen. Die metallenen Gitarrentöne mögen einen Kajalanstrich bekommen haben, aber sie bleiben göttlich schön.

 


The Hotelier - Home, Like Noplace Is There
 

„Because I’m desperate here, a couple steps from the edge. I can’t seem to burn bright enough. I’m cold and I’m left alone. We’re all alone.“ Dies ist nur einer der ersten von vielen emotionalen Tritten in die Magengrube, die das zweite Album von The Hotelier prägen. Vom textlich noch reichlich unausgegorenen Pop-Punk ihres Debüts, das es unter dem Namen The Hotel Year herausbrachte, hat sich das Quartett aus Massachusetts zu einer musikalisch reiferen und erheblich ausdruckskräftigeren Band entwickelt. [MEHR]

 


Hysterics - Can't I Live? EP
 

Zum zweiten Mal, doch erfolgreicher als auf dem Debüt, erstrecken sie sich mit „Please Sir“ über vier Minuten in Länge und Breite, was der rumpeligen Intensität aber keinen Abbruch tut und in wüsten Gitarrenausbrüchen weniger kulminiert als eskaliert. Doch das Quartett macht nicht nur instrumental Druck, in immer wieder eindringlich steigendem Tonfall schwingt Hysterics’ Vokalistin die Worte wie Waffen und zieht in „Now I See“ Silben in die Länge, nur um nach diesem Ausholen mit einem Peitschenschlag in rapides Stakkato zu explodieren. [MEHR]

 


Machine Girl - WLFGRL
 

Ich kann's völlig verstehen, wenn einem Footwork bei den ersten Begegnungen chaotisch, hektisch und auch anstrengend erscheint. Mir ging das insbesondere bei Alben sicher eine Weile nicht anders. Anders als die Teklifer jedoch lässt der britische Produzent mit der Cyberpunk-Ästhetik diesen Ersteindruck nie verschwinden. Machine Girls Debütalbum WLFGRL ist perkussiv hochgezüchtete Reizüberflutung, die einem ihren maximalistischen Hybrid dermaßen sprunghaft über den Kopf zieht, dass Rustie dagegen an den Boden geleimt wirkt. War es mit seinen Filmzitaten aus Ginger Snaps 2 anfangs nur eine von vielen Bandcamp-Kuriositäten, ist mir dieses Ideenfeuerwerk mit der Zeit doch ordentlich ans herz gewachsen, bis irgendwann inmitten all der Frenetik des vorletzten Tracks dann wohl so etwas wie Seele durchscheint. Die Anspannung jedoch bleibt.

 


The Notwist - Close To The Glass
 

The Notwist waren schon fast immer für Regenwetter gut. Nicht emotional oder weil Musik bloß das akustische Accessoire zum Klima wäre, sondern weil ich insbesondere bei strahlendem Sonnenschein meine schnell schweißtreibenden großen Kopfhörer nicht gern aufsetze. Das letzte Notwist-Album ist schon so lange her, dass ich gar nicht mehr weiß, warum ich's nicht mochte und wenn man immer nur über positiv seine Lieblingsplatten schreibt, kann man eben sowas nicht gleichermaßen zum späteren Nachlesen mithalten. Hier jedenfalls passt der oft komisch und nicht ganz richtig zusammengefügt wirkende Pop wieder ganz formidabel, geräuschelt formenbildend durch die dicken Ohrmuscheln, wie er's durch Lautsprecher irgendwie etwas anders macht.

 


Paula - Paula
 

Waren The Postal Service vielleicht nur die amerikanischen Paula? Das zumindest suggeriert „Vergessen“, doch zur nostalgischen Zeitreise wird das erste gemeinsame Album von Berend Intelmann mit Elke Brauweiler seit Jahren erfreulicherweise nicht. Vielfalt ist Trumpf – es muss ja nicht alles greller Maximalismus in permanenten Großbuchstaben sein, wenn man genauso gut eine herrlich shoegaze-texturierte „Dunkle Nacht“ machen kann. MEHR

 


St. Vincent - St. Vincent
 

Auf höherem Niveau kann ich kaum enttäuscht werden. Wobei, zunächst war ich nach der Byrne-Geschichte ja mal positiv überrascht, die trotz aller Highlights stellenweise nur ganz OK war ... ach, wieder so was Positives so unenthusiastisch klingend ausgedrückt. Das ist wohl die Sphäre, in der Annie Clark jetzt operiert, wo jede neue Platte so ein narkotisierender Vor-den-Kopf-Stoßer wie Strange Mercy sein könnte. Wer jenes lieber etwas poppiger gestriegelt und funkig belebt gehabt hätte, sollte - nein, muss muss muss es mal hiermit versuchen. Denn auch wenn vieles von dem, was ich hier am meisten mag, in anderen Songs schon existierte oder angerissen wurde, wird es hier eben weitergeführt oder auch mal vollendet auf eine Weise, wie sie nur diesem einen Kopf auf der ganzen Welt erwachsen kann. Wenn meine größte Beschwerde schon ist, dass John Congleton die bizarr kompakte Gitarrenklangfarbe St. Vincents in letzter Zeit auch bei mehreren anderen von ihm produzierten Alben verwendet hat ...

