Bushwalking / Sky Larkin

Die Wahrnehmung australischer Musik bleibt merkwürdig unterentwickelt. Gerade Chapter Music hatte ein Erfolgsjahr, das sich locker mit New Yorker Pendants wie Mexican Summer und Capture Tracks messen konnte, trotzdem rutschten davon wie auch vom Bed-Wettin'-Bad-Boys-Album nur mal einzelne Soundcloud-Embeds auf die großen US-Seiten, als Alben blieben sie unsichtbar. Dabei ist selbst das darunter relativ spröde Zweitwerk von Bushwalking nicht gerade eine Höranstrengung, vielleicht etwas (typisch australisch) rauer angerieben als Warpaint spielt das Trio herrlich verzahnten Postpunk-Minimalismus, der vor allem durch die Vocal-Dynamik traumhaft eingängig wird.

[Stream] Bushwalking - No Enter

In Songs wie Overgrown und Frozen Summer erinnern Sky Larkin auf ihrem dritten Album in Akkordwahl und dem komplexeren Wechselspiel von Rhythmussektion und mittlerweile zwei Gitarren sogar ein wenig an Bushwalking, eben jene Zweitgitarre bringt aber die auffälligste Weiterentwicklung mit: Auf Motto brausen die Gitarren endlich einmal so vollmundig und wüst auf wie live, zugleich hat Katie Harkin ihr Songwriting aber noch eigenständiger ausformuliert, anstatt es auf ein primitiveres Niveau zu führen. Kraftvoller Körper und nachdenkliches Hirn, deren Ringen miteinander Sky Larkins Alben bislang navigieren mussten, ziehen endlich an einem Strang - leider wohl zu spät, da die Band dem Anschein nach nur noch von der UK-Presse wahrgenommen wird, gerade als sie ihr Potential richtig erschlossen hat.

[Stream] Sky Larkin - Motto

Cassie / Le1f / Ian Isiah / Kelela / Om'mas Keith

Ich scheue mich bis heute davor, Musik lediglich in Form von Downloads (oder gar nur) Streams rezipieren zu können. Bei Mixen und Mixtapes ist das fast immer die einzige Möglichkeit, trotzdem scheint es mir, als würden besonders diese schnell wieder aus meinem Bewusstsein entschwinden. Dass Cassie dieses Jahr eines rausgebracht hatte, war mir z.B. komplett entfallen bis zum Streifzug durch den MP3-Ordner - ausgerechnet, wartete die Welt doch über ein halbes Jahrzehnt auf mehr als Fitzelchen und Demo-Leaks von ihr. Gern gehört hab ich's nach all den Monaten trotzdem wieder, ihre (für Cassie-Verhältnisse allerdings stark wie nie) Nuschelpräsenz funktioniert besonders gut im Kontrast zu den fast durchweg hochmotivierten Gästen.

[Stream/Download] Cassie - Rockabye

Vielleicht wirkte es aber auch im Jahre 2013 schon etwas gewöhnlich, in dem ein Le1f auf zwei prallen Mixtapes über Blubberblasen und Cyber-Beats von Spa-Besuchen und Massageöl rappt. War das letztjährige Debüt schon auf derart modernem Kurs, aber Le1f selbst darauf zu präsenzlos abgemischt, irritierte Fly Zone anfangs mit schwankender Lautstärke der Stücke. Nicht nur in der Hinsicht war Tree House noch gelungener, finf heftiger an und wurde zur Mitte um Hibiscus und Blood Oranges völlig schwerelos.

[Stream/Download] Le1f - Fly Zone
[Stream/Download] Le1f - Tree House

Im Letzteren wirkte auch Ian Isiah mit, dessen eigenes Debüt mir anfangs (der Titel trägt sicher Mitschuld) wie The-Dream mit weitaus weniger Machismo, aber auch etwas weniger Ambition erschien. Interessant wurde es zwischen den beiden vor allem in Fragen der Sexualität, hängt in jedem Artikel über Le1f ein "Queer"- oder "Gay"-Präfix vor der Genrefizierung seines Rap, obwohl es mir scheint, als würde er auf seinem zweiten Mixtape keine genderspezifischen Pronomen benutzen (auch nicht, wenn Sex voll und ganz im Zentrum steht). Andersherum hatte ich Isiah von seinen Texten her als 08/15-Hetero aufgefasst, bis sich die beiden Mixtapes beim Aneinanderreihen vermischten und auffällig wurde, wie viel davon gar nicht mal so eindeutig war. In der Tat scheint auch Isiah mit Mehrdeutigkeiten Spaß am Rollensubvertieren zu haben, das Tragen von Heels ist schließlich noch lange kein klares Indiz für Gender oder Sexualität.

[Stream/Download] Ian Isiah - The Love Champion

Auf textlicher Ebene eher egal blieb mir Kelelas Mixtape, vielleicht wirkte es deswegen auch mehr so als wie ein Album, als dass es Ende des Jahres doch recht groß von der Kritik gefeiert wurde. Für mich war's vielleicht ein kleiner Abschlag, dass ich nach diversen Mixen und Singles an Vocal-Kollaborationen mit Produktionen von Fade To Mind und Night Slugs ein wenig zu hohe Erwartungen hatte - dennoch war's zumindest mal ein Mixtape, für das ich in CD-Audioqualität auch gerne mal was springen ließ, der Download von Boomkat klingt schon an all den futuristischen Ecken und Kanten der Beats merklich ausgeprägter als der (oder waren's 160?) 192er-MP3-Download.