 


Woods Of Desolation - As the Stars
 

Ich war nie gut im Erkennen depressiver Intention von Musik. Das scheint bei (offizielle Genre-Eigeneinordnung des ehrenwerten Künstlers, dass hier jetzt niemand was von wegen Schubladenjournalismus meckert) "Depressive Black Metal" nicht anders zu sein - der letzte Song hiervon erinnert mich mehr als alles andere an My Chemical Romance (wobei ...). Aber egal ob hi- oder so lo-fi wie hier, diese Verbindung von sandigen Gitarrenbächen und schwellenden-schwallenden Melodien wird auf mich immer vorwiegend erhebend wirken, schön aufgezogen wie Alcest und vor allem Jesu ist es allemal und kann sich inmitten einer Flut an ähnlichem Material behaupten.

Summer Global

Summer Global by Aufeinneues on Mixcloud


Ist das jetzt schon oldschool, einen Mix aus MP3s zusammenzubasteln? Aber anders geht's halt nicht, Spotify und co. haben halt nur einen ziemlich beschränkten Katalog, erst recht wenn es in internationale Popgewässer geht. Eigentlich wollte ich nur ganz konzeptlos meine Lieblings-Sommersongs aus 2014 zusammenwerfen, doch ganz am Ende fiel mir dann auf, dass dabei eine recht internationale Mischung herausgekommen ist: 15 Stücke mit InterpretInnen aus 11 Ländern auf 5 Kontinenten, wenn ich mich nicht verzählt habe. Naja, jedenfalls dachte ich mir, wo ich das Ding schon für mich gemacht habe, kann ich's ebensogut hier teilen. Auch irgendwie oldschool.

Katy B - Little Red (Continuous Mix)



Katy B - Little Red (Continuous Mix)
 

Katy Bs Songwriting und Stimmcharisma mögen auch ihr zweites Album mehr als alles andere prägen, doch nachdem On A Mission noch fraglos ein höchst zeitgemäßes Dancepop-Album war, ist Little Red eher Dance/Pop - je nachdem, welche Version man hört, ergibt die Trackreihenfolge bemerkenswerterweise einen völlig anderen Albumcharakter. Anhand der Standardversion verläuft die wenig überraschende Geschichte von Katy Bs Popstar-Werdung inklusive Frühstücks- und Primetime-TV-Auftritten über die Powerballaden-Singles Crying For No Reason und Still, die das Album ankern und vor allem den Ton der gemächlicheren zweiten Hälfte setzen, welche nach der Belebtheit der Anfangsstücke wie eine sich nur langsam erschließende Bremse wirkt. Außen vor bleibt dabei ein halbes Dutzend großartige Bonustracks wie Blue Eyes und Hot Like Fire, die als Teil des Albums mehr Garage und Breakbeat reingebracht und einige andere Songs qualitativ überschattet hätten.

Doch eine Fantasie muss das nicht bleiben, denn zumindest auf der Doppel-CD existiert Little Red noch in einer alternativen vollwertigen Albumform, die schnurstracks in die Clubs zurücksteuert. Hier sind sämtliche Songs in einem einzigen langen Mix ohne Unterbrechung und in völlig anderer Reihenfolge arrangiert und werden plötzlich zu einer größeren Tanzparty als das letztjährige Disclosure-Album. Nicht nur werden die Stücke weniger schwerfällig, wenn sie um ihre In- und Outros beschnitten ungehobelt ineinanderfaden, auch werden in kontrastreicheren Übergängen zuvor etwas überflüssig wirkende Stücke plötzlich höchst vital - Disappears, wenn es ins Knarzquaken von I Like You übergeht und das Sampha-gesangsdurchtriefte Play, das ich hier geradezu ersehne, weil es Aaliyah umso majestätischer auftreten lässt, das im Standard-Tracklisting auch als Anschluss an das sehr ähnliche 5 AM leidet.

Während jene Version die Hülle nicht ein Mal verlassen hat, will es der Continuous Mix seitdem immer noch nicht nach weiter unten in den CD-Stapel schaffen und dürfte mein liebstes Sommeralbum werden. Dabei sind die Songs selbst nahezu identisch, trotzdem kommt es mir vor, als würde ich sie erst in dieser Anordnung genau hören, klein-feine Details wie wenn Stimme und Saxophonmelodie glückselig tänzelnd am Ende von Blue Eyes in Einzeltöne zerfallen. Wie auch auf I Like You (“The way you move just fills me with desire ”) fasst Katy B hier Verlangen in Worte und Stimme auf eine Weise, die nachvollziehbar ist, und doch nicht trocken – dazu spielt sie nur allzu schelmisch mit dem Reimschema, indem sie vor der erwarteten letzten Silbe erst pausiert und sie dann komplett auslässt und in den Refrain übergeht:

Somehow it just works
Somehow we just click
You know you have my heart
When I see your …

Blue eyes