[Stream] Kelela - CUT 4 ME
[Download] Kelela - CUT 4 ME

Eigentlich kein Mixtape, sondern ein mit Vocal- und Instrumentalversionen doppelt und dreifach satt ausgestattetes Album servierte Om'mas Keith - trotzdem umsonst. Und so wie ich es immer mit Downloads befürchte, lag dieser auch wochenlang von mir unbeachtet rum, bis ich gegen Herbstanfang mal ein wenig Aufräumlust bekam. Höre da, das Album stellte sich als fantastisch heraus, eine Art von "Future"-R&B-Sound, der anders als Kelelas auf Fülle und Schichtungen setzt, vor allem aber voller Vorstellungskraft im Zeichnen seiner Neon-Großstadtträume steckt.

[Stream/Download] Om'mas Keith - City Pulse

TV Freaks / The Courtneys / Radioactivity

An Garagerock/punk/pop schätze ich wohl insbesondere den Drive, der die Musik vorwärts treibt. So fällt es nicht sonderlich ins Gewicht, dass TV Freaks nicht die langlebigsten Melodien in die Welt setzen, weil sie dafür in geschlossener Formation einen Wahnsinnsdruck entwickeln und darin anbetungswürdig durch ihr nüchtern betiteltes Zweitwerk Two brettern, dass man sich vom heftigen Mitnicken schnell den Nacken verknackst. Erinnert mich nicht nur mit dem Speedo-vollkehligen Sänger an besonders aufgedrehte Rocket From The Crypt, nur für Bläser war in dieser kanadischen Gitarrenwalze wohl kein Platz mehr.

[Stream] TV Freaks - Two

The Courtneys sind mit gemütlich mitwippbarem Tempo und jangliger Gitarre mehr am Rande des Garage-Spektrums, doch so wie die Melodien ihres überfeinen Debüts sich mit den Monaten zunehmend unvergesslich gemacht haben, ist ihre spielerische Intensität eine unscheinbare. Besonders in 90201 zieht das Trio aus Vancouver sukzessive an, multipliziert zugleich den Gesang, bis alle auf einmal den größten Sommerhit 2013 singen, den nur wenige gehört haben werden. Auch schön an diesem Album ist ja, wie viele der Songs so wichtigtuerisch streng anfangen wie bei einer deutschen Studentenband, um dann in gekonnt-catchige Leichtigkeit umzuschwingen. Trotzdem hatten mich die irren kanadischen Versandkosten fürs Vinyl lange abgeschreckt, bis sich alternativ der Japan-Import(!) der CD-Version als völlig erschwinglich erwies.

[Deezer] The Courtneys - The Courtneys
[Spotify] The Courtneys - The Courtneys

Neben diesen beiden Platten ist es nicht schwer, die von Radioactivity als wehmütiger zu empfinden. Aber auch darüber hinaus erwecken Jeff Burkes Melodien wie schon zu Zeiten der Marked Men so, als wären sie einem gewissen Maß an Reflexion erwachsen - was aber keine musikalische Schwerfälligkeit bedeutet. Vielmehr wird When I'm Gone dadurch umso kraftvoller zum Befreiungsschlag, wenn die GItarre so hell klingt, als würde sie tatsächlich von Blechbläsern eingestrichen (schließlich war Burke mit The Marked Men tatsächlich mal auf Swami). Ohnehin muss das Ganze in flottem Tempo herausgespielt werden, wo ein weiteres Album schon bald anstehen soll.

[Stream] Radioactivity - Radioactivity

HOAX / Jungbluth

Gut, das Album von HOAX ist wahrscheinlich eine der feinsten Hardcoreplatten des Jahres. Das Schlagzeug gibt druckvoll den Ton an und kann auch autoritär das Tempo rausnehmen, so dass sich spätestens hier die metallisch (aber nicht metal-ig) fiese Gitarrenverzerrung ausbreiten kann, die so einen besonderen, schwer zu findenden Punkt an Aufgeblasenheit und zugleich Kaputtheit trifft. Nicht minder gut, wenn auch mit etwas anderer Mischung, treffen diesen auch Jungbluth mit einem (Post)Hardcore, der vor allem mit seiner tragkräftig inszenierten Dynamik-Fluktuation so mitreißend wird. Was sie mir aber darüber hinaus vor allem verbindet, ist die Ausstattung beider LPs.

Beide sind vielerorts für unter 15€ zu haben, erweisen sich beim Öffnen aber als größere Füllhörner als so manche designierte Special-Deluxe-Varianzedition. Part Aches Texte & Credits sind auf klasse designten, beidseitig bedruckten Pappkarten (eine pro Song) niedergeschrieben, ein Poster des Covers ist glaub ich auch noch dabei, bei HOAX wiederum wird man von einem halben Dutzend Postern in doppelter LP-Cover-Breite und -Höhe erschlagen, eines für je zwei Songs. Es passt irgendwie perfekt, dass zwei Bands, die so gekonnt mit dem Volumen ihres Sounds umgehen, auch ein bemessenes Übermaß für die Präsentation der Musik ansetzen.

[Stream] HOAX - HOAX
[Stream] Jungbluth - Part Ache